Warum Macron Palästina als Staat anerkennen will und was das für den Krieg bedeutet

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Frankreichs Präsident möchte mit seinem Vorstoß einen Beitrag für ein Ende des Nahost-Kriegs leisten, Druck auf die israelische Regierung ausüben – und sich einmal mehr als europäischer Taktgeber profilieren.

Emmanuel Macron hat einmal mehr seinen Anspruch unterstrichen, eine europäische Führungsrolle einzunehmen, indem er angekündigt hat, Palästina als Staat anzuerkennen. Dieser Vorstoß, erklärte der französische Präsident in den sozialen Medien, solle „nützlich“ für den Friedensprozess im Nahen Osten sein. Zwar steht er innenpolitisch unter Druck, sein Handlungsspielraum ist angesichts fehlender Mehrheiten im Parlament begrenzt.

Umso ehrgeiziger versucht er, Einfluss auf die internationale Agenda zu nehmen. Die Außenpolitik bleibt sein Hoheitsbereich.

Die Anerkennung Palästinas wolle er im September vor der Hauptversammlung der Vereinten Nationen „feierlich verkünden“, so Macron. „Heute ist es dringend notwendig, den Krieg im Gazastreifen zu beenden und die Zivilbevölkerung zu retten.“

Er forderte eine sofortige Waffenruhe, die Freilassung aller israelischen Geiseln und umfassende humanitäre Hilfe für die Not leidenden Menschen im Gazastreifen.

Andere Länder ziehen nicht mit

147 der 193 Mitglieder der Vereinten Nationen und elf von 27 EU-Ländern haben Palästina als Staat anerkannt. Ein französischer Diplomat wies aber darauf hin, dass Frankreich durch seinen permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat eine besondere Rolle zukomme. Sollte sich Macron erhofft haben, dass ihm andere Länder folgen, so wurde er enttäuscht.

Israels Premier Benjamin Netanjahu kritisierte, die Entscheidung belohne Terrorismus. „Seien wir klar: Die Palästinenser wollen nicht einen Staat an der Seite von Israel gründen, sie wollen einen Staat an der Stelle von Israel gründen“, so der israelische Regierungschef.

FILE PHOTO: Israeli Prime Minister Netanyahu attends a press conference, in Jerusalem

Israels Premier Benjamin Netanjahu kritisierte Macron scharf

Auch die USA verurteilten Macrons Plan. „Diese rücksichtslose Entscheidung dient nur der Hamas-Propaganda“, schrieb US-Außenminister Marco Rubio auf der Plattform X. Es handle sich um einen Schlag ins Gesicht der Opfer des Massakers der Terror-Organisation am 7. Oktober 2023.

Positiv äußerten sich hingegen Vertreter arabischer Staaten wie Saudi-Arabien und Katar. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas begrüßte diesen „Sieg für die Sache der Palästinenser“.

Keine Überraschung

In Paris stellt der Schritt, der vor allem symbolisch ist, keine Überraschung dar. Ursprünglich war er für Juni geplant, im Rahmen einer gemeinsam mit Saudi-Arabien organisierten UN-Konferenz. Diese wurde infolge der Angriffe Israels auf den Iran auf September verschoben.

Bereits im April hatte Macron während eines Flugs von Ägypten nach Paris gegenüber Journalisten gesagt, dass es in den kommenden Monaten „in Richtung Anerkennung“ des palästinensischen Staates gehen müsse. Beobachtern zufolge zeigte er sich damals zutiefst schockiert von einem Aufenthalt in Al-Arish auf der Sinai-Halbinsel, wo er unter anderem von israelischen Bomben verstümmelte Frauen und Kinder im Krankenhaus besuchte. „Ich habe ihn selten so betroffen gesehen“, berichtete die Nahost-Expertin Rym Momtaz. „Das war das erste Mal, dass er mit dem Trauma der Menschen in Gaza in Berührung kam.“

Das französische Außenministerium hat zuletzt den Ton gegenüber Israel verschärft und gewarnt, die im Gazastreifen drohende Hungersnot sei „das Ergebnis der Blockade“ durch die israelischen Behörden. Paris hat auch den Brief unterzeichnet, in dem rund 30 Staaten, darunter auch Österreich, eine sofortige Beendigung des Kriegs in Gaza forderten, die Konfliktparteien „zu einem unverzüglichen, bedingungslosen und dauerhaften Waffenstillstand“ aufriefen und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts anmahnten.

In Frankreich selbst fielen die Reaktionen gemischt aus. Der Vorsitzende der jüdischen Dachorganisation Crif, Yonathan Arfi, warf Macron einen „moralischen Fehler“ vor. Kritik kam auch vom Chef des rechtsextremen Rassemblement National, Jordan Bardella. Es handle sich um eine „voreilige Entscheidung“, die „mehr durch persönliche politische Überlegungen als durch eine ehrliche Suche nach Gerechtigkeit und Frieden motiviert“ sei.

Österreich wird vorerst nicht anerkennen

Auch nach dem Vorstoß von Macron, Palästina anerkennen zu wollen, bleibt Österreich bei seiner Position: „Eine Anerkennung würde aktuell zu keiner Änderung der Lage vor Ort führen“, hieß es auf Anfrage des KURIER aus dem Außenamt in Wien. Man unterstütze aber den „politischen Prozess“ zwischen Israel und den Palästinensern.

AUSSENMINISTERIN MEINL-REISINGER IN WASHINGTON:  MEINL-REISINGER

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger war jüngst in den USA 

Und weiter: „Langfristig führt kein Weg an einer Zwei-Staaten-Lösung auf Basis des Völkerrechts vorbei. Jetzt geht es um einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung aller Geisel, die Entwaffnung der Hamas und die Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen.“   

Fast wortident wird so auch in Deutschland argumentiert. Eine Anerkennung Palästinas wird in Berlin als einer der „abschließenden Schritte“ auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung erachtet. Diese müsse auf dem  Verhandlungsweg gefunden werden. 

 

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