Plakolm in Tirana: Der albanische Traum von der EU
Wenn Claudia Plakolm auf Reisen geht, dann heißt das in den allermeisten Fällen, dass sie aus dem Mühlviertel nach Wien und wieder retour fährt. Mit weiteren Reisen hatte Österreichs Jugendstaatssekretärin in den vergangenen Monaten ihrer Amtszeit nicht allzu viel Glück. Beim geplanten Besuch des Nachhaltigkeitsforums in Abu Dhabi kam Corona dazwischen, beim angedachten Treffen mit Montenegros Jugendminister war es ein Misstrauensvotum, das die montenegrinische Regierung kurz vor dem Besuch zu Fall brachte.
"Ich bin ja nicht unbedingt eine Weitgereiste", sagt Plakolm über sich selbst. Jetzt aber sitzt die 27-jährige Oberösterreicherin in einem Sesselkreis inmitten von Jugendlichen in Tirana, der Hauptstadt Albaniens, und beantwortet Fragen. Zuvor ist sie um 6.00 Uhr in der Früh joggen gegangen. Das will sie sich auf Dienstreisen zur Gewohnheit machen – damit sie trotz des durchgetakteten Programms etwas von den Städten sieht.
Wählen ab 16 Jahre, Corona-Krise und Stadt-Land-Unterschiede
Die albanischen Jugendlichen wollen mit Plakolm über die Vorteile des Wählens ab 16 Jahren sprechen, über die Folgen der Corona-Krise, über die enormen Stadt-Land-Unterschiede in Albanien und darüber, was ein Land jungen Menschen bieten muss, damit sie nicht auswandern. Statt wie in Österreich die Klimakrise ist das zentrale Thema hier aber ein anderes: der angestrebte Beitritt Albaniens zur EU.
"Zu wenige Chancen"
Tirana ist zwar Europas Jugendhauptstadt 2022, doch Albanien ist kein EU-Mitglied. Dabei ist hier die Zustimmung zur EU im Europavergleich extrem hoch – höher als in vielen Staaten, die bereits EU-Mitglied sind. Vor allem die jungen Menschen wünschen sich einen Beitritt. Seit 2014 gilt Albanien offiziell als Beitrittskandidat.
"Wir sind Patrioten, wir wollen in Albanien bleiben, aber viele müssen ins Ausland gehen, weil wir hier zu wenige Chancen haben", hat ein junger Unternehmer am Abend zuvor bei einem Gespräch mit Plakolm und ihrem albanischen Counterpart, der 31-jährigen Jugendministerin Bora Muzhaq, gesagt. Es fehle an Unterstützung, Ausbildungsmöglichkeiten und Jobs.
Stark machen für Aufnahme der Westbalkanstaaten in die EU
Plakolm hat ihm geantwortet, was sie auch jetzt im Sesselkreis wiederholt: Sie will sich für die Aufnahme der Westbalkanstaaten in die EU stark machen – und dafür, dass Integrationsschritte schon jetzt gesetzt werden, obwohl noch nicht einmal Beitrittsverhandlungen laufen. "Wir müssen dringend Tempo machen. Was hilft es uns, wenn den Westbalkanstaaten bereits im Startraum der Beitrittsverhandlungen die Luft ausgeht?", sagt sie.
Integration in das europäische Studentenaustauschprogramme oder Interrail
Konkret denke sie etwa daran, Albanien in europäische Studentenaustauschprogramme oder Interrail zu integrieren. Entsprechende Gespräche beginnen gerade zu laufen. "Das müssen wir jungen Menschen des Westbalkans ermöglichen und natürlich jungen Österreichern umgekehrt genauso", erklärt sie den albanischen Jugendlichen in einem Englisch, in dem sich ihr sonst recht breiter Mühlviertler Akzent nur wenig bemerkbar macht.
Für die anwesenden Österreicher gibt es dann aber – eh klar – einen Schnitzel-Vergleich: "Die EU ohne die Staaten des Westbalkan ist für mich wie ein Schnitzel ohne Preiselbeeren."
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