Weil auch die politischen Gegner auf das Thema setzen. Die FPÖ startete vor zwei Wochen ihre Kampagne „Festung Bargeld“. Die SPÖ will wiederum die Banken dazu verpflichten, in jeder Gemeinde einen Bankomaten aufzustellen. Die EU-Mitgliedsstaaten verhandeln zudem nach wie vor über eine Obergrenze zwischen 7.000 bis 10.000 Euro auf Bargeldzahlungen. Eine Debatte, die in Österreich auf breiten Widerstand stößt.
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- Will die EU das Bargeld abschaffen?
Nein, auch wenn die Debatte um die EU-weite Obergrenze häufig dahingehend zugespitzt wird. Konkret soll die Obergrenze nur für Barzahlungen im geschäftlichen Bereich gelten. Wer einer anderen Privatperson etwas abkauft, könnte auch bei geltender Obergrenze weitestgehend uneingeschränkt mit Bargeld bezahlen. Nehammer sagt, dass widersprüchliche Berichte Unsicherheit schüren würden: „Immer mehr Menschen haben Sorge, dass das Bargeld als Zahlungsmittel in Österreich eingeschränkt werden könnte.“
- Ist Bargeld in Österreich beliebt?
Sehr. Eine halbe Million Österreicher haben im September 2022 das Volksbegehren „für uneingeschränkte Bargeldzahlung“ unterschrieben. Die ÖVP verweist zudem auf diverse Studien, um den Vorstoß zu untermauern. Die Österreicher heben demnach jährlich 47 Milliarden Euro an Bankomaten ab und tätigen 67 Prozent ihrer Zahlungen unter 20 Euro in bar. Für drei Viertel der Bevölkerung wäre „eine Welt ohne Bargeld eine große Einschränkung“. Erfreuliche Nachricht für Taschendiebe: Jeder Österreicher habe durchschnittlich 102 Euro in seiner Geldbörse.
- Gibt es hierzulande zu wenige Bankomaten?
Österreich hat im EU-Vergleich die dritthöchste Bankomatendichte. Laut OeNB-Studie (2022) haben zwei Drittel der Österreicher innerhalb eines Kilometers von ihrem Zuhause einen Bankomaten, 97 Prozent innerhalb von fünf Kilometern. Den weitesten Weg haben Bewohner der Salzburger Gemeinde Muhr: 12,7 Kilometer. Nur 317 Gemeinden verfügen über keinen Geldautomaten. Die Zahl der Bankomaten geht aber leicht zurück. Ende Juni 2023 gab es in Österreich 8.589 Bankomaten – rund 450 weniger als im Jahr davor. Laut OeNB liegt das etwa an der Schließung von Bankfilialen und sinkender Bargeldverwendung. Bei diesen Zahlen nicht berücksichtigt: Auch in vielen Supermärkten kann man Bargeld beheben.
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- Wie schätzen Experten Nehammers Vorstoß ein?
Die Verfassung sei grundsätzlich für alle Inhalte offen und enthalte sicher schon Anordnungen von geringerer politischer Tragweite, sagt der Linzer Verfassungsjurist Andreas Janko zum Vorstoß Nehammers. „Spannend ist freilich, welche Vorgaben – und damit Erschwerungen für den innerstaatlichen politischen Entscheidungsprozess – damit konkret verbunden sein sollen, weil eine Garantie des Fortbestands von Bargeld für sich allein sagt noch nicht wirklich viel aus.“ Die entscheidenden Details werde erst ein allfälliger Gesetzesentwurf zeigen, so der Jurist.
Recht erbost ob der „populistischen“ Ansage Nehammers, die wohl dem Wahlkampf geschuldet sei, zeigt sich der Innsbrucker Verfassungs- und Verwaltungsjurist Peter Bußjäger. Es sei richtig, gewisse Staatsziele in die Verfassung aufzunehmen. Aber „immer nur das reinzuschreiben, was gerade populär ist, obwohl es Dinge sind, die man nicht wirklich garantieren“ könne, lehne er ab, so Bußjäger. Er fordert wörtlich ein „Recht auf politische Vernunft in der Verfassung.“ Österreich sei als Euro-Mitglied stark von europäischen Regulierungen abhängig und müsse etwa Bargeld-Obergrenzen akzeptieren, wenn sie beschlossen werden.
- Kann man verpflichtende Bankomaten in die Verfassung schreiben?
Auch die Versorgung der Bevölkerung mit Bankomaten, etwa in dem man Gemeinden oder Banken zur Aufstellung der Geräte verpflichte, sei „eher keine Verfassungsfrage“, meint Bußjäger. Der Trend gehe klar Richtung Kartenzahlung. „Es fragt sich, wie sehr man sich gegen diese Entwicklung stemmen kann und will“, so Bußjäger.
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