Nach Verordnungspfusch: Wie Türkis-Grün nun zur gemeinsamen Lockdown-Entscheidung kam
Diese Woche soll alles besser werden: Mit diesem Vorsatz geht die Regierung an den „Lockdown light“ heran.
In der Vorwoche hat Türkis-Grün nämlich ziemlich gepfuscht: Die Verordnung für die Corona-Maßnahmen wurde erst mit zwei Tagen Verspätung fertig. Es gab Zoff, weil die türkisen Länder in die Maßnahmen eingebunden wurden, die roten aber nicht. Verstimmung und Kleinkrieg herrschten in der Koalition.
Und gebracht haben die Verschärfungen obendrein nichts – die Infektionszahlen steigen immer schneller.
Der Grundkonflikt in der Regierung ist bekannt:
Kanzler Sebastian Kurz ist eher für härtere Maßnahmen und dafür, (nach der Anhörung von Experten) politische Entscheidungen zu treffen.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober bevorzugt Appelle an die Vernunft, so lange es geht, und setzt mehr als Kurz auf Expertenratschläge.
Der sprunghafte Anstieg der Infektionszahlen – zu Wochenbeginn wurde die 3.000er-Marke deutlich übertroffen – wirkte in der Koalition jedoch wie ein Katalysator, jetzt sind beide Parteien wieder einer Meinung: Es muss etwas getan werden.
Das Runterfahren in ganz Europa, insbesondere in Deutschland, wo die täglichen Infektionszahlen sogar deutlich geringer sind als in Österreich, verfehlt auch hierzulande die Wirkung auf die Regierungsspitze nicht.
Kurz stand am Mittwoch mit Kanzlerin Angela Merkel in SMS-Verkehr, am Abend haben die beiden miteinander telefoniert. Anders als im Frühjahr soll diesmal in Europa ein Maßnahmen-Fleckerlteppich möglichst vermieden werden.
Merkel schickte Kurz sogar aus der Sitzung mit den deutschen Ministerpräsidenten eine SMS – das wird in Wien als Zeichen gewertet, dass der Kanzlerin ein konsistentes Vorgehen wichtig ist.
Gefahr der Grenzschließung
Insbesondere zwischen Nachbarländern mit regem Personenverkehr sind abgestimmte Maßnahmen sinnvoll. Wenn jetzt Deutschland seine Infiziertenzahlen mittels Lockdown light herunterbremst, Österreich aber nicht mitzieht, dann besteht die Gefahr, dass die Deutschen die Grenze zu Österreich schließen, um das Virus nicht wieder zu importieren. Populismus ist ja auch der CSU nicht fremd: Landrat Michael Fahmüller hat ja lautstark den Österreichern die Schuld zugeschoben, dass in Bayern die Infiziertenzahlen besonders hoch sind, und Gesundheitsministerin Melanie Huml warnte die Österreicher davor, am Nationalfeiertag nach Bayern zum Shoppen zu fahren.
Tests statt Quarantäne
Aber auch formal offene Grenzen sind unter Umständen keine wirklich offenen – wenn man nämlich nach Grenzübertritt 14 Tage in Quarantäne muss. Daher sollen zum Beispiel Corona-Tests gegenseitig anerkannt werden, damit man sich freitesten kann.
All diese Gründe spielen eine Rolle, warum Kurz mit dem Lockdown light im europäischen Gleichklang vorgehen will, und man wird sich dabei an den deutschen Maßnahmen orientieren. Die eine oder andere Maßnahme könnte sogar noch schärfer ausfallen als bei unseren Nachbarn.
Die Fehler der Vorwoche will Türkis-Grün mit folgenden Mitteln verhindern: Diesmal werden alle eingebunden
Die Sozialpartner werden am Freitag zu einem Gespräch eingeladen. Danach wird vermutlich gemeinsam appelliert, dass möglichst viel von zu Hause aus gearbeitet wird. Homeoffice statt Office.
Am Samstag werden die Landeshauptleute in einer Videokonferenz informiert, danach die Chefs der Opposition.
Der Verordnungstext soll am Samstag bereits fertig vorliegen – abgestimmt zwischen Grün und Türkis und dem Verfassungsdienst, um rechtliche Patzer zu vermeiden.
daniela.kittner@kurier.at
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