Großbritannien stellt Anerkennung von Palästinenserstaat in Aussicht

Premierminister Keir Starmer sagte am Dienstag, sollte Israel nicht "substanzielle Schritte" zur Verbesserung der Situation im Gazastreifen unternehmen, werde seine Regierung im September einen Palästinenserstaat anerkennen. Starmer forderte nach einer Dringlichkeitssitzung seines Kabinetts von Israel die Zustimmung zu einer Waffenruhe.
Laut einer Erklärung der britischen Regierung soll sich Israel auch dazu verpflichten, das besetzte Westjordanland nicht zu annektieren. Israel soll sich zudem zu einem "langfristigen Friedensprozess" bekennen, der zu einer Zweistaatenlösung führt. "Ich habe immer gesagt, dass wir einen palästinensischen Staat als Beitrag zu einem Friedensprozess zu dem Zeitpunkt anerkennen werden, wenn dies den größten Einfluss auf die Zweistaatenlösung hat", so Starmer. "Da diese Lösung nun in Gefahr ist, ist es an der Zeit zu handeln."
Positive Reaktion aus Paris
Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot begrüßte Starmers Ankündigung. "Großbritannien schließt sich heute der von Frankreich geschaffenen Dynamik für die Anerkennung des Palästinenserstaats an", schrieb Barrot im Onlinedienst X. Ziel sei es, den "endlosen Kreislauf der Gewalt" zu durchbrechen und wieder eine "Perspektive für den Frieden" zu schaffen.
Es wird davon ausgegangen, dass Starmer seinen Nahost-Plan am Montag mit US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen in Schottland besprochen hatte. Trump sagte bei dem Treffen, es würde ihn nicht stören, wenn Starmer bei dem Thema "Position bezieht" - was als Billigung des Vorgehens der britischen Regierung gewertet werden könnte.
Großbritannien und Frankreich wären die ersten beiden G7-Staaten, die einen Palästinenserstaat anerkennen. Deutschland tut dies bisher nicht und plant nach Angaben der Bundesregierung "kurzfristig" auch keine Anerkennung eines Palästinenserstaats.
Israels Außenminister Gideon Saar hatte vor Starmers Ankündigung eine "verzerrte Kampagne" für eine Waffenruhe im Gazastreifen und eine Anerkennung eines Palästinenserstaates kritisiert. "Heute einen Palästinenserstaat zu errichten bedeutet, einen Hamas-Staat, einen Jihadisten-Staat zu errichten", sagte Saar. "Es wird nicht passieren." Würde Israel den Militäreinsatz stoppen, während die radikalislamische Hamas im Gazastreifen an der Macht sei und Geiseln festhalte, wäre dies "eine Tragödie für Israelis und Palästinenser", sagte der Minister weiter.
Israel kritisiert London wegen Idee zu Palästinenserstaat
Israel hat die von Großbritannien in Aussicht gestellte Anerkennung eines Palästinenserstaates kritisiert. "Israel weist die Erklärung des Premierministers des Vereinigten Königreichs zurück", erklärte Israels Außenministerium am Dienstag auf X. Dieser Schritt sei eine "Belohnung" für die islamistische Hamas und schade den Bemühungen um eine Waffenruhe. London hatte zuvor mit der Ankündigung einer möglichen Anerkennung eines Palästinenserstaats den Druck auf Israel erhöht.
Israels ultrarechter Finanzminister Bezalel Smotrich forderte unterdessen eine erneute israelische Besatzung des Gazastreifens. Der Küstenstreifen sei "ein integraler Bestandteil Israels", sagte Smotrich am Dienstag bei einem Kongress anlässlich des 20. Jahrestags des israelischen Rückzugs aus dem Gebiet. 2005 waren über 8.000 israelische Siedler und Soldaten aus dem palästinensischen Küstenstreifen evakuiert worden.
"Wer hätte sich vor 20 Jahren vorstellen können, dass der Gazastreifen so sein würde, wie er heute ist?", sagte Smotrich und deutete an, dass die Bedingungen für eine israelische Besiedlung nun gegeben seien. Smotrich hatte zuvor mit seinem Rücktritt als Finanzminister gedroht, falls Israel erneute humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen zulassen werde - was aber geschah. "Dass ich trotz allem noch in der Regierung bin, liegt wahrscheinlich daran, dass ich gute Gründe habe zu glauben, dass positive Dinge geschehen werden", sagte der Vorsitzende der Partei Religiöser Zionismus.
Hamas größtes Hindernis für Abkommen
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht in der islamistischen Hamas das größte Hindernis für das Zustandekommen eines Waffenruhe-Abkommens. Seit dem Abzug des israelischen Verhandlungsteams aus der katarischen Hauptstadt Doha habe er viele Beratungen zu diesem Thema geführt, sagte Netanyahu in einer Videobotschaft. "Aber es gibt ein großes Hindernis, und jeder weiß, was das ist: die Hamas."
Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas in Doha waren zuletzt ins Stocken geraten. Die USA fungieren gemeinsam mit Katar und Ägypten als Vermittler zwischen Israel und der Hamas, da die beiden Kriegsparteien nicht direkt miteinander sprechen. Auf dem Verhandlungstisch lag zuletzt ein Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe, in deren Zuge die Hamas zehn der noch lebenden Geiseln aus dem Gazastreifen freilassen würde.
Laut Netanjahu sei dies allen an den Verhandlungen beteiligten Parteien bekannt: "Präsident Trump hat es gesagt, Witkoff hat es gesagt, wir sagen es, jeder, der die Fakten kennt, einschließlich der Vermittler, jeder weiß es."
Hungersnot in Gaza
Außerdem leidet die Zivilbevölkerung im Gazastreifen unter einer Hungersnot. Deshalb warf Israel den dritten Tag in Folge Hilfsgüter aus der Luft ab. Die Lieferungen umfassten 52 Paletten mit Lebensmitteln, die in den vergangenen Stunden an Fallschirmen von jordanischen, emiratischen sowie erstmals auch ägyptischen Flugzeugen abgeworfen wurden, wie die israelische Armee mitteilte. Die drei Länder koordinieren demnach ihre Abwürfe mit Israel.
Die britische Regierung erklärte am Dienstag, mit dem Abwurf von Hilfsgütern über dem Palästinensergebiet begonnen zu haben. Auch andere Länder werfen Hilfsgüter ab, Deutschland plant dies ebenfalls. Frankreich kündigte an, ab Freitag 40 Tonnen Hilfsgüter abzuwerfen. Der Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft ist umstritten. Kritiker fordern stattdessen, die Einfuhr mit Lastwagen massiv auszuweiten.
So wird das auch in Wien gesehen, weshalb Österreich nicht an der Luftbrücke teilnimmt. Wie es aus dem Außenministerium gegenüber dem "Ö1-Mittagsjournal" hieß, könnten größere Mengen an Hilfslieferungen nur auf dem Landweg transportiert werden.
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