Kanzler-Fernduell ums „Absandeln“

APA14125170 - 13082013 - WIEN - ÖSTERREICH: VK MIchael Spindelegger (l.) und BK Werner Faymann während des Pressefoyers nach Ende einer Sitzung des Ministerrates am Dienstag, 13. August 2013, in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Polit-Fernduell nach „Abgesandelt“-Sager: Faymann tritt mit ÖGB-Präsident Foglar an, Spindelegger kontert mit Industriepräsident Kapsch.

Die SPÖ gibt sich weiter entsetzt über die Standort-„Beschimpfungen“ durch die ÖVP. Kanzler Werner Faymann, sekundiert von ÖGB-Präsident Erich Foglar, gab sich am Freitag eisern in der Frage der Arbeitszeit-Ausweitung und solidarisierte sich angesichts der guten Wirtschaftsdaten demonstrativ mit der Arbeit von ÖVP-Wirtschaftsminister Reinold Mitterlehner. In einer Art Fernduell trat VP-Chef Michael Spindelegger zusammen mit Industriepräsident Georg Kapsch auf und stellte sich inhaltlich voll hinter Kammerpräsident Christoph Leitl, für den der Standort „abgesandelt“ ist. Spindelegger ist heilfroh, dass die ÖVP die Ressorts Wirtschaft und Finanzen besetze, „sonst hätten wir ja nur hohe Steuern und Schulden.“

Auch ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger gibt sich besorgt über den Wirtschaftsstandort, wählt aber freundlichere Worte als Kammerpräsident Christoph Leitl („Österreich ist abgesandelt“) oder Finanzministerin Maria Fekter („Image ist ramponiert“). Inhaltlich steht Spindelegger voll hinter seinen Parteifreunden.

Österreich-Beschimpfungen, wie sie die SPÖ unterstellt, kommen dem schwarzen Vizekanzler nicht über die Lippen. „Über Österreich schimpfe ich nie. Wenn sich die SPÖ mit Österreich gleichsetzt, zeigt das nur ihre enorme Abgehobenheit.“

Spirale nach oben

Österreich sei „nicht total schlecht“ oder „völlig unattraktiv“, aber man müsse jetzt dringend etwas tun. Andere Ländern wären davon geprescht. Die Steuerpläne der SPÖ seien „Gift“ für den Standort, er wolle die Wirtschaft entfesseln, wiederholte der Parteichef seinen Wahlwerbespruch.

Eine „Vogelstraußpolitik“ wäre angesichts der vielen für Österreich schlecht ausgefallenen Standortvergleiche völlig verfehlt. „Wir wollen eine Spirale nach oben und nicht eine Spirale nach unten.“

Am Reformstillstand sei freilich nur die SPÖ schuld. Zum Faktum, dass die Volkspartei das Finanz- und Wirtschaftsministerium besetzt, sagt Spindelegger: „Gott sei Dank. Sonst hätten wir ja nur hohe Steuern und Schulden.“

Schützenhilfe bekam Spindelegger am Freitag von Industriepräsident Georg Kapsch, der zwei Tage zuvor mit SPÖ-Kanzler Werner Faymann Bildungsfragen diskutierte und erstaunlich viele Überschneidungen fand. Bei Wirtschaftsthemen sind sich aber wiederum Spindelegger und Kapsch weitestgehend einig.Auffällig: Nach der Aufregung über das Frauenpensionsalter oder dem Knatsch um den 12-Stunden-Tag setzt Spindelegger jetzt auf das Thema Mitarbeiterbeteiligung. Solche Erfolgsprämien gibt es auch im Unternehmen Kapsch. Die Idee dahinter: Da die Löhne in den nächsten Jahren kaum steigen würden, sollten die Arbeitnehmer am Erfolg ihrer Unternehmen beteiligt werden und für die Prämien nur 25 Prozent Steuern und keine Sozialversicherung zahlen. Spindeleggers Vorstellung ist, dass zehn Prozent aller Betriebe solche Modelle freiwillig anbieten. Derzeit seien es erst zwei Prozent.

Nur Höchstarbeitszeit

Zur Arbeitszeitdebatte hielten Vizekanzler und Präsident fest, dass es nie um die Ausweitung der Normalarbeitszeit auf 12 Stunden gegangen wäre, sondern um die flexible Ausnutzung des gültigen gesetzlichen Rahmens. Dieser bestehe seit 2008 aus einer Höchstarbeitszeit von 12 Stunden am Tag. Aber durch die Blockadehaltung von SPÖ und Gewerkschaft sei die gesetzliche Möglichkeit in den Kollektivverträgen nicht umgesetzt worden.

Dass die ÖVP die Debatte über einen 12-Stunden-Arbeitstag auslöste, kommt der SPÖ gerade zupass – es schweißt die siamesischen Zwillinge, Partei und Gewerkschaft, im Nationalratswahlkampf so richtig zusammen. Die Arbeitszeiten sind das historisch ureigene Terrain von Arbeiterbewegung und Gewerkschaft. Nicht zufällig eröffnete ÖGB-Chef Erich Foglar gestern Abend das gemeinsame Hintergrundgespräch mit Werner Faymann mit einem Rückblick in die Geschichte: „Überlange Arbeitszeiten und Willkür der Arbeitgeber gehörten zu den größten Missständen des 19. Jahrhunderts. Deswegen wurde die Gewerkschaftsbewegung überhaupt gegründet.“ Geregelte Arbeitszeiten und Selbstbestimmung der Arbeitnehmer seien unerlässlich für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer.

Der ÖGB-Präsident wandte sich strikt gegen die Ausweitung der Normalarbeitszeit auf 12 Stunden am Tag. Damit würden Arbeitnehmer Überstundenzuschläge verlieren, was zu empfindlichen Gehaltseinbußen führe. Foglar betonte, dass zwölf Stunden Höchstarbeit bereits jetzt möglich sind, aber: „Arbeit gibt’s nicht zum Nulltarif.“

VP-Minister verteidigt

Die Gewerkschaften würden sich mitnichten gegen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit sträuben, im Gegenteil, Österreichs Arbeitnehmer zählten zu den flexibelsten in Europa. Allerdings müssten die Gesetze und Kollektivverträge eingehalten werden, und die Arbeitnehmer sollten das Recht haben, die angesparte Arbeitszeit dann auch in Form von Freizeit zu konsumieren. Foglar: „Die betriebliche Praxis zeigt jedoch, dass die angesparte Zeit oft nicht genommen werden kann, weil die Betriebe die Flexibilisierung dazu benutzen, Jobs wegzurationalisieren. Wenn dann jemand seine Ersatzruhezeiten konsumieren will, geht es oft nicht, weil zu wenige Arbeitnehmer vorhanden sind.“ Foglar fordert, dass die Arbeitnehmer zumindest über die Hälfte der angesparten Zeit selbstbestimmt verfügen dürfen.

Im übrigen solle das Thema flexible Arbeitszeiten dort abgehandelt werden, wo es hin gehöre, nämlich in die Sozialpartnerschaft, und nicht in die Politik.

SPÖ-Chef Faymann versicherte, dass „die SPÖ im Parlament für eine gesetzliche Ausweitung der Normalarbeitszeit unter Aushebelung der Gewerkschaft nicht zur Verfügung steht“.

Faymann solidarisierte sich aber auch mit dem ÖVP-Wirtschaftsminister wegen der Behauptung der ÖVP, Österreich sei standortpolitisch „abgesandelt“. Faymann: „Ich werde die Leistungen des ÖVP-Wirtschaftsministers für die guten Wirtschaftsdaten des Landes im Wahlkampf mitvertreten. Das gehört auch zu meinen Aufgaben als Kanzler.“

Die Empörung in der SPÖ ist groß. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hat Österreich als „abgesandelt“ hingestellt. Für ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter ist das Image als Investitionsstandort zumindest „ramponiert“. Flugs schwingen sich die Sozialdemokraten zu den Beschützern Österreichs im Allgemeinen und des Standortes im Besonderen auf. Es ist schließlich Wahlkampf.

Am schärfsten schoss am Donnerstag SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos zurück. „Österreich hat es nicht verdient, von der ÖVP beschmutzt und schlechtgeredet zu werden“, richtete er bei einer Pressekonferenz aus. Und: Spindelegger „opfert für seinen Kanzlertraum und möglicherweise für Schwarz-Blau das Ansehen Österreichs.“

Doch der indirekt angesprochene Leitl legte im KURIER-Gespräch sogar noch nach, Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. „Bis 2007 waren wir mit der Schweiz und Schweden an der Spitze. Heute sind wir abgesandelt. Das zeigen mit einer Ausnahme alle Rankings. Eigentlich hätte ich abgestürzt sagen wollen, aber das war mir dann zu drastisch“, sagte der Kammerpräsident.

Klar sei jedenfalls, so Leitl: „Wenn wir jetzt so weiter machen, wird die Wende zur Spitze nicht gelingen. In einer engagierten Diskussion zur Zukunft unsers Landes wird man auch einmal die Wahrheit sagen dürfen. Nach drei Sparpaketen ist so ein Weckruf dringend nötig.“

Fekter verteidigte Leitl gegen die Angriffe der Roten und versuchte nach ihrem Alpbach-Auftritt mit dem Kammer-Chef dem Gegner im Wahlkampf den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Nächster Schlager?

In der Volkspartei scheint die Sorge groß zu sein, der SPÖ nach den Themen „Frauenpensionsantrittsalter“ und „12-Stunden-Arbeitstag“ den nächsten Wahlkampfschlager auf dem Silbertablett präsentiert zu haben.

Auch Fekter wiederholte ihre Standort-Kritik beziehungsweise die Warnung vor den Faymann-Steuern. Es sei in Alpbach darum gegangen, aufzuzeigen, dass Österreich seit dem Jahr 2007 in Standort-Rankings vom oberen Drittel in das Mittelfeld abgerutscht ist, sagte Fekter.

Nachsatz: Seit 2007, dem Jahr als die Sozialdemokratie wieder den Bundeskanzler stellte, habe die aktive Standortpolitik keine Priorität mehr gehabt. Bis zum Jahr 2007 seien die Investoren in Österreich jedenfalls „gut aufgehoben“ gewesen.

SP-Sozialminister Rudolf Hundstorfer stimmte daraufhin in der Chor der Fekter/Leitl-Kritiker ein. Er sieht angesichts der heimischen Arbeitsmarktdaten keinen Grund den „attraktiven“ Wirtschaftsstandort schlecht zu reden. „Die Österreicher sind fleißig und produktiv – nicht abgesandelt und ramponiert.“ Außerdem sei die ÖVP ja seit 1987 ununterbrochen Teil der Regierung.

Vor allem aber die Nennung des Jahres 2007 durch die ÖVP lieferte der SPÖ-Zentrale frische Wahlkampfmunition. So warnte SP-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder sofort vor einer Neuauflage von Schwarz-Blau und erinnerte an Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit, Privatisierungen oder Korruptionsfällen in den „sechs Jahren Schüssel-Haider-Grasser“.

Die Kanzler-Farbe

Für Schieder ist es eine „Chuzpe“, dass es für Fekter ab 2007 bergab gegangen sei, obwohl SPÖ und ÖVP in einer Koalition praktisch alle Beschlüsse gemeinsam gefällt hätten und die ÖVP immer den Wirtschafts- und Finanzminister gestellt hat.

Für die ÖVP wiederum hat seither vor allem ein roter Kanzler die Regierung angeführt. „Österreich braucht aber einen schwarzen Kanzler“, ist Fekter überzeugt.

Kommentare