Wie sieht der Prozess bis zur Fertigstellung aus?
Die nächsten Schritte bestehen darin, zu beurteilen, was für welche Einsätze notwendig ist. Beispielsweise, ob man über genügend Transportkapazitäten verfügt, welche Fähigkeiten für welchen Einsatz vorhanden sind – und was gegebenenfalls nachbeschafft werden muss. Ist bis 2025 auf operativer Ebene alles bereit, hängt ein möglicher Einsatz von der Zustimmung aller 27 EU-Regierungen ab – diese wollen im Rahmen des „Strategischen Kompasses“ herausfinden, wo es sicherheitspolitische Gemeinsamkeiten gibt. Beispiel: Im libyschen Bürgerkrieg unterstützten Frankreich und Italien unterschiedliche Gruppierungen. Lehren aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sollen noch nachgereicht werden – bis jetzt steht im Grundsatzdokument, dass „sich die EU auch mit nuklearen Bedrohungen auseinandersetzen muss“.
Handelt es sich de facto um eine EU-Armee?
„Keinesfalls“, sagt Europarechtler Walter Obwexer im KURIER. Deutschland, Frankreich, Österreich und andere Staaten werden der Eingreiftruppe nationale Truppen zur Verfügung stellen. „Aber sie sind kein europäisches Heer und keine europäische Verteidigung“, sagt Obwexer. Das wäre ein Militärbündnis und dann wäre Österreichs Neutralität nicht mehr gegeben.
Verstößt Österreichs Beteiligung gegen die militärische Neutralität?
„Österreich kann grundsätzlich trotz Neutralität Teil der Eingreiftruppe sein und auch an Kampfhandlungen teilnehmen“, erklärt Obwexer. Beispiel: Der UN-Sicherheitsrat – an sich für die Sicherung des Weltfriedens verantwortlich – beschließt, dass UN-Truppen einen humanitären Korridor aus einer umkämpften Stadt sichern sollen. Die EU-Eingreiftruppe beteiligt sich im Rahmen des UN-Beschlusses an diesem Einsatz. „Dann kann sich Österreich auch als neutraler Staat vollinhaltlich an allen Operationen beteiligen und Soldaten schicken, die bis an die Zähne bewaffnet sind“, sagt Obwexer. Zur Verteidigung des Korridors könnten österreichische Soldaten auch auf Angreifer schießen. Ein aktiver Angriff – etwa die Rückeroberung eines Gebiets – ist wiederum durch das EU-Mandat für die Eingreiftruppe wohl nicht gedeckt. Gibt es für den humanitären Korridor aus der umkämpften Stadt keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrats, würde die EU in diesem Falle dennoch mit ihrer Eingreiftruppe intervenieren, wäre das nicht mehr so unproblematisch, sagt Obwexer: „Dann kann Österreich zwar mitwirken, wenn es um die Evakuierung oder den Schutz von Menschen geht.“ An Kampfhandlungen dürfte und müsste sich Österreich als militärisch neutraler Staat aber nicht beteiligen.
Ist Österreich als EU-Mitglied überhaupt neutral?
Die Petersberger-Aufgaben der EU umfassen auch friedenssichernde und -unterstützende Kampfeinsätze außerhalb der Union. Auch hier: Bei einem UN-Sicherheitsratsbeschluss kann Österreich teilnehmen. Bei Angriffen auf einen EU-Staat greift wiederum die Beistandsklausel: Die anderen EU-Mitglieder sind verpflichtet, diesen Staat mit allen in ihrer Macht stehenden Mitteln zu unterstützen. Müsste sich das neutrale Österreich dann nicht nur humanitär, sondern auch militärisch einbringen? Obwexer hat starke Zweifel: „Österreich muss mitwirken, soweit es das neutralitätsrechtlich darf. Aber Österreich darf sich als neutraler Staat nicht militärisch an einem Krieg beteiligen.“
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