Wiener Mindestsicherung: Uneinigkeit auch innerhalb der SPÖ
Es war das erste Aufreger-Thema im noch jungen Wahlkampf. In der Vorwoche wurde der Fall einer syrischen Familie mit sieben Kindern in Wien bekannt, die netto 4.600 Euro an Mindestsicherung bekommt. Nun ist es per se nichts Neues, dass die rot regierte Bundeshauptstadt in Sachen Sozialleistungen vergleichsweise großzügig ist. Für ÖVP und FPÖ ist die Causa dennoch ein aufgelegter Elfmeter.
Wiens SPÖ-Sozialstadtrat Peter Hacker verteidigt die geltende Regelung und spricht von einer „Mikrozensus-Debatte“.
Für die gesamte Partei spricht er dabei allerdings nicht: Ein langjähriger Wiener Funktionär schildert gegenüber dem KURIER, dass auch in dieser Frage die Wiener Roten gespalten seien. Und zwar entlang der alten Bruchlinien: Hier die eher linksliberal verorteten Vertreter der Innenstadt-Bezirke, die hinter den hohen Sozialleistungen stehen. Dort die Funktionäre der großen Bezirke am Stadtrand, wo die FPÖ schon gefährlich nahe an die SPÖ herangerückt ist. Sie plädieren für einen restriktiveren Kurs.
Pikanterweise entstammt Bürgermeister Michael Ludwig selbst dem zweiten Lager. „Diese Gruppe hat sich erwartet, dass Ludwig die Wiener SPÖ etwas mehr nach rechts rückt. Dazu ist es aber nicht gekommen. Wenn es um Themen wie eben die Mindestsicherung geht, führt er den Kurs seines Vorgängers Michael Häupl fort“, sagt der Funktionär.
Die Grünen stehen hinter der Wiener SPÖ
Das habe auch mit wahltaktischen Überlegungen zu tun, schildert er. In der insgesamt sehr links-progressiv geprägten Hauptstadt sei es oberstes Ziel der roten Strategen, den Grünen (die in der aktuellen Debatte hinter der SPÖ stehen) Stimmen abspenstig zu machen. „Von der FPÖ sei hingegen nichts zu holen, ist die Überzeugung.“
Die Grundlinie laute daher: Wer in Wien aufhältig ist, hat ein Recht auf würdevolles Leben. Und dieses sei in der Großstadt nun einmal teurer als in kleinen Ortschaften am Land, was Kürzungen der Mindestsicherung schwierig mache. Gleichzeitig tritt man für eine Residenzpflicht für Flüchtlinge ein, um Wien zu entlasten. Was bei den anderen Bundesländern auf taube Ohren stößt.
Leise Kritik aus dem Burgenland
So unterschiedlich die Positionen innerhalb der Wiener SPÖ, so unterschiedlich sind sie auch zwischen den roten Landesorganisationen: „Es ist logisch, dass die Menschen über die Höhe der Sozialleistungen in Wien verwundert sind“, sagt die burgenländische SPÖ-Landesgeschäftsführerin Jasmin Puchwein zum KURIER.
Sie wolle keine Vergleiche mit anderen Bundesländern anstellen, betont sie, verweist dann aber doch darauf, dass das Burgenland bei der Höhe der Mindestsicherung nur an siebenter Stelle liege. Und darauf, dass die dortige Regel in breitem überparteilichem Konsens beschlossen worden sei.
„Wichtig ist, dass die Menschen von den Einkünften ihrer Arbeit leben können“, sagt Puchwein. Deshalb verfolge man das Konzept des Mindestlohns von 2.000 Euro netto. Eine Forderung, die Parteichef Hans Peter Doskozil parteiintern in Opposition zur Gewerkschaft brachte.
Auch Tirol zahlt mehr aus
Vergleichsweise hoch sind die Sozialleistungen hingegen in Tirol. Seitens der dortigen SPÖ heißt es: „Die emotionale Debatte ist angesichts der ohne Zweifel hohen Beträge bei mehrköpfigen Familien verständlich. Es braucht den Kontext: So werden in Tirol die Wohnkosten als Sachleistung erstattet und der Betrag steht nicht frei zur Verfügung.“
Und weiter: „Die Mindestsicherung ist so konzipiert, dass sie kurzfristig und als letztes Auffangnetz Hilfe bieten kann. Gerade in Tirol sind die Kosten für Miete und Lebenserhaltung im Bundesländervergleich hoch, weshalb auch der Vergleich mit Wien zumindest in dieser Hinsicht nicht ganz stimmt.“
Babler unterstützt Ludwig
Doch auf welcher Seite steht Parteichef Andreas Babler? Während es bei anderen Themen mitunter Differenzen gab, ist er hier ganz auf Linie mit der Wiener Parteiführung. Er wolle sich nicht an einer Sommerloch-Debatte beteiligen, „in der Extremfälle herausgegriffen werden, um Stimmung gegen arme Menschen zu machen“, stellte er bereits vergangene Woche klar.
„Die Debatte um die Mindestsicherung wird von Kräften hochgezogen, die immer schon den Sozialstaat aushöhlen wollten“, sagt eine SPÖ-Sprecherin zum KURIER. Sehr wohl sehe man aber Handlungsbedarf, wenn es um die bundesweite Vereinheitlichung der Leistungen gehe. Konkrete Vorstellungen, wie diese im Detail aussehen soll, hat man allerdings noch nicht.
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