Salzburg-Stichwahl: „Manche fürchten sich vor rot-roter Mehrheit“
Bernhard Auinger (SPÖ) und Kay-Michael Dankl (KPÖ plus) wollen vor der Bürgermeister-Stichwahl die Angst vor den neuen politischen Machtverhältnissen nehmen.
Am Palmsonntag findet in Salzburg die Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters statt. Im ersten Wahldurchgang ist Bernhard Auinger (SPÖ) knapp vor Kay-Michael Dankl (KPÖ plus) gelegen.
KURIER:Als Beobachter von außen hat man das Gefühl, dass Sie sich ganz gut verstehen. Gehen Sie privat auch auf ein Bier?
Bernhard Auinger: Wahrscheinlich in Zukunft öfter einmal, oder? (lacht). Momentan noch nicht.
Kay-Michael Dankl: Ich habe schon vor dem Wahlkampf weniger Alkohol getrunken als früher, aber das eine oder andere Bier geht sich sicher mal aus.
Tragen Sie Herrn Auinger und der SPÖ die Bezeichnung „Baby-Kommunismus“ noch nach?
Dankl: Es war ja keine Aussage von Herrn Auinger direkt, aber gefreut habe ich mich nicht sonderlich. Aber nachdem ich mein Baby ganz gern mag und ein Kommunist bin, ist es nicht das Schlimmste der Welt.
Auinger: Das kam aus der Landespartei. Ich würde das so nicht verwenden. Aber ich habe meine Kinder, so lange sie klein waren, aus der Öffentlichkeit herausgehalten.
Dankl: Wir legen auch Wert darauf, dass Name und Gesicht nie vorkommen. Meine Partnerin hat auch ein Leben, deshalb war ich mit dem Baby wählen. Ihre Termine sind nicht weniger wichtig.
Wo liegt der Unterschied zwischen SPÖ und KPÖ plus?
Auinger: Wer Geschichte gelernt hat, weiß das, weiter will ich gar nicht ausholen. Bei den Parteiprogrammen haben wir viele Überschneidungen, die KPÖ plus kann nicht alle Dinge neu erfinden. Die SPÖ hat nie Klientelpolitik nur für die Arbeitnehmer gemacht, sondern war immer für alle da.
Dankl: Historisch gibt es viele Berührungspunkte, nicht nur in Salzburg, wo ein großer Teil des antifaschistischen Widerstands aus beiden Parteien getragen wurde. Die SPÖ hat sich seit 1990 stark auf eine Versöhnung mit dem Kapitalismus hinbewegt. Wir werden über den Kapitalismus hinausdenken müssen, wie auch Papst Franziskus sagt: Der Kapitalismus hat ein Ablaufdatum.
Herr Auinger, Sie sagen, Dankl kann kein Bürgermeister für alle sein. Sie sind aber auch schon zwei Mal gescheitert.
Auinger: Ich habe in den sechs Jahren viel gelernt. An der Spitze dieses neuen Teams braucht es jemanden, der weiß, wie die Stadt funktioniert, der die Verwaltung gut kennt und in vielen Themen zu Hause ist, nicht nur im Leitthema Wohnen.
Können Sie Bürgermeister, Herr Dankl?
Dankl: Niemand kommt als Bürgermeister zur Welt. Was ich mitbringe, ist der Blick von unten. Ich werde weiter mit den Menschen reden und ihnen in ihren Notlagen helfen.
Den Blick von unten hat Herr Auinger nicht?
Dankl: Wir haben als KPÖ plus einen anderen Zugang.
Auinger: Ich komme von unten, ich habe acht Jahre als Facharbeiter gearbeitet und Nachtschichten gemacht.
Ich war fast zehn Jahre als Betriebsrat in der Arbeiternehmervertretung. Wovon andere reden, habe ich selbst erlebt.
Haben Sie mit einer rot-roten absoluten Mehrheit gerechnet?
Dankl: Wir wollten in die Stadtregierung. Dass wir uns verzehnfachen, haben wir nicht gedacht. Aber es gibt ein freies Spiel der Kräfte, und es wird Dinge geben, wo wir unterschiedlicher Meinung sind.
Auinger: Es gibt viele Leute, die sich davor jetzt ein wenig fürchten, speziell ältere Menschen. Ich würde es lieber mit breiten Mehrheiten bei großen komplexen Themen und Entscheidungen versuchen.
Leistbares Wohnen ist das Dauerthema in Salzburg. Herr Auinger, Sie haben im KURIER-Interview gemeint, dass Dankl keine richtigen Lösungen hat. Sagen Sie ihm das auch direkt ins Gesicht?
Auinger: (lacht) Ich habe das Parteiprogramm nochmals gelesen. Manchmal ist sogar die Satzstellung gleich wie bei uns. Das ist auch nicht überraschend, es ist ja keine Raketenwissenschaft. Es gibt Rezepte, die funktionieren. Etwa den Anteil an leistbaren Mietwohnungen erhöhen.
Dankl: Für gute Ideen in dem Bereich muss man nicht besonders links sein. Sogar der ÖVP-Kandidat Kreibich ist für eine höhere Leerstandsabgabe. Vor zehn Jahren hat man das noch als kommunistisch bezeichnet. Der Anteil der geförderten Mietwohnungen muss steigen.
Eigentlich muss Salzburg jetzt sehr schnell sozialer, gerechter, besser werden. Was kommt als Erstes?
Auinger: Bei den Grundstücken der Salzburg AG sollten wir relativ rasch sagen können, was die kosten. Und dann, zack, zugreifen, entwickeln, bauen. Das Potenzial liegt bei 1.500 Wohnungen, ein realistisches Ziel für diese Funktionsperiode. Wir haben 1.800 städtische Wohnungen, das wäre fast eine Verdoppelung.
Dankl: Wir werden am 8. Mai angelobt, es erwartet keiner, dass wir am 9. Mai das Eldorado der Leistbarkeit werden. Wenn man mit den ersten Projekten für gefördertes und leistbares Wohnen einen Schritt weiterkommt, den Leerstand erhebt und die Leerstandsabgabe auch wirklich ernst nimmt, wäre das in den Augen der Menschen schon die richtige Richtung.
Herr Dürnberger von der FPÖ hat Sie als Pest und Cholera bezeichnet.
Auinger: Diese Worte würde ich nicht wählen. Auch Sätze wie Aufräumen in der Stadt haben dazu geführt, dass die FPÖ nicht in der Stadtregierung ist. Aber grundsätzlich war dieser Wahlkampf sehr sachlich und ohne Untergriffe.
Dankl: Eine gewaltvolle Sprache kommt bei den allermeisten Menschen nicht gut an. Natürlich ist die Erleichterung groß, dass jemand, der sagt, er würde heute wieder mit Neofaschisten demonstrieren, nicht in der Stadtregierung ist.
Herr Dankl, warum bestehen Sie auf der Marke der KPÖ, also darauf, ein Kommunist zu sein?
Dankl: Wenn man bei der KPÖ ist, ist man Kommunist. Aber für die Menschen ist viel wichtiger, wofür man steht. Viele Menschen wissen, dass wir für eine demokratisch-kommunistische Weltanschauung stehen.
geboren am 29. Oktober 1988 in Graz, wo die KPÖ heute die Bürgermeisterin stellt. Er ist seit 2019 Mitglied des Salzburger Gemeinderats, seit 2023 Landtagsabgeordneter für die KPÖ plus.
Seit 2018 arbeitet er als Kulturvermittler im Salzburg-Museum
Ausbildung
VS Gnigl und BRG Salzburg-Akademiestraße, dann High School in Tucson, Arizona (USA) Studium der Geschichte an der Uni Salzburg, Auslandsdienst beim Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats in Straßburg, Politikwissenschaft an der Uni Salzburg
Sie haben keine Berührungsängste, Herr Auinger?
Auinger: Grundsätzlich hat der Kommunismus noch keinem Land auf Dauer gutgetan.
Dankl: Es gibt gute Beispiele wie Kerala in Indien.
Auinger: Ich habe da einen anderen Zugang. Aber ich halte auch von diesem Warnen vor der KPÖ gar nichts. Ich habe den Kay nicht als jemand kennengelernt, der morgen etwa die Religionsfreiheit einschränken wird. Aber auch vor Schwarz-Blau warnen, ist noch kein Parteiprogramm.
Jahrgang 1974, geboren und aufgewachsen in Salzburg, verheiratet und Vater zweier Töchter
Berufliche Karriere
Lehre zum Maschinen- und Werkzeugbauer bei Porsche, danach dort als Programmierer und Systemadministrator tätig
Politischer Weg
Seit 2005 in der Stadtpolitik, 2010 Betriebsratsvorsitzenden der Porsche Holding. 2013 Klubobmann der SPÖ. 2017 und 2019 Bürgermeisterkandidat, seit 2017 Vizebürgermeister
Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sagt über den Namen KPÖ, dieser sei toxisch.
Auinger: Meine Begeisterung für Wolfgang Schüssel hat sich damals schon in Grenzen gehalten, mehr will ich dazu gar nicht sagen.
Dankl: Ich habe Schmunzeln müssen. Ich bin als Historiker immer dafür, dass man sich mit der Geschichte beschäftigt.
Die KPÖ hat das gemacht. Ich würde mir wünschen, dass der Herr Schüssel seine Geschichte zum Beispiel mit der Privatisierung der Bundeswohnungen aufarbeitet.
Wie halten Sie es mit Russland?
Dankl: Den Angriffskrieg haben wir von Anfang an verurteilt, der ist klar völkerrechtswidrig. Im Naheverhältnis zu Putin könnte man sich die Wirtschaftskammer oder die Verbindungen der OMV oder Raiffeisen anschauen, die gute Geschäfte mit Russland gemacht haben.
Auinger: Volle Solidarität mit der Ukraine. Und die EU muss noch viel mehr tun. Wenn die Ukraine fällt, ist der nächste Schritt nicht weit an den Rand eines großen Krieges.
Auinger: Diese Frage erübrigt sich. Es ist alternativlos, was Israel gerade macht.
Dankl: Es braucht einen Waffenstillstand und eine Zwei-Staaten-Lösung, ohne Hamas.
Heuer finden die EU-Wahlen statt. Wie stehen Sie zur EU?
Dankl: Ein Austritt ist keine Lösung, aber es gibt in der KPÖ unterschiedliche Einschätzungen dazu.
Auinger: Ein EU-Austritt wäre für Österreich ein Super-GAU.
Herr Dankl muss sich immer für den Kommunismus rechtfertigen. Sie, Herr Auinger, waren Betriebsrat bei Porsche, einem Konzern, der selbst bzw. dessen Namensgeber von der Förderung von Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen profitiert hat und deren Tod in seinen Lagern in Kauf genommen hat.
Auinger: Der VW-Konzern hat seine braune Vergangenheit massiv und transparent aufgearbeitet. Jeder Lehrling bei VW muss ehrenamtliche Arbeit in Auschwitz leisten, eine Woche lang. Es gibt keinen Mitarbeiter, der nicht weiß, dass VW eine braune Vergangenheit hat.
Salzburg gilt als bürgerliche Stadt, nicht zuletzt wegen der Hochkultur um Mozart und die Festspiele mit Jedermann und Co. Wobei Mozart ja auf seine Art als Revolutionär gilt, der sich aus Salzburger Fesseln befreien musste. Kommt mit der rot-danklroten Wende ein Paradigmenwechsel, eine „Befreiung Salzburgs“ aus solchen Fesseln?
Auinger: Die Kultur in Salzburg hat immer dann gut gelebt, wenn die Festspiele, mit der freien Szene gut kooperiert haben. Ich erinnere an die Corona-Zeit. Helga Rabl-Stadler hätte eine Ausnahmegenehmigung für die Festspiele bekommen. Sie wollte aber, dass die gesamte Kultur geöffnet wird. Das zeigt, welche Kraft die Festspiele für die Kultur haben. Sie haben eine große, auch sozialpolitische Strahlkraft.
Dankl: Die Außenwahrnehmung Salzburgs passt nicht immer mit dem zusammen, was das tatsächliche Leben in der Stadt ist. Es heißt, Salzburg ist so bürgerlich mit den Festspielen, vielleicht noch Mozart, Sound of Music und die Touristen, dann ist das ganz stark die Marke, die nach außen gespielt wird, aber es ist auch ganz viel Projektion dabei. Wenn man sich auch die politischen Verhältnisse anschaut, dann war die Stadt nie so bürgerlich wie die Selbstdarstellung nach außen.
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