Nationalrat drückt Corona-Gesetze durch - Fronten sind verhärtet

Nationalrat drückt Corona-Gesetze durch - Fronten sind verhärtet
Von "Schulterschluss" kann keine Rede mehr sein - Koalition und Opposition sind sich in vielen Punkten uneinig. Corona-Unterausschuss ist in der Schwebe.

Die Stimmung im Parlament ist zunehmend vergiftet: Vom anfänglichen Schulterschluss in der Coronakrise - als es noch einstimmige Beschlüsse im Nationalrat gab, um rasch zu reagieren - ist nichts mehr übrig. 

Das zeigte sich schon am Vormittag bei der Debatte im Hohen Haus, bei der es nur noch am Rande um die Sache ging. 

Höhepunkt des Clinch zwischen den Koalitions- und den Oppositionsparteien war der Beharrungsbeschluss von Türkis und Grün, mit der das Veto des Bundesrats gegen insgesamt vier Corona-Pakete aufgehoben wurde. Die Änderungen im Epidemiegesetz sind damit fix. 

Epidemiegesetz ist beschlossen

Die Novelle war zuletzt heftig umstritten: Dabei geht es weniger um die Rahmenbedingungen für im Zuge der Coronakrise vorgesehene Screening-Programme.

Skeptisch betrachtet wurden von der Opposition ein weiteres Mal die Möglichkeiten, den Zugang zu Veranstaltungen zu regeln. Diese können an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen gebunden oder auf bestimmte Personen- und Berufsgruppen eingeschränkt werden.

Keine Kriterien dürfen dabei neben der Verwendung von Contact-Tracing-Technologien ein Abstellen auf Corona-Risikogruppen, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Alter, Religion, Weltanschauung und sexuelle Orientierung sein.

Diese Einschränkung hatte die Koalition ja auf Wunsch der Opposition definiert. Dass trotzdem Ablehnung im Nationalrat und das Veto im Bundesrat kam, empörte die Mandatare von ÖVP und Grünen noch heute.

Kritik gab es auch daran, dass die Regierungsparteien immer noch Gesetze durch den Nationalrat "jagen", ohne die sonst übliche Begutachtungsfrist einzuhalten. So haben Externe keine Möglichkeit, ihre Einwände gegen die Gesetze zu äußern - bzw. werden sie nicht berücksichtigt.

Die Regierung argumentiert (trotz niedriger Infektionszahlen) damit, dass in der Krise Eile geboten sei. 

Und so lief die Debatte

SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner bestritt den Auftakt und warf der Regierung „Show-Politik“ vor, die weder Unternehmern helfe, noch Arbeitslosen einen Job oder Künstlern eine Perspektive bringe. Die Hilfen seien zu wenig, kämen zu spät und seien zu bürokratisch. Was es brauche, sei ein neues Konjunkturpaket und eine Erhöhung des Arbeitslosengelds.

Deftiger wurde es wenig später bei FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Widerstand gegen den „Corona-Wahnsinn“ sei angebracht, findet der freiheitliche Fraktionschef, der der Koalition eine „autoritäre Geistesdurchseuchung“ attestierte und Fantasien zur Zwangsüberwachung der eigenen Bevölkerung ortete. An Vetos durch den Bundesrat werde man sich gewöhnen müssen: „Das ist normal im Gegensatz zu dem Ausnahmezustand, der in ihren Hirnen herumschwirrt.“

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker attackierte die Koalition derart, dass diese seit Monaten mit einer Politik der Unsicherheit handle. So sieht er auch die wahren Gründe für die Novellierung des Epidemiengesetzes, die unter anderem den Zugang zu Veranstaltungen regelt, verdeckt: „Darum misstrauen wir Ihnen.“ Die Behörde habe künftig einen riesengroßen Spielraum - „und dem sind die Bürger ausgeliefert.“

Die Koalition konnte die Kritik nicht nachvollziehen. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) argumentierte etwa, dass die Novelle eine massive Verbesserung gegenüber dem Status quo sei, weil viel mehr Veranstaltungen möglich würden.

Für reichlich unnötig hielten die Fraktionschefs der Koalition, dass der Bundesrat überhaupt Einspruch gegen vier Corona-Gesetze eingelegt hatte. VP-Klubobmann August Wöginger meinte in Richtung Opposition: „Corona findet ja anscheinend nicht statt.“ Österreich sei offenbar unter der Glaskoppel. Dass SPÖ und FPÖ u.a. auch die 600.000 Euro für freiwilliges Engagement in der Coronakrise beeinsprucht haben, „das verstehe, wer will“.

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer erinnerte Kickl daran, dass ihm noch vor kurzem der Lockdown nicht scharf genug gewesen sei. Solche spontanen Sinneswandel seien in einer Krise eben nicht möglich, wenn man in Verantwortung sei. Anschober fürchtete, dass mit der Oppositionsrhetorik das falsche Signal gesetzt werde, dass die Krise schon vorbei sei.

Unterausschuss in der Schwebe

In dieser vergifteten Stimmung ist auch plötzlich eines nicht mehr fix: Der parlamentarische Unterausschuss zur Begleitung der Corona-Pakete. ÖVP und Grüne hatten vor wenigen Wochen noch gemeint, sie seien offen dafür. 

Die Opposition brachte am Mittwoch bei der Sondersitzung des Nationalrats geschlossen einen Fristsetzungsantrag ein, der eine Behandlung der entsprechenden Initiative bis 25. Mai sicher stellen sollte. Die Koalition lehnte das ab.

Aus der ÖVP wurde argumentiert, dass sich die Oppositionsparteien nicht mehr weigern sollten, in den so genannten COVAG-Beirat einzutreten. Würden sie hier mitmachen, könne man auch über einen Unterausschuss reden.

Die Opposition wiederum beschickt den Beirat nicht, weil sie ihn für zahnlos hält. Stattdessen hat man einen parlamentarischen Unterausschuss beantragt, der gemäß ihren Vorstellungen sehr weit reichende Kompetenzen hätte.

Abberufung von umstrittener Beraterin scheiterte

Ebenfalls keine Mehrheit fand ein rot-blauer Entschließungsantrag, der zum Ziel hatte, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Antonella Mei-Pochtler aus allen beratenden und sonstigen Funktionen abberuft.

Die Kanzler-Beraterin hatte sich den Unmut der Opposition zugezogen, als sie in einem Interview darüber philosophierte, dass man sich in Europa im Zuge der Coronakrise an Tools gewöhnen werde müssen, die „am Rand des demokratischen Modells“ seien und ihre Erwartung geäußert, dass Reisen nur noch mit Corona-App möglich sein würden.

Gegen die Stimmen der FPÖ angenommen wurde hingegen eine Ermächtigung an den Finanzminister, die es ihm ermöglichen soll, einer Gewährung von Corona-Finanzhilfen im Rahmen des sogenannten „Pandemic Crisis Supports“ für jedes ESM-Mitgliedsland grundsätzlich zuzustimmen.

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