Raab über Islamlandkarte: "Bin zutiefst von diesem Projekt überzeugt"
In wenigen Wochen soll ein Bericht über Parallelgesellschaften in Österreich vorliegen, in ihrem ersten Interview nach der Babypause spricht Susanne Raab über die Herausforderung der Migration in der Pandemie.
KURIER: Die Impfquote gilt als der entscheidende Faktor in der Pandemie. Wie sehr sind Sie als Frauen- und als Integrationsministerin in diesem Bereich gefordert?
Susanne Raab: Es ist wichtig, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Die Ängste junger Frauen durch eine Corona-Impfung nicht schwanger werden zu können, können wir hoffentlich durch konsequente Aufklärungsarbeit aus der Welt schaffen.
Die Meinung, dass die Corona-Impfung eine Schwangerschaft verhindert, hält sich hartnäckig.
Wir werden als Bundesregierung, was unsere Impfkampagne betrifft, gegen die Verbreitung von solchen Fake News in Sozialen Medien vorgehen. Ich kann nur an alle Skeptiker appellieren, sich umfangreich zu informieren, das Gespräch mit dem Hausarzt zu suchen.
Wie ist es um die Impf-Bereitschaft und -Quote von Migranten in Österreich bestellt?
Wir haben keine zu 100 Prozent belastbaren Zahlen. Wir wissen aber von unseren Integrationsmaßnahmen, von Ärzten und Spitälern, dass Menschen mit Migrationshintergrund tendenziell zu wenig über das Virus und die Prävention wissen. Wir haben deshalb die Impf-Kampagnen in 17 Sprachen übersetzen lassen und Online-Kurse angeboten, in denen beispielsweise eine syrische Ärztin Rede und Antwort stand. Auch die neue Kampagne hat einen Schwerpunkt in diese Richtung.
Muss noch mehr getan werden?
Grundsätzlich erreichen wir im Gesundheitsbereich Migranten schlechter. Wir arbeiten daher beispielsweise auch daran, darüber zu informieren, dass in Österreich die erste Anlaufstelle der Hausarzt und nicht die Ambulanz ist.
Sollten die Integrationsbotschafter nicht besser zu Impfbotschaftern werden und wie Streetworker agieren?
Es gibt großartige Frauen aus dem Gesundheitsbereich mit Migrationshintergrund die genau das machen: In die Communities gehen und informieren.
Glauben Sie, dass sich die Impfquote noch erhöhen lässt?
Wir müssen die Menschen mit ihren Sorgen ernst nehmen, um eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Und unsere einzige Alternative ist es, die Unentschlossenen und Skeptiker über den Schutz durch die Impfung zu informieren, damit sie diese für sich auch in Betracht ziehen. Klar ist aber auch, dass jeder und jede einzelne eine Verantwortung hat.
Dänemark ist derzeit wegen der hohen Impfquote und der restriktiven Migrationspolitik in den Schlagzeilen. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin will eine „Arbeitslogik“ einführen. Beherrschen Migranten die Sprache nicht genug und finden keine Arbeit, sollen sie für die Sozialleistungen gemeinnützig arbeiten. Können Sie dem Vorstoß etwas abgewinnen?
Wir haben in Österreich bereits ein Modell, das dem Grundgedanken Rechnung trägt: Du musst in Österreich Integrationspflichten wie Deutsch- und Wertekurse sowie Arbeitsmaßnahmen erfüllen, andernfalls werden Sozialleistungen gekürzt. Das halte ich für den 100 Prozent richtigen Weg, den wir auch weitergehen werden.
Die ÖVP beharrt darauf, keine afghanischen Flüchtlinge, damit auch keine verfolgten Frauen aufzunehmen. Bringt Sie das als Frauen- und Integrationsministerin in einen Gewissenskonflikt?
Für mich lässt sich diese Haltung sehr wohl vereinbaren, weil ich es als meine Hauptaufgabe sehe, die bereits in Österreich lebenden afghanischen Frauen zu stärken, sie am Arbeitsmarkt und damit in unser aufgeklärtes, liberales Wertemodell zu integrieren. Nur jede zweite Afghanin ist am Arbeitsmarkt und das nach 5 bis 6 Jahren. Wir haben Studien, in der mehr als die Hälfte der Afghanen sagen, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit verschleiern sollen.
Woran scheitert die Integration von Afghanen im Speziellen?
Viele, der mehr als 44.000 Afghanen, die Österreich aufgenommen hat, haben gar keine Ausbildung, oder nur Grundschulniveau. Deshalb investieren wir auch viel Geld in Qualifikationsmaßnahmen. Besonders bei Frauen weisen wir in Wertekursen darauf hin, dass man sich eine eigene Existenz aufbauen kann. Für viele Afghaninnen ist es nicht selbstverständlich, dass man als Frau arbeiten gehen kann und darf.
Ist die Integration der Männer schwieriger?
Jeder muss verpflichtende Wertekurse absolvieren. Und doch wissen wir: Man legt den Werterucksack nicht an der Grenze ab. Deshalb ist es so wichtig, dass wir vor Ort helfen und nicht noch zusätzlich Menschen mit einem derart anderen Wertesystem nach Österreich holen. Ich akzeptiere nicht, wenn Männer Frauen nicht die Hand geben. Und ich akzeptiere nicht, wenn Kinder in geschlechtergetrennten Schwimmunterricht gehen müssen. Klar ist: Wir werden keinen Millimeter von unserem Wertefundament abrücken.
Und was, wenn sich Menschen nicht integrieren lassen – wollen?
Das werden wir nie akzeptieren. Ich glaube, dass von manch politischer Richtung vielfach eine Politik der freien Toleranz angewandt wurde. Nach dem Motto: Wenn man tolerant genug ist, dann reicht das für die Integration. Genau dadurch haben sich Menschen abgeschottet, wurden nicht mehr erreicht. Wir arbeiten derzeit an einem Parallelgesellschaftsbericht, der in einigen Wochen vorgestellt werden soll. Denn es gibt Parallelgesellschaften in Österreich, Communities die wir ausfindig machen und direkt ansprechen müssen.
Für die Islamlandkarte wurden Sie besonders kritisiert, auch weil Menschen genannt wurden, die in Vereinen oder Moscheen gar nicht mehr aktiv sind. Bereuen Sie die Karte?
Nein, ich bin zutiefst von diesem Projekt des Instituts für Islamische Theologie der Universität Wien überzeugt, weil ich für Transparenz bin. Man muss differenzieren zwischen Strömungen des Islamismus und dem Islam als Religion. Die Dokumentationsstelle Politischer Islam, die auch diese Woche einen neuen Bericht vorlegte, arbeitet ja zum Schutz der Musliminnen und Muslime in Österreich. Muslime sollen wissen, in welche Moschee sie gehen, welcher Verein welchen Strömungen nahesteht.
Eine Frage zum Schluss: Wie viel Wert legen Sie auf die gegenderte Sprache?
Ich versuche immer, beide Formen, die männliche und weibliche, zu nennen, um alle Menschen in Österreich anzusprechen.
Fühlen Sie sich von Gästin angesprochen?
Mir ist wichtig, dass Sprache verständlich ist, diese Formulierung ist für meinen persönlichen Sprachgebrauch fremd.
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