IKG-Präsident über Hungersnot in Gaza: "Das wissen wir nicht"

PK ISRAELITISCHE KULTUSGEMEINDE WIEN (IKG) "JAHRESBERICHT 2024 DER ANTISEMITISMUS MELDESTELLE": DEUTSCH
IKG-Präsident Oskar Deutsch kritisierte in der ZIB 2, dass die Welt "zu viel Druck" auf Israel ausübe - und zu wenig auf die Hamas. Die Hungernot im Gazastreifen sieht er als nicht belegt.

Es sollte am Dienstagabend in erster Linie um den Anstieg antisemitischer Vorfälle in Österreich gehen – jedoch diskutierte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, in der ZIB 2 mit Moderator Armin Wolf hauptsächlich über das Vorgehen Israels im Gaza-Konflikt. Und verteidigte dieses.

Zumindest zu Beginn des Gesprächs ging es noch um Antisemitismus. Diesen hätte es schon immer gegeben, bereits seit dem Mittelalter, holt Deutsch aus. "Man sucht einen Schuldigen und der Schuldige ist in der Geschichte leider immer der Jude."

Dies sei im aktuellen Nahost-Konflikt ebenso der Fall, meint er. "Als die Hamas am 7. Oktober 2023 auf brutalste Weise nach Israel gekommen ist und nicht weniger als 1.200 Menschen getötet und 250 Geiseln genommen hat, wäre es möglich gewesen, dort sofort Frieden zu machen. Die Hamas hätte sich noch am 7. oder spätestens am 8. Oktober ergeben können, die Geiseln herausgeben können. Dann wäre alles, was in diesen letzten fast zwei Jahren passiert ist, nicht passiert."

Kritik an Israels Kriegsführung: "Sündenbock"

Von den "unterirdischen" antisemitischen Vorfällen der letzten Zeit abgesehen: Warum sei Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza eine "Dämonisierung Israels und antisemitisch?", will Moderator Wolf dann aber von seinem Gast wissen.

Kritik an Israel sei natürlich erlaubt, so wie an jeder anderen Regierung, antwortet Deutsch. Doch Israel werde in der Weltpolitik zum "Sündenbock" gemacht, es herrsche eine "Doppelmoral". "Israel wird mit anderen Maßstäben gemessen als andere Staaten. Und wenn das der Fall ist, kann man Israel nicht kritisieren." Auch betont Deutsch die fast täglich stattfindenden Demonstrationen in Tel Aviv, dass die Bevölkerung in Israel mit vielem nicht einverstanden sei. "Das ist gelebte Demokratie."

"Die israelitische Kultusgemeinde in Österreich kritisiert die israelische Kriegsführung nie. Sie kritisiert allerdings sehr häufig die Kritik daran. Warum ist das so?", hakt Wolf nach. "Weil wir überzeugt sind, dass das so richtig ist. Die Aufgabe der israelischen Regierung ist, für die Sicherheit der israelischen Bevölkerung zu sorgen."

Hungersnot in Gaza: "Das wissen wir alles nicht"

"Sichert es die Existenz Israels und der israelischen Bürger, wenn in Gaza 60.000 Menschen, davon mindestens zwei Drittel Zivilisten, getötet werden, hunderttausende Menschen dort Hunger leiden?" kontert der ZIB2-Anchorman. "Das wissen wir alles nicht," erwidert Deutsch. Stattdessen betont er: "Wenn die Europäische Union, die österreichische Regierung und die gesamte Welt keinen Druck auf Israel machen würde, sondern mehr Druck auf die Hamas, dann wäre die ganze Sache schon beendet. Auch die palästinensischen Bürger in Gaza sind Geiseln der Hamas."

Damit ist die Diskussion für Wolf nicht beendet: Solange die Hamas nicht kapituliere, sei für das israelische Militär also alles erlaubt? - "Das weiß ich nicht", meint Deutsch dazu. Auch kann er nicht näher ausführen, wie genau er sich diesen gewünschten Druck auf die Hamas vorstellt. "Ich bin kein Politiker. Wir sind in Österreich und es ist sehr schwierig, das von der Ferne aus zu beurteilen."

Dass die "rechtsextreme Regierung in Israel weit über ein legitimes Selbstverteidigungsrecht hinaus in Gaza permanent das Völkerrecht verletzt", wie Wolf es ausformuliert, glaubt Deutsch auch nicht. "Es ist keine rechtsextreme Regierung."

Deutsch zu Lügen als Quelle des Antisemitismus

"Israel unternimmt vieles"

Wolf geht nochmals auf die katastrophale humanitäre Situation in Gaza ein. "Wenn dort hunderttausende Menschen hungern, fliegen dann weniger Raketen auf Israel?" fragt er seinen Gast herausfordernd. "Es ist nicht richtig, dass die Leute in Gaza hungern sollen. Es ist sicherlich nicht notwendig, die Leute verhungern zu lassen. Israel unternimmt seit Wochen vieles, damit die Leute zum Essen kommen, damit sie Lebensmittel und Medikamente bekommen." Doch die Hamas würde vor Ort verhindern, dass die Hilfsgüter zu den Menschen gelangen, unterstreicht Deutsch. 

Wolf lenkt das Gespräch wieder auf das außenpolitische Parkett: Der französische Präsident Macron hat unlängst angekündigt, im Herbst die Anerkennung Palästinas vor der Hauptversammlung der Vereinten Nationen zu verkünden, der britische Premier Starmer denkt ebenfalls darüber nach. "Österreich und Deutschland wollen das nach wie vor nicht tun. Ich gehe davon aus, dass Sie das für richtig halten?"

Er hätte es auch für richtig gehalten, wenn Frankreich und Großbritannien davon abgesehen hätten, zeigt Deutsch seinen Unmut. "Stellen Sie sich vor, die machen das und der Hamas-Chef in Gaza wird dann eingeladen in den Elysee-Palast und trinkt dort mit dem Präsidenten Macron Champagner!"

Dieses Szenario bezeichnet Wolf als reine Polemik seines Studiogastes. Deutsch sieht das nicht so.

Die Diskussion geht dem Ende zu, ein großes Thema wird noch angesprochen: Das offizielle Ziel der österreichischen Regierung laut Koalitionsprogramm sei die Zwei-Staaten-Lösung mit Israel und einem Palästinenser-Staat, wirft Wolf ein. Die israelische Regierung ist entschieden dagegen. "Sind Sie für eine Zwei-Staaten-Lösung?" fragt der Moderator abschließend. 

"Der 7. Oktober hat das schwer bis unmöglich gemacht", so Deutsch. Er sehe "keine Partner bei den Palästinensern und schon gar nicht im Gaza-Streifen" für so eine Lösung.

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