Ministerin Zadić über Fehler der WKStA: "Werden uns das Urteil genau anschauen"
Diese Woche musste die WKStA eine Pleite einstecken: Das Oberlandesgericht hat den Freispruch für Heinz-Christian Strache im Asfinag-Verfahren bestätigt und die Korruptionsjäger gerügt.
Wie Justizministerin Alma Zadić, die sich bei Kritik immer schützend vor die WKStA gestellt hat, derlei Patzer sieht – und was es braucht, um die Qualität der Justiz zu verbessern.
➤ Hintergrund: Freundschaft, nicht Freunderlwirtschaft: Freispruch für Strache bestätigt
KURIER: Das Oberlandesgericht hat kritisiert, dass die WKStA bei Strache „einige wenige Chats selektiv herausgegriffen“ und andere weggelassen habe. Dadurch sei ein „ganz anderer Eindruck entstanden“. Klingt so, als hätte die WKStA nicht objektiv ermittelt.
Alma Zadić: Eine Staatsanwaltschaft ist dazu verpflichtet, objektiv zu ermitteln, Be- und Entlastendes zu sammeln und zu bewerten.
Offenbar hat die WKStA das aber nicht erfüllt. Wird es Konsequenzen geben?
Wir haben immer wieder Evaluierungen, um zu lernen, was man in Zukunft besser machen kann. Das wird man sich auch hier anschauen.
Vorsätzlich Entlastendes auszuklammern, wäre Amtsmissbrauch. Prüfen Sie das auch?
Das halte ich für eine Unterstellung. Aber wie gesagt: Wir werden uns die Urteilsausfertigung genau anschauen.
Es gibt wiederholt den Vorwurf, die Fachaufsicht würde seit dem internen Justiz-Streit nicht mehr funktionieren. Oder wie erklären Sie sich, dass peinliche Fehler wie bei der Chorherr-Anklage durchrutschen?
Wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Ich habe sehr wohl den Eindruck, dass Dinge sorgfältig geprüft und überarbeitet werden. Die Fachaufsicht erfüllt ihren Auftrag.
Gab es eine Evaluierung der Chorherr-Causa?
Selbstverständlich. Bei der WKStA wurden jetzt Gruppenleiter und eine zusätzliche Stellvertretung der Leitung eingerichtet. Wir wollen die Aufsicht innerhalb der Behörde verstärken, weil dort auch die Ermittlungsarbeit passiert. Die übergeordneten Behörden bekommen in der Regel nur Berichte über die Ergebnisse.
Die Fachaufsicht soll durch einen Generalstaatsanwalt auf neue Beine gestellt werden, es spießt sich aber zwischen Ihnen und Ministerin Karoline Edtstadler (siehe unten). Wie lösen Sie das?
Das müssen Sie die Ministerin Edtstadler fragen. Es gibt ein Konzept, hinter dem die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft und die Justiz stehen, und das unterstütze auch ich.
Gewaltambulanzen
Beim Gewaltschutzgipfel im Dezember kündigte die Koalition Ambulanzen an, in denen Gewaltopfer untersucht und ihre Verletzungen dokumentiert werden sollen. Derzeit mangelt es oft an Beweisen bzw. ziehen Frauen häufig ihre Aussage zurück. Ein erster Teil soll im Herbst kommen.
Sexualstrafrecht
Die Causa Teichtmeister war Auslöser für die Änderung: Die Strafen für den Besitz von Darstellungen von Kindesmissbrauch sollen deutlich erhöht werden, zudem ist ein Tätigkeitsverbot für verurteilte Täter geplant. Der Entwurf war in Begutachtung und wird nach Kritik nun noch angepasst.
Generalstaatsanwalt
Geplant ist, die Weisungsspitze bei Strafverfahren an eine unabhängige Stelle auszulagern. ÖVP und Grüne sind sich in zentralen Punkten aber nicht einig – etwa, ob nun ein Dreiersenat oder eine Einzelperson an der Spitze stehen soll, und welche Kontrollrechte das Parlament bekommen soll.
Warum bestehen Sie auf den Dreiersenaten?
Weil ich davon überzeugt bin, dass es nicht gut ist, wenn zu viel Macht auf eine Person konzentriert ist – sie sollte auf mehreren Schultern ruhen. Derzeit liegt die Weisungsmacht bei mir als Justizministerin, und wir brauchen sicher keinen neuen Mini-Minister.
Sie bleiben also auf Ihrem Standpunkt. Ist Ihnen das Risiko bewusst, dass die ÖVP die Reform vielleicht in der nächsten Legislaturperiode mit der FPÖ als Partner umsetzt – so, wie sie es will?
Es ist ja noch ein Jahr bis zur Wahl, und ich habe die Ambition, diese Reform umzusetzen. Über alles andere – Bestellung und parlamentarische Kontrolle – können wir diskutieren, aber dieses innovative Element, der Dreiersenat, ist für mich nicht verhandelbar.
Unstimmigkeiten gibt es auch beim Kinderschutzpaket. Staatssekretärin Claudia Plakolm wirft Ihnen Untätigkeit vor, weil die Novelle des Sexualstrafgesetzes noch nicht beschlussreif ist.
Ich habe als Einzige, die an diesem Paket beteiligt war, meinen Teil schon in Begutachtung geschickt. Und ich bestehe darauf, dass nicht nur das Strafrecht verschärft wird, sondern dass Kinder auch geschützt werden. Das liegt zum Teil auch im Bundeskanzleramt bei der Staatssekretärin.
Also ist in Wahrheit Plakolm untätig?
Ich würde mir wünschen, dass die Staatssekretärin tut, wofür sie zuständig ist und sich für Kinderschutz einsetzt. Ich halte nichts von Polit-Hickhack, nur, weil sich manche profilieren wollen.
Wie viel Spaß macht Ihnen die Arbeit in der Regierung noch, wenn es ständig Attacken von Kollegen gibt?
Ich habe mit vielen Kollegen bei der ÖVP ein sehr gutes Arbeitsverhältnis. Zum Beispiel schätze ich Karoline Edtstadler sehr, aber auch mit Susanne Raab und Martin Kocher habe ich schon sehr gut zusammengearbeitet.
Warum redet eigentlich niemand über eine Neuauflage von Türkis-Grün?
Schwarz-Grün arbeitet jetzt noch für ein Jahr, und dann schauen wir einmal, was die Nationalratswahl bringt.
Wären Sie gerne wieder Justizministerin?
Ich übe das Amt sehr gerne aus und es gibt vieles, das wir noch umsetzen wollen.
Sie haben kürzlich ein Gesetz ganz in weiblicher Form abgeliefert. Ist das bloß Populismus – oder was wollen Sie damit bezwecken?
Ziel ist es, die Rolle von Unternehmensgründerinnen und von Frauen allgemein sichtbarer zu machen, weil Sprache Bewusstsein schafft. Fast alle Gesetze sind in der männlichen Form geschrieben, und es gibt jeweils den Paragraphen, der besagt, dass sich die männliche Form auf alle Geschlechter bezieht. Diesmal haben wir den Spieß einfach umgedreht.
➤ Kritik und Lob für Gesetzesentwurf in rein weiblicher Form
Was haben Sie im Herbst vor?
Wir bringen die Gewaltambulanzen auf den Weg. Ziel ist es, die Verurteilungsquote zu heben. Derzeit liegt diese bei nur etwa sieben Prozent. Wir brauchen Gerichtsmediziner und geschulte Ärzte, die Spuren von Verletzungen sichern, damit sie vor Gericht verwertbar sind.
➤ 15 Frauenmorde in einem halben Jahr: Jetzt reagiert die Regierung
Es gilt schon als fix, dass Werner Kogler wieder grüner Spitzenkandidat wird. Warum wollen Sie nicht?
Weil ich mir wünsche, dass er unser Spitzenkandidat wird. Er wird von allen, auch von mir, sehr geschätzt.
Vor fünf Jahren waren Sie Abgeordnete bei der Liste Pilz. Wie haben Sie sich seither persönlich entwickelt?
Ich bin es mittlerweile gewohnt, Interviews und Pressekonferenzen zu geben. Das Lampenfieber ist zwar noch nicht ganz weg, aber es geht. Und ich habe lernen müssen, mit Angriffen umzugehen. Meine Strategie: Ich habe angefangen, zu meditieren. Das macht den Kopf frei und schärft den Blick.
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