Am Montag wird es wieder ernst: Das neue Schuljahr startet in Ostösterreich. Noch nicht ganz klar ist, ob Österreichs Schulen dann auch genügend Lehrer haben.
Denn Anfang August waren noch rund 200 Stellen unbesetzt. Aktuellere Zahlen gibt es laut Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) eine Woche vor Schulstart noch nicht. Doch der Minister versicherte zuletzt: „Wir werden jede Unterrichtsstunde halten können.“
Über Plattformen wie klassejob.at versucht das Ministerium seit Wochen, auch Quereinsteiger ins Bildungssystem zu holen, mehr als 1.000 „Neue“ konnten demnach bereits rekrutiert werden.
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Unzufriedenheit nimmt zu
Nicht wirklich gelöst ist ein anderes Problem: Immer mehr Lehrende schmeißen entnervt und/oder entkräftet hin, kündigen und gehen aus dem Beruf ganz heraus. Wie bewerten Lehrer also die Gesamtsituation? Und zwar auch abseits des Personalmangels, verursacht durch die Pensionierungswelle?
Das Neos Lab, die Bildungsakademie der Partei, hat mit Peter Hajek Public Opinion Strategies rund 700 Lehrer in Österreich um ihre Meinung befragen lassen. Das Ergebnis: Österreichs Lehrpersonal ist deutlich unzufriedener geworden, was seine Arbeitsbedingungen betrifft.
Zu viel Papier
Waren 2015 noch 22 Prozent der Lehrer weniger bis gar nicht zufrieden mit ihren Arbeitsbedingen, sind es laut Umfrage mittlerweile 37 Prozent. „Am unzufriedensten sind Lehrer mittleren Alters, die im urbanen Bereich in Schulen mit mehr als 500 Schüler tätig sind“, schreiben die Studienautoren. Insgesamt seien nur noch sechs Prozent der Lehrer mit ihrem Job „sehr zufrieden“.
Dementsprechend meinen 93 Prozent, dass sich etwas ändern muss. Besonders hoch sei der Wunsch nach Veränderung in den Volksschulen und neuen Mittelschulen, meinen Lukas Sustala und Clemens Ableidinger vom Neos Lab. Aber was genau gehört verändert?
Für die Hälfte von Österreichs Lehrern das mit Abstand größte Ärgernis ist der tägliche Bürokratie- und Verwaltungsaufwand. Dazu zählen beispielsweise das Führen von Listen, das Arbeiten mit IT-Programmen und der Bereich Qualitätsmanagement. „Man hat das Gefühl, man produziert Papierrealitäten, die für die pädagogische Arbeit keine Relevanz haben“, sagt Ableidinger. Abseits des Unterrichtens, der Vorbereitung des Unterrichts sowie des Korrigierens von Aufgaben, Tests und Schularbeiten würden Pädagogen die meiste Zeit für Dokumentationspflichten aufwenden.
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Veränderung
Auf Platz zwei: Rund 18 Prozent hätten gerne mehr Support- und Unterstützungspersonal – insbesondere Schulpsychologen, Sozialarbeiter und IT-Experten. An den Volksschulen ist dieser Wunsch besonders ausgeprägt. Der Personalmangel, über den medial zuletzt am häufigsten diskutiert wurde, sehen wiederum nur zehn Prozent der Lehrkräfte. Sustala ortet deshalb einen „Mangeldiskurs“: „Die Bildungspolitik zielt gerade so auf ein Genügend ab, wenn man das Ziel hat, dass im Herbst zumindest keine Klassen ohne Lehrer oder Lehrerin dastehen.“ So könne man jedenfalls nicht die kommenden Generationen „bestmöglich“ auf die Zukunft vorbereiten.
Für Clemens Ableidinger vom Neos Lab ist ein wesentliches Ergebnis: „In der Bildungsdebatte hört man zu wenig auf die Betroffenen. Dabei liefert unsere Befragung ein klares Bild: Mit weniger Bürokratie und mehr Unterstützungspersonal wäre es für viele Lehrerinnen leichter, jedem Kind die Flügel zu heben.“
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Vier Empfehlungen
Auf Basis der Umfrage haben die Neos vier zentrale Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, die auch an Bildungsminister Polaschek adressiert sind:
- Bürokratie abbauen und Unterstützungspersonal ausbauen: Einerseits würden rund 7.000 Schulpsychologen fehlen, andererseits sei der schulische Verwaltungsapparat „aufgebläht und ineffizient“. Eine Reduktion des Verwaltungs- und Dokumentationsbedarfs sei also unumgänglich.
- Schulautonomie ausbauen, da zwei Drittel der Befragten zu viele Verordnungen, Erlässe und Regelungen und zu wenig Zeit für die eigentlichen pädagogischen Aufgaben sehen.
- Schluss mit der Stundenplanwirtschaft – also eine schulautonome Gestaltung der Lehrpläne. Und zuletzt
- Karrierepfade für Pädagogen ermöglichen, damit dieser wichtige Beruf wieder attraktiver wird.
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