Was eine Arbeitszeitverkürzung auf 36 Wochenstunden kostet

Was eine Arbeitszeitverkürzung auf 36 Wochenstunden kostet
Die Agenda Austria kritisiert den neuen Vorstoß der Arbeiterkammer deutlich – und legt Berechnungen vor.

Am Dienstag hat die Arbeiterkammer (AK) ihre Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung erneut bekräftigt. Diesmal mit Verweis auf den oberösterreichischen Elektrotechnik-Betrieb Kagerer, der im März auf eine Vier-Tage Woche bei 36 Wochenstunden umgestellt hat. 

Produktivität und die Gesundheit der Mitarbeiter seien gestiegen. "Die Arbeitszeitverkürzung funktioniert", sagte AK-Präsidentin Renate Anderl (SPÖ). SPÖ-Chef Andreas Babler nannte die Vier-Tage-Woche "ein Erfolgsmodell".

Ökonom Dénes Kucsera vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria kann dieser Einzelfallbetrachtung nichts abgewinnen. Eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung in diesem Ausmaß sei in vielen Branchen nur dann finanzierbar, wenn man die Reallöhne dementsprechend senken würde, so Kucsera. "Die Annahme, dass bei weniger Arbeitszeit die Produktivität der Mitarbeiter steigt, trifft in vielen Branchen einfach nicht zu." Als Beispiele nennt der Ökonom den Pflegebereich oder die Polizei.

Aber wie würde sich eine Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 36 Wochenstunden auswirken, wenn die Produktivität der Mitarbeiter nicht steigt?

Ein neuer Mitarbeiter nötig

Ein Unternehmen mit aktuell neun Mitarbeitern, die im Durchschnitt 3.861 Euro brutto pro Monat verdienen, müsste ohne Produktivitätsgewinn laut Kucsera 2025 eine weitere Arbeitskraft einstellen, um die gleiche Arbeit leisten zu können. Inklusive der Inflationsanpassung würden die Personalkosten stark steigen: von aktuell 630.000 auf 726.600 Euro im kommenden Jahr.

Bis 2027 würden die Personalkosten um 21,2 Prozent gegenüber 2024 ansteigen – auf rund 764.000 Euro. Allein die zusätzliche Arbeitskraft verursacht dabei laut Kucsera eine Kostensteigerung um 12 Prozentpunkte.

Auswirkungen bei 38,5 Wochenstunden

Aber ist der Effekt wirklich so groß, selbst ohne Produktivitätssteigerung? In vielen Branchen gilt aktuell schon eine Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden. Ja, auch eine Verkürzung von 2,5 Stunden pro Woche hätte massive Auswirkungen, warnt Kucsera: "Dann entfällt Arbeitszeit im Umfang von drei Urlaubswochen pro Jahr. Die Arbeitskräfte müssten ihre Produktivität um sieben Prozent steigern, um das Niveau zu halten."

Auch hier hat der Ökonom ein Rechenbeispiel parat. Ein Betrieb mit 36 Mitarbeitern, der seine Arbeitszeit von 38,5 auf 36 Wochenstunden reduziert, müsste kommendes Jahr 2,5 zusätzliche Mitarbeiter einstellen, um ohne Produktivitätsverlust weiterarbeiten zu können. Bis 2027 würden die Personalkosten um 16,7 Prozentpunkte steigen – von aktuell 2,5 Millionen auf rund 2,94 Millionen Euro.

Kocher reagiert auf Anderl

Anderl forderte hingegen Pilotprojekte der Regierung ein, wie es diese bereits erfolgreich in anderen Ländern gebe. Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher habe auf entsprechende Vorschläge bisher nicht reagiert.

Aus dem Ministerium heißt es, man werde Anderls Schreiben "zeitnah beantworten". Für eine etwaige Verkürzung der Arbeitszeit auf Betriebs- oder Branchenebene sei lediglich das Einvernehmen mit dem jeweiligen Arbeitgeber oder zwischen den zuständigen Kollektivvertragsparteien notwendig. "Gesetzliche oder behördliche Maßnahmen für die Umsetzung von Pilotprojekten sind nicht erforderlich", so Kochers Ressort. Der AK stehe es also frei, Pilotprojekte zu organisieren.

Eine generelle, gesetzliche Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich sei jedenfalls "ökonomisch nicht umsetzbar". Branchen stehe es aber schon jetzt frei, über Kollektivverträge unterschiedliche Normalarbeitszeiten zu beschließen.

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