Wolfgang Mückstein, der angstbehaftete Gesundheitsminister
Endlich managt ein Arzt die Pandemie. Endlich regiert einer, der weiß, wie man Menschen fürs Impfen gewinnen kann. Denn Patientengespräche sind sein Metier.
Eine Welle der Hoffnung machte sich auf allen Seiten breit – beim Koalitionspartner, den Bürgern, der Opposition – als Wolfgang Mückstein im April 2021 die Agenden von Rudolf Anschober übernahm. Doch zehn Monate nach seinem Amtsantritt strahlt der Grüne kaum mehr das Hoffnungspotenzial der Anfangstage aus. „Bei all den Kritikpunkten, die man an Anschober finden konnte, hatte man bei ihm stets das Gefühl, er steht gerne in der ersten Reihe und packt gerne an. Mückstein lässt das Gefühl zurück, es freut ihn gar nicht“, beschreibt einer, der nahe am Gesundheitsminister ist.
Ministerium ein Moloch
Eine Schlüsselszene in der Pandemiebekämpfung steht fast exemplarisch für seine Ministerzeit. Als im November am Tiroler Achensee in den Nachtstunden von den Landeshauptleuten die Impfpflicht (die sie mittlerweile wieder absagen wollen) besiegelten, fehlte vor allem einer am Verhandlungstisch – niemand Geringerer als der Gesundheitsminister.
Bildlich gesprochen könnte man sagen: Mückstein war der Saft ausgegangen. Im oberösterreichischen St. Valentin war sein Audi e-tron 55 quattro advanced hängen geblieben. Der schicke Elektro-Wagen mit 408 PS verspricht eine Reichweite von 441 Kilometer. Bis zum Achensee geht sich das aber nicht aus. Also 30-minütiger Zwischenstopp in St. Valentin zum Laden. Zu spät aus Wien weggekommen war Mückstein auch noch.
Als der Gesundheitsminister um 23 Uhr endlich zur Runde stieß, war alles gelaufen. Mückstein konnte den Lockdown inklusive Impfpflicht nur noch abnicken. Entsprechend unsicher wirkte er bei der Pressekonferenz in den Vormittagsstunden.
Das Personal
Als die Pandemie losbrach und Rudolf Anschober Gesundheitsminister war, litt das Gesundheitsministerium unter einer Erbschaft aus der türkisblauen Zeit: Es war umgebaut worden, und wichtige Spitzenpositionen waren unbesetzt. Dieser Mangel ist inzwischen behoben. Aber: Dem in der Pandemie extrem geforderten Gesundheitsressort fehlt es nach wie vor an Personal, unter anderem an Juristen und Kommunikatoren. Eben erst wurde mit Robert Lechner ein Kommunikationsprofi (von den ÖBB) geholt.
Die Struktur
Das Gesundheitsministerium hat zwar in der Pandemie das Sagen über die nötigen Maßnahmen, aber wenig Zuständigkeit für deren Umsetzung. Das Gesundheitswesen von Spitälern bis Pflegeheimen ist Ländersache; der ambulante Bereich (Arztpraxen) ist in Selbstverwaltung und keine weisungsgebundene Behörde.
Das Mammutressort
Mückstein ist nicht nur für Gesundheit zuständig, sondern auch für Soziales, Pensionen und Pflege, Tierschutz und Konsumentenschutz. Gerade bei der Pflege hat er ein offenes Mega-Thema geerbt, bei dem auch er bisher nicht vom Fleck kommt. Abgesehen von der Pandemie gibt es auch im Gesundheitsbereich ungelöste Probleme wie den Ärzte- und Fachärztemangel, schleppende Digitalisierung, zu wenig Prävention besonders bei Älteren, etc.
Unsicherheit strahlt er nach wie vor aus – das äußert sich in vielen kleinen Details. Bei parlamentarischen Anfragen liest Mückstein die von seinem Kabinett vorbereiteten Antworten „inklusive alle Satzzeichen wie Punkt oder Doppelpunkt“ vor den Abgeordneten vor, schildert ein Oppositionspolitiker.
Bei Interviewfragen antwortet er oft mit vorbereiteten, aussagelosen Stehsätzen. „Er agiert stets defensiv, damit er keine Fehler macht. Das ist auch der Grund, warum ihn die Grünen nur sehr spärlich in der Öffentlichkeit einsetzen. Ihm fehlt einfach die politische Abgebrühtheit“, so Politikberater Thomas Hofer.
Sanitär statt Sanität
Der Regierungspartner ÖVP ortet den Grund für die holprige Performance von Mückstein vielmehr im Gesundheitsministerium. „Das Ressort ist ein Moloch“, so ein hochrangiger ÖVPler. Mückstein selber bemühe sich, die Vereinbarungen einzuhalten und ist für die ÖVP-Spitze jederzeit erreichbar. „Wenn du als Quereinsteiger in so ein großes Ministerium crashst, musst du Antworten bekommen, wenn du fragst. Da bist du auf deine Mitarbeiter angewiesen“, so ein ÖVPler.
Dass das Gesundheitsministerium inklusive des Kabinetts von Mückstein viele Baustellen hat, ist bekannt. Das äußerst sich in kleinen wie in großen Pannen. Kleine Fauxpas sind etwa, wenn in der Verordnung für den Lockdown stets derselbe Fehler im Verordnungstext auftaucht, obwohl die Opposition Mückstein und seine Mitarbeiter darauf aufmerksam macht.
So wollte man sicherstellen, dass Geschäfte, die Sanitätswaren verkaufen, weiterhin im Lockdown offen halten können. Statt Sanitätshandel stand im Entwurf, der im Hauptausschuss des Parlaments präsentiert wurde, „Sanitärhandel“. Also Shops, die Badezimmerausstattung verkaufen. „Klar, über so einen Fehler kann man schnell hinweglesen. Aber wir haben Mückstein und sein Team darauf aufmerksam gemacht. Zehn Tage später war der Fehler wieder in der Verordnung“, erzählt ein Oppositionspolitiker.
"Er agiert stets defensiv, damit er keine Fehler macht. Das ist auch der Grund, warum er sehr spärlich auftritt"
Lackmustest kommt erst
Auch dass ein Arzt und Gesundheitsminister vergisst, mit der ELGA-Geschäftsführung zu sprechen, ob und wann die technische Umsetzung der Ausnahmen aus der Impfpflicht umsetzbar ist, zeigt, wie schwach das Mückstein-Kabinett aufgestellt ist.
Schlussendlich darf man eines nicht vergessen: In Mücksteins Kompetenz fallen auch das Pflegeproblem und Pensionen. Der Plan der Grünen bei der Regierungsbildung war, dass Umweltministerin Leonore Gewessler und der Sozialminister die Tempomacher für die Grünen sind. „Die Grünen wollten sich als NGO-Anlaufstelle in Sozialfragen machen, um hier der SPÖ Kompetenzen abzugrasen“, so Thomas Hofer.
Rudi Anschober hat in Sachen Soziales Expertise – für Mückstein sind Pflege und Pensionen Neuland. Wenn die Pandemie zur Endemie wird, steht Mückstein erst vor seinem echten Lackmustest.
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