Merkel verkündet Teil-Lockdown: "Wir müssen handeln, und zwar jetzt"

Merkel verkündet Teil-Lockdown: "Wir müssen handeln, und zwar jetzt"
Deutschland sperrt zu - den ganzen November: Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit ist nur mehr mit Mitgliedern eines anderen Hausstandes gestattet. Lokale werden geschlossen, Geschäfte, Schulen und Kitas bleiben offen.

Die Regale mit Toilettenpapier lichten sich, die Schlangen an den Supermarktkassen werden länger. Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland geht beständig nach oben. Das Robert Koch-Institut meldete am Mittwoch 14.964 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages – vor einer Woche lag die Zahl noch bei 7.595. Zum Vergleich: Österreich hat, auf die Bevölkerung umgerechnet, beinahe doppelt so viele Infektionen.

Dennoch zieht man in Deutschland jetzt die Bremse: Vor zwei Wochen haben Kanzlerin Merkel und die Länderchefs Maßnahmen wie Sperrstunde und Alkoholverkaufsverbot ab 23 Uhr beschlossen. Sollte dies nicht greifen, will man nachziehen, prophezeite Merkel. Genau das ist jetzt passiert – am Mittwoch traf man sich virtuell zum Krisengipfel.

 

 

 

 

 

 

"Ein schwerer Tag“"

„Es ist vollkommen klar, wir müssen handeln, und zwar jetzt“, erklärte Merkel. Bei 75 Prozent der Infektionen wisse man nicht mehr, wo die Ansteckungsquelle gelegen habe.  Dies sei „ein schwerer Tag“, auch für politische Entscheidungsträger, sagte sie  – „ich will das ausdrücklich sagen, weil wir wissen, was wir den Menschen zumuten“. Sie sprach von einer „nationalen Kraftanstrengung“, die ab Montag, 2. November, beginne und einen Monat andauern werde. Künftig sollen sich nur maximal zehn Personen aus zwei Hausständen im Freien treffen dürfen.

 Schulen, Kindergärten sowie Einzel- und Großhandel bleiben offen. Gastro-Betriebe, Bars, Clubs, Diskotheken müssen zusperren – ausgenommen sind Lieferung und Abholung. Schließen müssen auch Theater,  Konzerthäuser, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Bordelle, Schwimmbäder sowie Fitnessstudios. Profi-Sport wie Bundesliga kann nur mit Geisterspielen weitergehen.  Massagepraxen, Kosmetik- und Tattoo-Studios werden geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen  bleiben möglich. Ebenso das Einkaufen in Supermärkten und der Besuch beim Friseur – unter Hygiene-Auflagen.

 

Kritik von Kultur und Gastro

Um Umsatzausfälle zu vermeiden, will Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in die Taschen greifen: So sollen Klein-Betriebe bis zu 75 Prozent ihrer Umsätze im Vergleich zum Vorjahresmonat erstattet bekommen, größere bis zu 70 Prozent.

Die Branche der Gastro- und Veranstaltungsbetreiber bangt um ihre Existenz. In Berlin-Mitte demonstrierten  Tausende Künstler und Veranstalter.  Der Geschäftsführer des  Deutsche Hotel- und Gaststättenverbands, Thomas Lengfelder: „Wir halten einen weiteren Lockdown für komplett überzogen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die steigenden Infektionszahlen aus unseren Betrieben stammen“, sagte er der Berliner Morgenpost.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte die Einschnitte. „Wenn wir warten, bis die Intensivstationen voll sind, ist es zu spät“, erklärte er im Südwestrundfunk.

Christian Drosten, Leiter der Virologie in der Berliner Charité, zeigt sich besorgt über die wachsende Zahl der Neuinfektionen. „Wenn die Belastung zu groß ist, muss man eine Pause einlegen.“ Dann würden die Gesundheitsämter wieder in der Lage sein, die Fall-Verfolgungen zu schaffen, so Drosten in seiner aktuellen Podcast-Folge im NRD-Inforadio. „Wenn wir jetzt einmal auf die Bremse treten, hätten wir einen ganz nachhaltigen Effekt. Das würde uns ganz viel Zeit einspielen.“

Grenzen offen halten

Mit Blick auf die neuen Beschlüsse gab es am Mittwoch auch ein Telefonat zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Angela Merkel: "Wir wollen möglichst eng abgestimmt vorgehen und die Grenzen weiterhin offen halten", sagte er danach. Ab dem 8. November sollen in Deutschland auch neue Regeln für Einreisende bzw. Reiserückkehrer gelten. Zentraler Punkt ist eine Pflichtquarantäne von zehn Tagen, die durch einen Test verkürzt werden kann, allerdings ist dieser erst nach fünf Tagen möglich. Der Grund: Tests, die kurz nach der Ansteckung gemacht werden, können die Infektion noch nicht nachweisen – daher müsse man fünf Tage warten. Die konkrete Umsetzung der Regelung mit möglichen Ausnahmen ist allerdings Ländersache und kann von der Muster-Verordnung abweichen.

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