Schilling und die Bohrn Menas: Protokoll einer Eskalation
Lena Schilling, Spitzenkandidatin der Grünen bei der EU-Wahl, sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Ein Teil davon könnte erst vor Gericht geklärt werden. Und hier kommt das Aktivisten-Ehepaar Sebastian und Veronika Bohrn Mena ins Spiel, Gründer der gemeinnützigen Stiftung Común.
Bis vor wenigen Monaten waren Schilling und die Bohrn Menas befreundet. Das änderte sich zu Jahresbeginn. Schilling soll mehreren Personen schwerwiegende Unwahrheiten über das Ehepaar erzählt haben. Etwa, dass es bei den Bohrn Menas häusliche Gewalt gegeben und Veronika deshalb ein Kind verloren habe. Zudem agiere die Stiftung wie "eine Mafia".
Am 8. Mai veröffentlicht der Standard eine Recherche über Schilling. Die falschen Gerüchte über die Bohrn Menas, die im Artikel noch nicht namentlich genannt werden, sind ein Hauptstrang. Der Name "Bohrn Mena" fällt daraufhin bei einer Pressekonferenz der Grünen und auf Social Media, weshalb sich das Paar öffentlich outet.
Seitdem sehen sich die Bohrn Menas dem Vorwurf ausgesetzt, bewusst gegen Schilling zu kampagnisieren – auch vonseiten der Grünen. Vorab: Die Chronologie der Vorwürfe deutet weniger auf eine organisierte Kampagne, als auf eine schrittweise Eskalation mit Verlierern auf allen Seiten hin.
"Ich habe Kontrollverlust gespürt"
"Meine Frau hat im Februar zum ersten Mal diese unfassbaren Gerüchte gehört. Im März habe ich Lena schriftlich damit konfrontiert und sie hat sofort eingestanden, es erzählt zu haben", sagt Sebastian Bohrn Mena zum KURIER. Er habe Schilling gebeten, die Vorwürfe nicht zu glauben und nicht weiter zu verbreiten. Als ihn immer mehr Personen mit den Gerüchten konfrontiert hätten, habe Bohrn Mena "Kontrollverlust" gespürt. Er habe nicht mehr gewusst, wie vielen Menschen Schilling was erzählt habe.
Am 3. und 4. April kontaktiert er Personen aus dem Umfeld der Grünen, darunter laut eigener Aussage auch Vizekanzler Werner Kogler via SMS. "Ich habe eine Reihe von Abgeordneten angeschrieben, die ich kenne, denen ich vertraue und von denen ich annehmen musste, dass sie die Unwahrheiten von Lena Schilling gehört haben." Dass Bohrn Mena dabei die Vorwürfe auch selbst verbreitet haben könnte, will er nicht ausschließen.
Zudem schickt er Schilling am 4. April den Entwurf einer Eidesstattlichen Erklärung. Nachricht: "Wenn du das jetzt nicht unterschreibst, bekommst du morgen Post von unserem Anwalt und in weiterer Folge sehen wir uns vor Gericht." Nach der Veröffentlichung des Standard-Artikels wird Bohrn Mena auf X schreiben, sich "vom Gegenüber in eine rechtliche Auseinandersetzung gedrängt" zu fühlen. Wie passt das zu seiner Nachricht an Schilling?
Wie es zur Klage kam
Schilling habe ihm zuerst zugesichert, die Erklärung zu unterschreiben, so Bohrn Mena. "Dann hat sie auf einmal auf ihre Anwältin Maria Windhager verwiesen und den Kontakt abgebrochen." Über ihre Rechtsvertreter einigen sich die Parteien auf eine Unterlassungserklärung, die später auch medial kursiert.
Diese besagt, dass Schilling die Gerüchte nicht weiterverbreiten darf. Was den Bohrn Menas in der Erklärung fehlt: Ein Schuldeingeständnis Schillings, die Vorwürfe verbreitet zu haben. Warum haben sie der Unterlassungserklärung dann zugestimmt? "Weil wir die Situation nicht weiter eskalieren lassen wollten. Im Nachhinein war das ein Fehler."
Dieser Fehler soll nun bereinigt werden. Die Bohrn Menas haben Schilling geklagt, vor Gericht landet der Fall voraussichtlich am 21. Juni. "Dadurch, dass die Causa öffentlich wurde, fordern wir einen öffentlichen Widerruf oder eine Ehrenerklärung von Lena Schilling. Sie soll eingestehen, dass sie die Vorwürfe erfunden und das nicht aus Sorge gemacht hat."
Mit welchem Motiv?
Mit welchem Motiv soll Schilling das getan haben? Die 23-Jährige habe ihm gegenüber zwei höchstpersönliche Rechtfertigungsstränge für die unwahren Behauptungen angegeben, sagt Bohrn Mena. Offenlegen will er diese nur bei einem möglichen Gerichtsprozesses.
Dass Schilling "aus Sorge" um seine Frau agiert habe, sei jedenfalls eine glatte Lüge. Er könne alles mit Chats belegen. Eigentlich, so Bohrn Mena, wolle man das Verfahren nicht. Er hofft nach wie vor auf einen außergerichtlichen Vergleich. "Vor Gericht werden Zeugen geladen und Beweise vorgelegt. Und dann geht es wirklich in den höchstpersönlichen Lebensbereich."
Laut Gedächtnisprotokollen, die den Grünen vorliegen, soll Bohrn Mena zuletzt Personen aus dem Umfeld der Grünen telefonisch kontaktiert haben. Inhalt: Man werde Schilling klagen, sollte diese nicht zu einem "vernünftigen Vergleichsangebot" mit einer finanziellen Komponente bereit sein.
Bohrn Mena verneint, dass es um Geld gehe: "Die Klage beinhaltet keine finanzielle Komponente. Es wäre schon unser Wunsch gewesen, dass wir unsere Anwaltskosten ersetzt bekommen, immerhin entstehen uns durch den Rufmord durch Lena Schilling tausende Euro an Kosten – und uns zahlt das nicht die Partei mit Steuergeld. Aber darauf verzichten wir gerne, wenn sie ihre Schuld endlich eingesteht und widerruft."
"Bin mitverantwortlich, dass es wie eine Kampagne wirkt"
Unklar bleibt, warum die Unterlassungserklärung überhaupt öffentlich wurde. Die Erzählung, er habe sie aktiv an Medien geschickt, weist Bohrn Mena strikt zurück. "Eine Reihe von Menschen wurde über die Unterlassungserklärung informiert, und zwar nicht von uns. Ich würde wirklich gerne wissen, wer das rausgespielt hat", meint er. Der Standard sei an seine Frau herangetreten, nicht umgekehrt.
Mit Blick auf sämtliche Hintergründe, vor allem jene, die aus medienrechtlichen und -ethischen Gründen nicht veröffentlichen werden können, spricht tatsächlich wenig für eine Kampagne.
Dennoch bleibt eine schiefe Optik. Denn seit Anfang April macht Bohrn Mena auf Social Media gegen Schilling Stimmung, deutet mehrfach, garniert mit gewisser Vorfreude, ihren Rücktritt an. Einer Person aus Schillings Umfeld schreibt er am 20. April: "Ich glaube sie hat echt gröbere Probleme... Aber nachdem sie vor Gericht unterschrieben und damit ihre Schuld eingestanden hat, ist es amtlich." Und: "#TeamLena fliegt jetzt sehr bald in die Luft..."
Bohrn Mena dazu: "Ich bin mit diesen vertrottelten Tweets und Nachrichten mitverantwortlich, dass es wie eine Kampagne wirkt." Er sei emotional überfordert und wütend gewesen, weil ihm eine Vertrauensperson Kindsmord vorgeworfen habe. "Wirklich übel" finde er die Gegenoffensive der Grünen: "Jetzt glauben manche, wir seien irgendwelche Masterminds. Dabei sind wir nur ein Ehepaar, das am Land lebt und eine Mini-Stiftung mit einem baufälligen Stiftungssitz hat."
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