Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich
Noch 300 Jahre bis zur Gleichstellung, errechnete die UN - und überall Rückschritte. Umso wichtiger ist es, Frauen vor den Vorhang zu holen.

Bis ungefähr zur Jahrtausendwende waren Frauen in den Top-Positionen in Politik, Wirtschaft, Kultur oder Wissenschaft global betrachtet kaum vorhanden. Margaret Thatcher, britische Premierministerin von 1979 bis 1990, oder Liliane Bettencourt (1922–2017), als Hauptanteilseignerin des Kosmetikriesen L’Oréal viele Jahre die reichste Frau der Welt, waren die Ausnahme. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in den westlichen Industrienationen ein wenig geändert.

Freilich: Laut der UNO-Frauenrechtskommission ist die Menschheit noch 300 Jahre von der Gleichstellung entfernt. Und überall seien Rückschritte zu beobachten. Umso wichtiger ist es daher, erfolgreiche Frauen vor den Vorhang zu holen. Für Österreich hat die KURIER-Redaktion neun Frauen ausgewählt, die es, wie man so sagt, geschafft haben. Sie stehen repräsentativ für viele andere Frauen, die in ihren Branchen und darüber hinaus starken Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Möge ihr Beispiel noch stärker Schule machen.

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Doris Bures (60), 2. Nationalratspräsidentin (SPÖ)

Pamela Rendi-Wagner ist zwar die Parteivorsitzende, die mächtigste Frau in der SPÖ ist allerdings Doris Bures. Es soll keine wichtigen Entscheidungen in der Bundespartei, aber auch nicht in der Wiener SPÖ geben, die ohne ihr Wissen oder ihr Zutun erfolgen, heißt es aus der SPÖ. Ihr politischer Werdegang unterstreicht das. Sie begann in der Sozialistischen Jugend (SJ). Danach folgten als Stationen das Liesinger Bezirksparlament, der Einzug in den Nationalrat und die Bundesgeschäftsführung.

In dieser Funktion leitete sie gleich zweimal die Partei. Von 2000 bis 2007 und noch einmal im Jahr 2008 unter dem damaligen Parteivorsitzenden Werner Faymann. Als Ministerin war sie zu Beginn für Frauen und den öffentlichen Dienst zuständig gewesen. Unter Werner Faymann übernahm sie den großen Bereich der Infrastruktur. Nach dem  Tod von Barbara Prammer (2014) wurde sie zur Nationalratspräsidentin gewählt, derzeit ist sie Zweite Nationalratspräsidentin. Und sie gilt  bereits jetzt als mögliche SPÖ-Option für die nächsten Bundespräsidentenwahlen.

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Madeleine Alizadeh (33), Unternehmerin und Influencerin

Angefangen hat Madeleine Alizadeh ihre Netz-Karriere 2010 als Modebloggerin. Sie gehörte zu den erfolgreichsten Akteurinnen im Geschäft, bevor Alizadeh ihren Blog "dariadaria" nach sieben Jahren einstampfte – weil sich der Fashion-Fan immer mehr zur Umweltaktivistin mit starken Meinungen entwickelte und die schnelllebige Modeindustrie nicht mehr unterstützen wollte. Den Ausschlag gab die Doku "Gift auf unserer Haut" über Chemikalien in Ledergerbereien.

Mit dem 2019 veröffentlichten  Buch „Starkes weiches Herz“ über Feminismus, Gleichberechtigung und Klimawandel avancierte sie zur  Bestellerautorin  im deutschsprachigen Raum. Heute ist die Wienerin Eigentümerin einer Fair Fashion Marke (dariadéh) und zählt mit mehr als 300.000 Followern auf Instagram zu den einflussreichsten Personen des Landes. Dort macht sie Erkrankungen wie Depressionen oder ADHS zum Thema, sagt ihre Meinung zur CO2-Steuer, zeigt Green-Washing-Aktionen auf, sucht aber auch passioniert nach den besten veganen Süßigkeiten und unterhält mit ihrem Alter Ego Edith.

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Leonore Gewessler (45), Klimaschutzministerin (Grüne)

Als  Umweltaktivistin lernte die gebürtige Steirerin Leonore Gewessler, wie man sich bei schwierigen Themen durchsetzt. Und das mit einem ständig freundlichen Gesicht.  Von 2014 bis 2019 hat sie für die Umweltschutzorganisation Global 2000 als politische Geschäftsführerin gearbeitet. Danach stieg sie bei den Grünen ein und landete im Herbst 2019  im Vorfeld ihrer ersten Nationalratswahl auf der grünen Bundesliste gleich einmal auf dem zweiten Platz hinter Werner Kogler.

Der holte sie dann in die türkis-grüne Bundesregierung, wo sie mit Klimaschutz, Infrastruktur, Verkehr und Energie eines der größten Ressorts übernahm.  Dort  drückte sie allen Bereichen ihren Stempel auf und zog konsequent – gegen alle Widerstände – ihr Programm durch. Als ihr größter Erfolg gilt die Einführung des Klimatickets für den öffentlichen Verkehr. Sehr umstritten ist hingegen der verordnete Baustopp für fast alle größeren Straßenbauprojekte, darunter der Lobautunnel und mehrere Schnellstraßen. Sie wird bereits als Nachfolgerin für Werner Kogler an der Spitze der Grünen gehandelt.

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Sabine Herlitschka (57), CEO Infineon Österreich

Der deutsche Halbleiterkonzern Infineon setzt bei seiner Österreich-Tochter schon seit 15 Jahren auf weibliche Führungsqualitäten.  2014  löste Sabine Herlitschka ihre populäre Vorgängerin Monika Kircher als Vorstandsvorsitzende ab. Seither steuert sie den Technologiekonzern nicht nur sicher durch turbulente Zeiten, sondern baute  den Standort Villach kräftig aus und investiert in Zukunftsthemen wie die Erforschung neuer Halbleiter-Materialien. Das schafft Jobs.

Im Vorjahr wurden 640 neue Beschäftigte eingestellt. Während andere nur davon sprechen,  setzt Herlitschka  im Unternehmen stark auf Diversität,  Förderung von Frauen in MINT-Berufen und Vereinbarkeit. In Villach arbeiten Menschen aus  79 Nationen, es gibt eine  eigene  Kindertagesstätte, wo   spielerisch der  Zugang für Naturwissenschaften und Technik gefördert wird. Für weibliche Technik-Talente  rief die Infineon-Chefin einen "Frauen-Förderpreis für Digitalisierung und Innovation" ins Leben. Herlitschka selbst sitzt in unzähligen Gremien, etwa  in der Industriellenvereinigung  und im Aufsichtsrat von Siemens.

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Edith Hlawati (65), ÖBAG-Chefin/Anwältin

Die Staatsholding ÖBAG bekam per 1. Februar 2022 mit Edith Hlawati eine neue Chefin. In dieser Funktion wacht Hlawati über das milliardenschwere Beteiligungsreich der Republik Österreich.  Die Wirtschaftsanwältin kennt die Staatsholding und deren Aufgabengebiete sowie Beteiligungsunternehmen wie die OMV, Post und Telekom Austria bestens. Sie fungierte jahrzehntelang als Beraterin bei den Vorgängerorganisationen und bei der ÖBAG.

Die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) steuert als öffentliche Holding zehn staatliche Beteiligungen mit einem Gesamtwert von rund 30,84 Milliarden Euro (31.12.2022). Die Beteiligungsunternehmen der ÖBAG tragen wesentlich zum österreichischen Steueraufkommen bei, sichern 157.500 Arbeitsplätze und halten Know-how im Land. Hlawati ist als ÖBAG-Chefin auch Vorsitzende des Aufsichtsrats der Telekom Austria und der Post AG sowie  stellvertretende Vorsitzende der OMV und beim Verbund. Medien wie der Trend wählen Hlawati regelmäßig in die Top-Ränge der einflussreichsten Frauen der österreichischen Wirtschaft.

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Johanna Mikl-Leitner (59), Nö. Landeshauptfrau (ÖVP),

Als Johanna Mikl-Leitner in die Politik eingestiegen ist, war das noch eine  Männerwelt. Sie hat sich dennoch durchgesetzt, gleichgültig, in welcher Funktion sie gerade tätig war. Der härteste Job war dabei sicherlich jener der Landesgeschäftsführerin unter Landeshauptmann Erwin Pröll. Da war man auf Erfolg getrimmt, da waren Wahlsiege die Messlatte für gute Arbeit.  Genauso wie die Vorgabe, dass der größte Landesparteiapparat der ÖVP  reibungslos funktioniert. In ihrer Zeit als Landesgeschäftsführerin holte die ÖVP im Jahr 2003 mit rund 53 Prozent der Stimmen die „Absolute“ zurück.

Die nächsten Stationen waren Landesrätin und dann von 2011 bis 2016 Innenministerin. Dann holte sie Erwin Pröll ins Land zurück, wo sie ihm 2017 als Landeshauptfrau nachfolgte. Bei ihrer ersten Landtagswahl 2018 verteidigte sie die absolute Mehrheit, im Jänner 2023 musste sie hingegen einen herben Rückschlag einstecken und rutschte mit ihrer Partei ganz knapp unter die 40-Prozent-Marke. Dennoch gilt sie weiterhin als die mächtigste Frau in der ÖVP. Mächtiger als all ihre Landeshauptleute-Kollegen.

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Patricia Neumann  (51), Chefin Siemens Österreich

Mit Patricia Neumann, bisher Managerin bei IBM Österreich, bekommt Siemens Österreich per Mai eine neue Vorstandsvorsitzende.  Sie löst Wolfgang Hesoun ab, der heuer mit 63 Jahren die Altersgrenze für Vorstände im Siemens-Konzern erreicht. Neumann steigt damit zu einer der mächtigsten Managerinnen des Landes auf. Sie kann auf eine mehr als zehnjährige internationale Unternehmenskarriere zurückblicken und war zuletzt als Vice President bei IBM im Vertrieb für Daten, künstliche Intelligenz und Automatisierungssoftware  verantwortlich.

Zusätzlich war sie Aufsichtsratsvorsitzende und von 2017 bis 2021 Generaldirektorin von IBM Österreich. Die zweifache Mutter studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien und verfasste ihre Diplomarbeit zum Heurigenort Grinzing. Das Industriemagazin erwartet mit dem Wechsel von Hesoun zu Neumann „mehr Distanz, weniger Jovialität, mehr Businessstyle, weniger Männerseilschaft“. Unter Neumanns Führung soll die Entscheidung darüber fallen, welche Stellung Siemens Österreich im deutschen Gesamtkonzern künftig haben wird.

Die neun mächtigsten Frauen in Österreich

Sabine Seidler (61), Rektorin der TU Wien

An der TU Wien ist die    Werkstoffwissenschafterin Sabine Seidler  eine Pionierin: 1996 wurde die gebürtige Deutsche (mittlerweile ist sie österreichische Staatsbürgerin) erste Professorin, 2007 die erste Vizerektorin und 2011 die erste Rektorin der 1815 gegründeten Universität. "In unserer Gesellschaft festgefahrene, weibliche Rollenbilder und wenige Vorbilder sehe ich als Gründe dafür, dass speziell im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich noch zu wenige Frauen die Herausforderung eines technischen Studiums oder Berufs annehmen", sagte sie einmal.

Ihre gesamte Karriere hindurch – angefangen mit dem Doktoratsstudium –  hätten sie ihre beiden Töchter begleitet. Dies sei aber nur durch ein Zusammenspiel verschiedenster Aspekte möglich gewesen: "Es ist außerordentlich wichtig zu wissen, dass die Kinder gut betreut sind und gerade diesbezüglich habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht." Sie sei immer von ihrer Familie und  ihrem Mann unterstützt worden. "Es brauche aber auch ein Arbeitsumfeld, das auf die besonderen Anforderungen für berufstätige Mütter abstellt".

ALPINE SKI-WM 2023: MEDIENTERMIN MIT ÖSV-PRÄSIDENTIN STADLOBER

Roswitha Stadlober (59), ÖSV-Präsidentin

Die  Wahl der Salzburgerin zur ersten Präsidentin in der Geschichte des Österreichischen Skiverbandes kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Vorgänger Peter Schröcksnadel, ein Patriarch  alter Prägung, hatte den ÖSV drei Jahrzehnte lang nach dem Motto „Der Verband bin ich“ geleitet. Mit Roswitha Stadlober, die im Herbst 2021 das Amt übernahm,  hat eine neue Kultur im erfolgreichsten Sportverband des Landes Einzug gehalten. Der ÖSV will sich nicht mehr nur rein über Medaillen und Trophäen definieren, sondern auch gesellschaftspolitisch wahrgenommen werden.

Die frühere Weltklasse-Slalomläuferin Stadlober hat bemerkt, dass sie besonders im Fokus steht. „Ich glaube,  dass man auf mich sogar noch etwas genauer schaut. Weil ich eben  die erste Frau in diesem Amt bin“, sagt die 59-Jährige. Stadlober hofft, dass andere Sportverbände und -institutionen dem Beispiel ÖSV folgen. „Die Frauen sind im Sport  unterrepräsentiert. Deshalb glaube ich, dass ich in gewisser Weise ein Role Model bin und es eine Signalwirkung hat, dass ich ÖSV-Präsidentin bin.“

 

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