Nach Stenzel-Auftritt: Neue Debatte um Identitären-Verbot

Nach Stenzel-Auftritt: Neue Debatte um Identitären-Verbot
Volkspartei spricht sich für ein Verbot aus, FPÖ-Chef Hofer warnt vor "Gesinnungsdiktatur", SPÖ ist sich nicht einig.

Der umstrittene Auftritt der nicht amtsführenden Wiener FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel bei einer Kundgebung der Identitären am Wochenende sorgte nicht nur für breites Unverständnis, sondern ließ auch die Debatte um ein Verbot der umstrittenen rechtsxtremen Gruppierung wieder aufleben.

Die ÖVP will noch vor der Wahl über eine Änderung des Vereinsrechts im Nationalrat abstimmen lassen, um ein Verbot der Identitären zu ermöglichen. Auch die Liste Jetzt spricht sich für ein Verbot aus, vor dem die FPÖ wiederum warnt. In der SPÖ ist man sich nicht einig: Während Parteichefin Pamela Rendi-Wagner für ein Verbot ist, warnt Wiens Bürgermeister Michael Ludwig vor den Konsequenzen dieses Schritts. Die Neos fordern unterdessen die Abschaffung der nicht amtsführenden Stadträte in Wien.

Die Folgen von Stenzels Rede bei den Identitären

Wöginger für schnelle Reaktion

"Wir werden im Septemberplenum einen Antrag auf Änderung des Vereinsrechts und damit für ein Verbot der Identitären Bewegung (IB) stellen", kündigte ÖVP-Klubobmann August Wöginger gegenüber der APA sowie im Ö1-Morgenjournal an. Es sei nach der Teilnahme Stenzels am Marsch der Identitären "nötig und unabdingbar", so schnell wie möglich zu reagieren.

Dass das Verbot erst von einer künftigen Regierung angegangen werde, reiche nicht, sagte Wöginger. Die IB sei "eine extremistische und radikale Organisation, deren Ideologie nicht mit den Grundrechten der österreichischen Demokratie vereinbar" sei, so Wöginger.

Nach Stenzel-Auftritt: Neue Debatte um Identitären-Verbot

August Wöginger

Ein Verein kann derzeit nur aufgelöst werden, wenn er gegen Strafgesetze verstößt. Laut ÖVP-Wunsch sollen Behörden einen Verein auch auflösen können, wenn er genutzt wird, um extremistisches oder staatsfeindliches Gedankengut zu verbreiten.

Zu den konkreten Änderungen konnte oder wollte Wöginger noch nichts sagen. Erst werde ein Textentwurf ausgearbeitet und dann von Experten geprüft, meinte der türkise Klubchef auch im Hinblick auf bereits geäußerte verfassungsrechtliche Bedenken.

Interview mit rechtem Magazin sorgt für Sellner-Beifall

Gleichzeitig hat Wöginger dem rechtsextremen Magazin Info-Direkt für dessen aktuelle Ausgabe ein Interview gegeben. Darin sagt Wöginger unter anderem, es gehe darum, "dass wir unsere Werte und unsere Tradition hochleben lassen. Darum, dass wir auch selber bestimmen können, wer in unser Land zuwandert und wer nicht."
 

Eine Botschaft, die beim Chef der Identitären in Österreich, Martin Sellner, umgehend für Beifall sorgte. " Es ist mir völlig gleich wenn man sich von uns distanziert solange man inhaltliche identitäre Positionen vertritt! Bravo Hr. Wöginger! Danke für das Interview", schrieb Sellner auf Twitter. Mit dem von Wöginger betriebenen Vorstoß zum Verbot der IB, wird Sellner wohl weniger zufrieden sein.

Info-Direkt steht laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) an der Grenze zum Neonazismus. Die Zeitschrift kleide „klassisch rechtsextreme Weltanschauung in ein modernes Gewand“.

Erst vorletzte Woche war der Tiroler SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer für ein Interview mit der Rechtsaußen-Postille in die Kritik geraten.

Neos wollen nicht amtsführende Stadträte abschaffen

Hinsichtlich der Stenzel-Identitären-Causa kündigten unterdessen auch die Neos einen Antrag für die kommende Nationalratssitzung an. Sie wollen ihre langjährige Forderung nach Abschaffung der nicht amtsführenden Wiener Stadträte aufs Tapet bringen. Dafür wäre eine Änderung der Bundesverfassung nötig.

"In Summe zeigen die letzten Vorfälle, dass die Position der auch ehemaligen nicht amtsführenden Stadträte (neben Stenzel erinnere ich an Johann Gudenus und Eduard Schock) eine völlig unsinnige ist", hieß es in einem Statement von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger gegenüber der APA. "Es handelt sich um Versorgungsjobs, die dem Steuerzahler viel kosten, aber gar nichts bringen", stellte sie fest.

Die Pinken nehmen die Causa zum Anlass, im nächsten Plenum einen Fristsetzer zu ihrem entsprechenden Antrag, der im Verfassungsausschuss ist, zu stellen. "Wir werden überprüfen, ob das bisherige Mantra von Sparen im System von der ÖVP wirklich ernst genommen wird und diese Position endlich abgeschafft wird", so Meinl-Reisinger.

Hofer warnt vor "Gesinnungsdiktatur"

FPÖ-Chef Norbert Hofer hat am Montag angesichts der Rufe nach einem Verbot der Identitären vor einer "Gesinnungsdiktatur" gewarnt. Er verwies auf Experten-Ansicht, wonach "jeder Eingriff in die Vereinigungsfreiheit auch ein Grundrechtseingriff" sei. Und er sieht sich mit seiner Haltung auf einer Linie mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Justizminister Clemens Jabloner, die sich beide skeptisch gegenüber einem Verbot der rechtsextremen Gruppierung ausgesprochen hatten.

Der FPÖ-Chef betonte in einer Aussendung, dass im Vereinsgesetz schon jetzt festgehalten sei, dass Vereine aufgelöst werden können, "wenn gegen Strafgesetze verstoßen und der statutenmäßige Wirkungskreis überschritten wird". "In diesem Zusammenhang wird auch auf die Expertise des Vereinsrechtsexperten Maximilian Kralik verwiesen", heißt es in der FPÖ-Presseaussendung: Dieser sehe eine Auflösung als "unwahrscheinlich" an. Die Vereinsfreiheit sei in der europäischen Menschenrechtskonvention verankert, die in Österreich im Verfassungsrang stehe. Daher sei jeder Eingriff in die Vereinigungsfreiheit auch gleichzeitig ein Grundrechtseingriff.

"Meine Haltung zu den Identitären ist mehr als bekannt", verwies Hofer auf seine in der Vergangenheit immer wieder geäußerten Ablehnung gegenüber der Gruppierung. "Trotzdem warne ich vor einer Gesinnungsdiktatur. Sollte die ÖVP die Menschenrechtskonvention ignorieren und trotzdem ein Verbot beschließen wollen, so wären in weiterer Folge unzählige Vereine, die ich gar nicht länger nennen möchte, von einer derart überschießenden Maßnahme betroffen."

Kickl: Stenzel-Rede "nicht verwerflich"

Hofers Parteifreund, Ex-Innenminister Herbert Kickl, sieht in der Rede Stenzels "nichts Verwerfliches". "Alles was Stenzel gesagt hat, hat Hand und Fuß", meinte Kickl am Montag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Für Kickl hat Stenzel glaubhaft gemacht, dass sie nicht gewusst habe, wer der Veranstalter des Fackelzugs war.

Einem Verbot der Identitären konnte Kickl nach wie vor nichts abgewinnen. Der Verfassungsschutz habe bereits festgestellt, keine Handhabe gegen das Symbol der Identitären zu haben - und wenn man schon keine Handhabe gegen das Symbol habe, wie soll man dann eine gegen den Verein haben, so Kickl. "Wenn die ÖVP allerdings neue Erkenntnisse hat, dann soll sie die auf den Tisch legen", erklärte er und warf der ÖVP vor, die von ihr geforderte Änderung des Vereinsrechts nicht zu Ende gedacht zu haben.

Grüne: Blaues "Doppelspiel"

Die Grünen sehen in den Redaktionen der FPÖ zum Stenzel-Auftritt bei den Identitären ein "Doppelspiel": "Ein sich gemäßigt gebender Norbert Hofer soll ÖVP-FPÖ Wechselwähler ansprechen, gleichzeitig sollen Rechtsverbinder wie Kickl und Stenzel die extreme Rechte bei Laune halten", kritisierte Grünen-Chef Werner Kogler am Montag.

Der Grünen-Spitzenkandidat richtet allerdings auch der ÖVP aus, deren "unausgegorene Verbotsidee" werfe mehr Fragen auf, als sie Antworten bringe.

Uneinigkeit in SPÖ

In der SPÖ kursieren unterdessen divergierende Meinungen bezüglich eines Identitären-Verbots. "Unsere Demokratie muss vor jenen geschützt werden, die sie untergraben wollen", erklärte Parteichefin Rendi-Wagner auf Twitter. Sie fordert darum Justiz- und Innenminister dazu auf, ein Verbot der Identitären zu prüfen bzw. eine Änderung des Vereinsgesetzes unter Wahrung der Grundrechte vorzuschlagen. Gegenüber der APA hieß es aus ihrem Büro, dieser Schritt müsste noch vor der Wahl erfolgen. Der Auftritt Stenzels jedenfalls sei ein weiterer Beleg dafür, dass die FPÖ nach wie vor mit den Identitären sehr verstrickt sei und keine wirkliche Abgrenzung erfolgt sei.

Wiens Bürgermeister Ludwig steht einem Verbot hingegen skeptisch gegenüber. "Bei einem Eingriff ins Vereinsrecht sollte man sehr sensibel vorgehen und alle verfassungsrechtlichen Bestimmungen einhalten. Denn wenn man einmal bei einer Organisation beginnt, ist die Frage, wo das endet", gab Ludwig am Rande einer Pressekonferenz am Montag zu bedenken. Vielmehr hält der Stadtparteichef die "scharfe Beobachtung der Identitären in Verbindung mit strafrechtlichen Tatbeständen" für wichtig. Diese müsse seitens der Polizei verstärkt werden - vorrangig, was Wiederbetätigungsdelikte anbelange.

Stenzel zum Rapport

Stenzel selbst muss am Montag zu einem klärenden Gespräch in die FPÖ-Zentrale, einen Rücktritt der früheren ORF-Moderatorin und ÖVP-Europaabgeordneten schlossen die Freiheitlichen jedoch bereits im Vorfeld aus. "Wenn wir‘s gewusst hätten, dass sie dort hingehen will, hätten wir’s verhindert", sagte der Pressesprecher der Landespartei, Michael Stumpf. Stenzel hatte sich für ihren Auftritt auf der Identitären-Kundgebung damit gerechtfertigt, sie hätte nicht gewusst, dass dort auch Identitäre anwesend sind.

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