Zeiler und Kern: Was spricht für, was gegen sie?

Zeiler und Kern: Was spricht für, was gegen sie?
Pro und Contra: Zwei Männer gelten als Favoriten für Faymanns Nachfolge.

Als Werner Faymann am Montag überraschend das Handtuch warf und alle Funktionen zurücklegte, war das Staunen groß. So schnell hatte dann doch niemand mit seinem Abgang gerechnet. Übrig blieb die Frage: Wer soll nun Kanzler und SPÖ-Chef werden? Zwei Männer kristallisierten sich schnell heraus: Christian Kern und Gerhard Zeiler. Am Freitag stellen sich die Kandidaten in einem "Hearing" den Vertretern der neun Landesparteien.

Der KURIER analysiert, was für und was gegen die beiden möglichen Anwärter spricht.

Gerhard Zeiler

Am 20. Juni 2015 erschien im Sonntags-KURIER ein Interview mit Gerhard Zeiler. Auf die Frage, ob er sich den Job des Bundeskanzlers zutrauen würde, sagt der international erfolgreiche Fernsehmanager: "Es ist nicht eine Frage des Zutrauens oder des Wollens. Es gibt einen SPÖ-Vorsitzenden."

Knapp ein Jahr nach dem Gespräch ist der SPÖ-Chef Geschichte und Gerhard Zeiler ante portas. Das konnte der gebürtige Ottakringer damals natürlich nicht wissen. Seine Ambitionen auf die Nachfolge von Faymann signalisierte er trotzdem: "Für den Fall, die Entscheidungsträger der SPÖ mich fragen sollten, ob ich Verantwortung übernehmen würde, dann wäre ich bereit, dann würde ich nicht Nein sagen."

Zeiler und Kern: Was spricht für, was gegen sie?
Interview mit dem Präsidenten von Turner Broadcasting International, Gerhard Zeiler in seiner Wiener Wohnung am 19.06.2015
Was für Zeiler spricht:
  • Der erfolgreiche Medienmanager weist zumindest rudimentär politische Erfahrungen auf. Bereits als Schüler war Zeiler bei der Sozialistischen Jugend Ottakring aktiv, seit seinem 18. Lebensjahr ist er Parteimitglied. Mit 24 wurde er Pressesprecher des späteren Bundeskanzlers Fred Sinowatz und blieb das bis 1986 auch bei dessen Nachfolger Franz Vranitzky.
  • Zeiler gilt als Macher. Beim ORF wehte unter ihm ein frischer Wind. Um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk konkurrenzfähiger zu machen, organisierte er Programm und Struktur des Senders neu. Für die Kommerzialisierung des Senders wurde Zeiler teils harsch kritisiert, dem ORF bescherte er in seiner Ära dennoch Top-Quoten.
  • International genießt Zeiler einen ausgezeichneten Ruf. Wegen seiner Erfolge und Leistungen als Fernsehmanager erhielt er zahlreiche Auszeichnungen - zuletzt 2012 mit dem Core Award als "Executive of the Year". Zeiler wird als Manager von Format beschrieben, der nicht zögert, sondern handelt.
  • Es wird kolportiert, dass Michael Häupl Zeiler als künftigen Bundeskanzler präferiert. Beide stammen aus Ottakring und Zeiler unterstützte den Stadtchef bei den Wiener Gemeinderats- und Landtagswahlen 2015.
  • Gerhard Zeiler hat Visionen. Im KURIER-Gespräch nannte er bereits die Prioritäten, die ein österreichischer Politiker setzen müsste: Lösung der Flüchtlingsproblematik, des Steuerwettbewerbs, der Kontrolle der Finanzwirtschaft. "Wir müssen Probleme angehen, wenn sie entstehen und nicht warten, bis sie sich von selbst vertschüssen."
  • Zeiler könnte auch jene Parteimitglieder überzeugen, die sich für eine Öffnung zur FPÖ aussprechen. Man müsse sich mit den Argumenten der Freiheitlichen auseinandersetzen, das sei notwendig aus Respekt vor deren Wählern, sagte er im Juni 2015.
  • Gerhard Zeiler wird schon lange nachgesagt, dass er gerne nach Österreich zurückkehren möchte. Derzeit pendelt er zwischen London und New York für seinen Arbeitgeber Turner Broadcasting.

Was gegen Gerhard Zeiler spricht:

  • Dem langjährigen Auslandsösterreicher fehlt die Unterstützung der Parteibasis. Zeiler müsste zunächst das Vertrauen der Parteimitglieder gewinnen und sich bei der jüngeren Generation überhaupt bekannt machen.
  • Vor allem in den Bundesländern ist die Bekanntheit von Zeiler eher gering. Viele SPÖ-Mitglieder kennen ihn nur aus den Medien, persönlich kennengelernt haben ihn nur die Wenigsten. Dazu gehört auch der Kärntner SP-Chef Peter Kaiser, der erklärte von Zeiler noch kein konkretes Bild zu haben.
  • Zeiler und die FPÖ. Für viele SPÖler ist die Vranitzky-Doktrin – keine Koalition mit den Freiheitlichen – noch immer das Nonplusultra der Sozialdemokratie, der geschäftstüchtige Manager kratzt jedoch an dieser Haltung. Ausgrenzen habe keinen Sinn, "in der Definition des Wortes, dass man sich nicht mit ihr [FPÖ, Anm.] auseinandersetzt", sagte Zeiler.
  • Der linke Flügel innerhalb der SPÖ hätte mit Zeiler wenig Freude. Die Sozialistische Jugend gab vor dem Rücktritt Faymanns in einer Aussendung kund, dass man einen "Manager" als Parteivorsitzenden explizit ablehne.
  • Als Pressesprecher von Sinowatz und Vranitzky (Interview) schnupperte Zeiler zwar Politikluft, ein politisches Amt mit all seiner Verantwortung hat er aber nie bekleidet. ÖVP-Chef und interimistischer Bundeskanzler Reinhold Mitterlehner hat sich skeptisch gezeigt, ob ein Quereinsteiger ohne Regierungserfahrung sofort das Amt des Bundeskanzlers ohne weiteres ausüben kann. "Ich glaube, dass es für einen Quereinsteiger nicht so einfach ist", dass man das "von heute auf morgen" machen könne.
  • Dass der ehemalige ORF-Generalintendant mit 60 Jahren auf die Idee kommt, auf einen Großteil seines Gehalts zu verzichten, um sich mit der heimischen Politik herumzuschlagen, ist nicht gerade naheliegend. Als CEO der RTL Group verdiente er kolportierte zwei Millionen Euro. Bei Turner Broadcasting dürfte es noch mehr sein - rund 300.000 jährlich bekommt der Kanzler hierzulande.
Zeiler und Kern: Was spricht für, was gegen sie?
APA14813430 - 25092013 - WIEN - ÖSTERREICH: Gerhard Zeiler (Time Warner) am Mittwoch, 25. September 2013, anl. der 20. Österreichischen Medientage in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER

Zur Person: Gerhard Zeiler, geboren am 20. Juli 1955 in Wien, in dritter Ehe (mit Alexandra) verheiratet und Vater eines Sohnes und einer Tochter. Ab 1979 Pressesekretär von Fred Sinowatz, zunächst im Unterrichtsministerium, später im Bundeskanzleramt. 1986 Generalsekretär im ORF, 1991 Wechsel zu Tele 5, im Anschluss Geschäftsführer bei RTL 2. Ab 1994 ORF-Generalintendant, ab 1998 Geschäftsführer von RTL Television, 2003 CEO der RTL Group. Ab 2012 Präsident von Turner Broadcasting.

Christian Kern

Die SPÖ erfuhr in der acht Jahre währenden Ära Faymann zwei Wahlsiege (Kärnten und EU), denen 18 Niederlagen entgegenstehen. Nach vielen dieser größeren und kleineren Verluste tauchte nicht nur reflexartig die Nachfolgedebatte auf - sondern auch der Name Christian Kern. Der ÖBB-Chef gilt seit seinem Antritt in der Bahn-Chefetage 2010 als erste Personalreserve der SPÖ. Kern selbst drängte sich bisher nicht vor, was den SPÖ-Vorsitz betrifft: Er blieb stets diplomatisch und betonte, wie gern er seine Arbeit bei den ÖBB ausführt. Er habe sich dazu entschlossen, Manager und nicht Politiker zu sein. Jetzt dürften die Weichen dennoch auf Kern stehen. Neu ist, dass er nicht dementiert, sondern schweigt.

Zeiler und Kern: Was spricht für, was gegen sie?
Christian Kern
Was für Kern spricht:
  • Der ÖBB-Chef ist der Wunschkandidat vieler. In der SPÖ legten sich schon vier Landesorganisationen offiziell auf Kern fest. Er gilt als hochintelligent und zurückhaltend, vor allem aber als konziliant. Ein Weggefährte, der Kern schon aus Studienzeiten kennt, beschreibt ihn im ORF-Report so: "Man hat den Eindruck, er redet mit einem nicht strategisch, sondern ehrlich". Andere, wie der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, halten ebenfalls "sehr viel" von ihm. Mit Kern an der Spitze der SPÖ und auch der Regierung könnte möglicherweise auch der Koalitionspartner ÖVP leben. Zwar schoss sich bereits VP-Klubchef Reinhold Lopatka auf Kern ein und meinte, er sei ein "sehr teurer Manager". Doch besteht auch die schwarze Forderung, die künftige Bundesregierung solle sich mehr Richtung Wirtschaft orientieren, wie ÖVP-Chef Mitterlehner meinte. Kern könnte diesen Appell erfüllen.
  • Die SPÖ steckt in der Krise - vor allem junge Wähler sind von Klüngeleien und Partei-Establishment abgeschreckt. Christian Kern ist zwar in der SPÖ groß geworden, doch als Funktionär wird er nicht wahrgenommen. Als Chef der Bahn steht er 41.000 Mitarbeitern vor; er sorgte für eine Modernisierung der ÖBB . Die SPÖ muss nach der langen Durststrecke und der lauten Kritik auch aus eigenen Reihen einen Neustart signalisieren. Mit einem typischen Parteisoldaten an der Spitze, der Kern eben nicht ist, könnte das schwer werden.
  • Kern kennt die SPÖ gut. Er ist in der Wolle rot gefärbt (trotz jugendlichen Sympathisierens mit der Grünen Bewegung: Laut Standard gründete er mit 18 die Simmeringer Bezirksgruppe der Alternativen Liste Wien). Kern wächst im Arbeiterbezirk auf, ist Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs aus Wien-Simmering; er studierte Publizistik und fand schon beim VSStÖ seine politische Heimat. Bereits mit 25 wurde er Assistent des damaligen Staatssekretärs Peter Kostelka, 1994 wechselte er mit seinem Chef ins Parlament und wurde Büroleiter und Pressesprecher des SP-Klubobmanns. Erst danach, 1997, ging er in die Wirtschaft, zum Verbund. 2010 holte ihn Infrastrukturministerin Bures an die Spitze der ÖBB. Kern findet sich also in der SPÖ zurecht, kennt die politischen Netzwerke und die Arbeit hinter den Parteikulissen, ist jedoch keinem Flügel verhaftet.
  • Kern hat als Bahnchef die Flüchtlingskrise, die sich zu einem guten Teil auf Österreichs Bahnhöfen abspielte, ohne viel Aufsehen unbürokratisch gemanagt. Damit hat er auch im linken Flügel der SPÖ Boden gutgemacht.

Was gegen Kern spricht:

  • Die SPÖ steckt in einer existenziellen Krise. Die Partei muss sich entweder auf ihre traditionellen Werte wie dem Arbeitnehmerschutz rückbesinnen, oder neue Werte definieren. Kern jedoch gilt als Pragmatiker. Ob er eine Partei sanieren kann, die um ihre ureigensten Inhalte ringt, ist fraglich. Bures war es etwa auch, die 2014 über Kern sagte: "Politik ist nicht seine Stärke" (freilich hatte Bures wohl damals schon im Sinn, Faymann den Rücken zu stärken).
  • Kern ist eben die ewige Personalreserve. Sein Name fiel schon fast zu oft, wenn es darum ging, über Nachfolger an der Spitze der SPÖ nachzudenken.
  • Im Jahr 2014 verdienten 18 Manager der ÖBB aufs Jahr hochgerechnet mehr als der bisherige Bundeskanzler Faymann: Der gesamte Vorstand erhielt 1,72 Millionen Euro; die Höhe des Gehalts für Kern war nicht bekannt, es dürften etwa 700.000 Euro gewesen sein, wie der KURIER damals berichtete. Kern müsste also erneut Gehaltseinbußen hinnehmen (er verzichtete schon beim Wechsel zur Bahn auf Teile seines Gehalts, beim Verbund hatte er mehr kassiert). Ob der Job, die SPÖ aus der Lethargie zu reißen, verlockend genug ist, weiß nur Kern selbst.
  • Die Konkurrenz. Mit Gerhard Zeiler steht ein Mann im Wettbewerb um den Spitzenposten, der den Job wirklich haben will. Zeiler hatte sich selbst via KURIER schon im Juni 2015 für Faymanns Nachfolge angeboten. Kern hingegen wehrte diese Spekulationen bis jetzt stets ab.
  • Trotz seines Werdegangs in der SPÖ weiß kaum jemand, zu welchen politischen Ansichten Kern in der Praxis tendiert. Welche Flüchtlingspolitik präferiert er? Soll sich die SPÖ für eine Koalition mit der FPÖ öffnen? Wie steht er zur Europäischen Union? Befürwortet er TTIP? Kern müsste zuallererst einmal der roten Basis und der gesamten Wählerschaft seine Standpunkte näherbringen.
Zeiler und Kern: Was spricht für, was gegen sie?
Zur Person: Christian Kern, geboren am 4. Jänner 1966 in Wien. Vier Kinder aus zwei Ehen. Studierter Kommunikationswissenschafter. Ab 1991 Assistent des damaligen Staatssekretärs Kostelka, ab 1994 dessen Büroleiter als Klubobmann. 1997 Wechsel in den Verbund, ab 2007 dort Vorstandsmitglied. Seit Juni 2010 Chef der ÖBB sowie seit 2014 Vorsitzender der Gemeinschaft europäischer Bahnen. Kern ist begeisterter Läufer und Mountainbiker. Seine fußballerische Leidenschaft gilt der Wiener Austria, in deren Kuratorium er auch sitzt.

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