Ein Jahr Parteichef Andreas Babler: Wo die SPÖ heute steht
Es ist noch kein SPÖ-Chef ist unter skurrileren Umständen in seinen Job gestartet als Andreas Babler. Am 5. Juni 2023, also genau vor einem Jahr, stellte sich heraus, dass doch er und nicht Hans Peter Doskozil die Kampfabstimmung um die Führung der SPÖ gewonnen hatte. Wegen eines Fehlers bei der Eingabe der Stimmen am Parteitag in Linz hatte Burgenlands Landeshauptmann eineinhalb Tage fälschlicherweise als SPÖ-Chef gegolten.
Doch auch nachdem die Häme über diese beispiellose Panne verflog, konnte die SPÖ nicht so recht Fuß fassen. Zumindest in den Umfragen ist bis dato kein großer Babler-Effekt spürbar. Mehr oder weniger konstant dümpelt die SPÖ zwischen 22 und 25 Prozent herum. Das reicht bestenfalls für Platz zwei, deutlich hinter der FPÖ.
Immerhin: „Zuletzt hat sich die SPÖ auf niedrigem Niveau konsolidiert und gewinnt an Boden“, lautet der Befund von Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM). Allerdings weniger aus eigener Stärke, als aufgrund der Schwäche der Gegner. Also der ÖVP und vor allem der Grünen, die zuletzt wegen der Affäre um ihre EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling ins Trudeln geraten waren.
Dass die SPÖ ihr Potenzial nicht besser nutzen kann, habe laut Bachmayer vor allem zwei Gründe: Erstens die offenen Querschüsse aus den eigenen Reihen, denen sich Babler aufgrund seiner eher linken Positionierung rasch ausgesetzt sah – seitens roter Landeschefs, dem mächtigen Gewerkschafter Josef Muchitsch und dem einstigen Parteigranden Hannes Androsch. „Solche Konflikte wirken natürlich wie eine angezogene Handbremse“, analysiert der Experte. Immerhin seien sie dank der immer noch relativ starken roten Parteidisziplin zuletzt geringer geworden.
Zweitens ortet Bachmayer ein strategisches Problem bei der SPÖ: An sich seien im moderat linkem Spektrum aktuell sehr viele Wähler abzuholen: Gleich mehrere Parteien - Grüne, KPÖ und Bierpartei - würden sich im äußeren linken Bereich bewegen, während die ÖVP stark in Richtung FPÖ rücke. „Im so freiwerdenden Bereich müsste die SPÖ eindringen. Stattdessen ist sie unter Babler ebenfalls nach links gerückt, wo sie sich bereits die anderen Parteien drängen.“
Rein von seiner inhaltlichen Ausrichtung hätte Bablers Gegenspieler Doskozil das moderat linke Feld besser besetzt, sagt Bachmayer. Ob er sein eigenes Potenzial auch ausschöpfen hätte können, sei angesichts der von ihm innerparteilich aufgerissenen Gräben und seiner gesundheitlichen Probleme aber fraglich.
Rendi-Wagner mit besseren Chancen?
Laut Bachmayer hätte sogar der vergleichsweise moderate Kurs von Babler-Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner angesichts der aktuellen Positionierung der anderen Parteien bessere Chancen.
Was bedeutet all das für die anstehenden Wahlen? Laut Experten ist für die SPÖ bei der EU-Wahl am Sonntag trotz aller Problem Platz zwei erreichbar. Das wäre kein berauschender Erfolg, der Sieg über die ÖVP könne aber wie ein Trampolin für die Nationalratswahl wirken.
Platz drei bei der EU-Wahl wäre laut Bachmayer für die SPÖ zwar ein Dämpfer, weit verheerender wäre allerdings in solches Ergebnis für die ÖVP, die ja 2019 noch auf Platz eins gekommen war.
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