SPÖ zu Budget: "Der Bewegungsspielraum ist in Wahrheit nahe null"

SPÖ zu Budget: "Der Bewegungsspielraum ist in Wahrheit nahe null"
Warum sollten Unternehmer die SPÖ wählen und wo will die Partei sparen, um das Budget zu sanieren? Was SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter dazu sagt.

Christoph Matznetter ist seit 2002 mit kurzer Unterbrechung SPÖ-Mandatar. Seit 2009 ist er zudem WKÖ-Vizepräsident und seit 2005 Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SWV).

KURIER: Warum sollten kleine und mittelständische Unternehmer (KMU) am 29. September die SPÖ wählen?

Christoph Matznetter: Am wichtigsten ist eine gerechte Verteilung der Lasten, sowohl bei den Subventionen wie auch bei den Steuern. Die reale Abgabenlast für jede Kebab-Bude ist deutlich höher als die so mancher Großkonzerne. Das System schafft also keine gleichen Wettbewerbsbedingungen, sondern zerstört sie. Die Großen werden begünstigt und die Kleinen bleiben über, obwohl sie fast alle Lehrlinge ausbilden.

Wie genau wollen Sie Kleinunternehmen helfen?

Das Primat der Politik muss wieder hergestellt werden. Die kleinen Unternehmen sind darauf angewiesen, dass die Politik dafür sorgt, dass es keinen unlauteren Wettbewerb gibt und sie unter die Räder der Großen kommen. Das Problem ist, wie man die tatsächlich hohe bürokratische Belastung in einer immer komplexeren Welt gleichzeitig abbauen kann. Denn je besser eine Regel ist, umso mehr Bürokratie schafft sie per se.

Das ist jetzt kein Plädoyer für weniger Bürokratie.

Ich muss den Kleinen das Leben erleichtern und die Großen stärker in die Pflicht nehmen. Beispiel: Es ist gut, dass ab 2025 das Einwegpfand gilt. Aber warum wird der Würstelstand, der nur zehn Quadratmeter hat, auch dazu verpflichtet, Flaschen zurückzunehmen? Der muss dann auch Säcke sammeln, in die gerade 100 Flaschen passen, die er nicht zerdrücken darf. Das lehnen wir ab.

In Andreas Bablers Herz-und-Hirn-Plan befindet sich nichts, was KMU steuerlich oder abgabenseitig begünstigt. Sieht die SPÖ kein Wählerpotenzial bei dieser Gruppe?

Als sozialdemokratischer Wirtschaftsverband stehen wir seit Jahren an der Seite von EPU und KMU. Aber in einer Situation, wo uns die EU -Kommission per Mahnschreiben zu einer Budgetsanierung auffordert, sollten wir zuerst an andere Erleichterungen für unsere Unternehmer denken, anstatt ihnen falsche Hoffnungen zu machen.

Apropos EU-Fiskalregeln: Sie haben einen Kassasturz gefordert, man müsse den Wählern „reinen Wein“ einschenken.

Weil der Bewegungsspielraum in Wahrheit nahe null ist. Der Staatshaushalt muss laut EU jedes Jahr um Milliarden verbessert werden. Da kann ich nicht wie die ÖVP fordern, dass ich auf Einnahmen verzichte, ohne eine Gegenfinanzierung vorzulegen. Auch kleine Kinder begreifen die Relation zwischen Zuckerl holen und kein Geld in der Geldbörse haben.

Gleichzeitig ist Ihr Parteichef Andreas Babler gegen ein Sparpaket, wie er in einem Brief an alle Parteien festgehalten hat. Ist das kein Widerspruch?

Du kannst ein Budget sanieren, indem du in den Bereichen Pensionen, Gesundheit oder bei der Infrastruktur sparst. Aber damit zerstörst du ein Land und dessen Wirtschaftsleistung. Mit Ausgabenkürzungen werden wir nicht viel erreichen. Also muss ich mir anschauen, ob es Personen gibt, die vielleicht zu niedrige Steuern und Abgaben zahlen.

Also sehen Sie bei den Ausgaben kein Potenzial? 

Doch. Wenn man Schluss macht, es internationalen Großkonzernen  hinterherzuwerfen, die es nicht brauchen – wie beispielsweise bei den Milliarden an COVID Hilfszahlungen oder bei den Agrarförderungen. 

Neue Steuern fordert die SPÖ für Vermögende. Österreich hat mit der dritthöchsten Steuer- und Abgabenquote in der EU sehr hohe Einnahmen. Wäre es da nicht fairer, alles, was mit neuen Erbschafts- und Vermögenssteuern eingenommen wird, für eine Entlastung des Faktors Arbeit zu verwenden?

Natürlich, wenn es ginge. Aber bei so einem Budgetproblem dienen neue Einnahmen zuerst einmal dazu, Sparpakete zu verhindern.

Die SPÖ rechnet jährlich mit Einnahmen von rund fünf Milliarden Euro aus der Millionärssteuer. Die Berechnung beruht auf Vermögensschätzungen. Ist es seriös, diese Einnahmen zu verplanen, bevor ich nicht weiß, wie hoch sie ausfallen?

Das Problem hat jeder Finanzminister jedes Jahr. Er muss aus der Prognose der Einnahmen Ausgangsposition definieren. Da kann man immer danebenliegen.

Mit wem soll die SPÖ Vermögens- und Erbschaftssteuern umsetzen? Bis auf die Grünen will sie ja niemand.

Dann sollen ÖVP und FPÖ den Wählerinnen und Wählern offen ins Gesicht sagen: „Ihr seid uns scheißegal, Hauptsache die Kasse der unsrigen stimmt!“ Sie sollen offen sagen, dass sie Ausgaben für Pensionen, Gesundheit oder Bildung kürzen wollen.

Weil die SPÖ einmal von 32, dann von 36 Wochenstunden spricht: Wie hoch sollte aus Ihrer Sicht die gesetzliche, maximale Arbeitszeit in Österreich sein?

Ich glaube, Andi Babler hat von Anfang an gesagt, dass man es branchenspezifisch über die Sozialpartner umsetzen muss. Das ist genau richtig. Ob generell die Arbeitszeit verkürzt wird, würde ich im langfristigen Zeitraum beurteilen.

Sie gelten aufgrund der Wahlliste als Wackelkandidat, was ein neuerliches Mandat im Nationalrat betrifft. Sollte es sich nicht ausgehen, was sieht Ihre Lebensplanung vor?

Ich will in der Politik bleiben. Das war auch der Grund, warum sich meine Landesparteiorganisation sehr für mich eingesetzt hat. Ich gehe jetzt aber nicht auf Details dazu ein und mache auch unserem Bundesparteivorsitzenden keinen Vorwurf. Ich weiß, dass einer der unattraktivsten Teile seiner Job-Beschreibung die Listenerstellung ist. Der heutige Bundesparteivorsitzende hat vielleicht in Wahrheit fünf Mandate zu vergeben. Jenseits der Nationalratswahl habe ich schon die Wirtschaftskammerwahl 2025 im Blick.

Kommentare