Stelzer: Rechtsbruch bei Postenvergabe "muss Konsequenzen haben"
Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) über die aktuellen Postenschacher-Vorwürfe und wie sich Karl Nehammer als neuer Chef macht.
KURIER: Sie waren heute auf Besuch beim Wiener SPÖ-Bürgermeister. Ist da das Wort „G’sindl“ gefallen?
Thomas Stelzer: Nein, Michael Ludwig und ich haben einen gepflegten Umgang miteinander (lacht). Natürlich können solche Worte in der Hitze des Gefechts fallen, aber uns ist bewusst, dass wir als Politiker auch eine Vorbildfunktion haben.
Welches Bild gibt die ÖVP ab, wenn immer wieder so etwas auftaucht?
Es hat keiner eine Freude damit. Wir können jetzt nur versuchen, dass sich der Eindruck verbessert.
Aus einem Chat geht hervor, dass Klubchef August Wöginger offenbar für einen Parteifreund interveniert hat. Wie sehen Sie die Causa?
Wenn es Sorge gibt, dass rechtliche Verfahren nicht eingehalten wurden, dann muss das ordentlich aufgeklärt werden. Auf der anderen Seite ist Wöginger ein ehrenwerter, engagierter Parlamentarier. Er sagt, er habe auf nichts in rechtswidriger Weise Einfluss genommen. Ich glaube ihm das.
Die Justiz kann erst ermitteln, wenn Wöginger seine Immunität verliert. Soll er sich ausliefern lassen?
Das muss er selbst bewerten. Es gibt Gepflogenheiten im Parlament. Ich will als Landesvertreter nicht hineing’scheiteln.
Wie beurteilen Sie Chats wie die von Wolfgang Sobotka, wonach „fleißige“ Funktionäre mit Posten belohnt werden?
Ich kenne die Chats nicht im Detail. Die Frage ist immer: Ist die Grenze des Rechts überschritten worden? Für Bestellungen sind klare rechtliche Verfahren einzuhalten. Wenn nicht, dann muss es Konsequenzen geben.
Haben Sie sich schon einmal für einen Parteifreund eingesetzt?
Man wird als Politiker oft angesprochen, ob man helfen kann. Dass man solche Bitten weiterleitet, ist Teil des politischen Betriebes.
Wo ziehen Sie die rote Linie?
Mir ist immer wichtig, zu sagen, dass es Vorschriften gibt. Wir haben in Oberösterreich bei Personalaufnahmen ein Objektivierungsgesetz, da ist alles transparent geregelt.
Kanzler Karl Nehammer sagt: „Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem.“ Würden Sie das bestätigen?
Ja. Die ÖVP ist vom Anspruch her eine staatstragende, gestaltende Partei. Es liegt am Einzelnen, ob er dem gerecht wird. Leider gibt es immer wieder einzelne Personen, die den Rechtsstaat nicht ernst nehmen.
Die FPÖ hat nach vielen „Einzelfällen“ eine Historikerkommission eingesetzt. Braucht die ÖVP eine ähnliche interne Untersuchung zum Thema Korruption?
Ich möchte nicht tausenden Funktionären etwas unterstellen. Die Dinge, die öffentlich geworden sind, werden ohnehin untersucht.
Dazu wird ab März auch der U-Ausschuss beitragen. Nervös?
Das ist natürlich nicht angenehm. Der U-Ausschuss ist aber gut beraten, es nicht in eine persönliche Verfolgung ausarten zu lassen.
Wie geht es für die ÖVP nach dem Abgang von Sebastian Kurz weiter?
Die politische Linie der ÖVP ist klar, die hängt nicht an einer Person. Wir müssen jetzt nach vorne schauen: Wie können wir den Wirtschaftsstandort nach der Krise weiterentwickeln, wie gehen wir im Herzen Europas mit Zukunftsfragen wie Technologie und Klima um?
Nehammer ist auf die Kanzlerschaft fokussiert. Haben in der Partei jetzt die Landeshauptleute das Sagen?
Wir haben in unseren Ländern genug zu tun. Nehammer führt auf seine Weise – sehr ruhig, unter Einbindung vieler, entscheidet dann schnell und klar. Das macht er gut.
Kurz war Polit-Marketing-Profi. Was macht die Marke Nehammer aus?
Er ist der Bundeskanzler Österreichs, der auf alle Interessen schaut und den Ausgleich sucht. Das sieht man daran, dass im Parlament offenbar wieder Gespräche mit allen Fraktionen möglich sind.
Die MFG hat kürzlich bei der Gemeinderatswahl in Waidhofen abgeräumt, in Oberösterreich ist sie seit Herbst im Landtag. Hat man die Impfgegner-Partei unterschätzt?
Wir haben sie nicht unterschätzt. Man muss das zweigeteilt sehen: Dass eine solche Partei so viele Stimmen bekommt, liegt an einer gewissen Sorge und Verunsicherung. Das müssen wir ernst nehmen. Es gibt aber auch Dinge, die nicht gehen: Wenn da vom Rednerpult im Landhaus aus Verschwörungstheorien zum Besten gegeben werden, muss man klare Kante zeigen.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit der MFG bis jetzt?
Wir haben in Sachfragen schon zusammengearbeitet, beispielsweise haben sich alle Parteien auf die Anti-Atom-Linie geeinigt. Klar ist, dass die MFG thematisch einen sehr klaren Zuschnitt hat. Momentan hat ja jedes Thema einen Bezug zu Corona. Aber was, wenn das nicht mehr so ist?
Wie muss sich die ÖVP abgrenzen, um bei nächsten Wahlen nicht wieder Stimmen zu verlieren?
Das Thema Impfen ruft immer noch Sorge hervor. Trotz allem, was schon getan wurde, sehe ich es als unsere Aufgabe, da sehr geduldig und sachlich Antworten zu liefern.
Wie können Sie da noch geduldig sein?
Wenn sich jemand wirklich Sorgen macht, muss das beantwortet werden. Es gehört zum Geschäft, geduldig zu bleiben.
Ist die Impfpflicht in der beschlossenen Form noch haltbar?
Auf die Impfpflicht haben wir uns in einer Phase geeinigt, als Corona gedroht hat, uns zu überfordern. Und auch bei Omikron und bei dem, was auch noch kommt, bleibt es dabei: Die Impfung ist der wirksamste Schutz. Darum macht es auch weiterhin Sinn, die Impfung in die Breite zu bekommen. Ob auch wirklich alle drei Stufen umgesetzt werden müssen, das muss man bewerten, wenn die jetzige Welle abgeklungen sein wird.
Soll Phase zwei mit den Polizeikontrollen kommen?
Ich gehe davon aus. Ob auch Phase drei kommen muss, das werden wir sehen.
Aktuell sorgt das Thema Impfpflicht für Kritik aus den Ländern, weil es keine einheitliche Plattform für die Befreiungen gibt. Was wünschen Sie sich vom Gesundheitsminister?
Wir haben uns im Zuge dieser Pandemie schon über vieles gewundert. Aber das jetzt ist schon eine Chuzpe: In Zeiten, in denen es Elga und den eImpfpass gibt, soll jedes Bundesland seine eigene IT-Lösung für die Erfassung gestalten. Wir machen es jetzt, weil wir uns als Verantwortungsträger und als Dienstleister vor Ort sehen. Es ist aber eine sehr unrunde Geschichte.
Sie haben kürzlich auch die Gratis-Tests infrage gestellt. Was stört Sie daran?
Ich denke, es braucht generell eine neue Teststrategie. In einer Phase, in der wir so viele Ansteckungen haben, aber die Krankheit nicht so schwer ist – was bringen dann noch die vielen Tests, die wir mit Steuergeld bezahlen?
Auf welche Themen freuen Sie sich, wenn Corona nicht mehr die Nummer eins sein wird?
Unsere Themen liegen am Tisch: Trotz dieser gesundheitlichen Herausforderungen haben wir eine tolle wirtschaftliche Entwicklung, sehen aber, dass uns die Arbeitskräfte fehlen. Die Frage ist: Wie können wir diese Entwicklung halten und Leute bekommen, die die Arbeit leisten? Damit werden wir uns leichter beschäftigen können, wenn Corona als riesige Thema wegfällt.
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