Mikl-Leitner: „VP und FP repräsentieren fast zwei Drittel der Wähler“
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hält den schwarz-blauen Koalitionspakt trotz der großen Aufregung für tragfähig.
KURIER: Die Koalitionsverhandlungen sind beendet, ÖVP und FPÖ haben sich geeinigt. Wie fühlen Sie sich jetzt? Erleichtert?
Johanna Mikl-Leitner: Wir haben uns darauf verständigt, eine Zusammenarbeit im Sinne der niederösterreichischen Landsleute einzugehen. Aber jeder weiß, dass das keine Liebesheirat, sondern eine tragfähige Arbeitsbeziehung ist und dass sie auch das Ergebnis der Blockade der SPÖ ist.
Schwarz-Blau hat österreichweit heftige Reaktionen ausgelöst. Haben Sie damit gerechnet, dass so eine Koalition noch immer politisch so hohe Wellen schlägt?
Die Zusammenarbeit mit der FPÖ ist kein Novum. Denken wir nur an Rot-Blau in Kärnten oder im Burgenland. Oder auch Schwarz-Blau in Vorarlberg und jetzt in Oberösterreich. Bei jeder dieser Konstellationen gab es Proteste. Das ist auch zu akzeptieren. Genauso ist aber zu akzeptieren, dass ÖVP und FPÖ in Niederösterreich an die zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler repräsentieren. Das sollte man als Demokrat auch zur Kenntnis nehmen.
Es gibt Aufrufe von Künstlern sowie von Oskar Deutsch von der Israelitischen Kultusgemeinde gegen Schwarz-Blau. Wie gehen Sie damit um?
Zuerst zur Israelitischen Kultusgemeinde: Jeder weiß, dass ich mit Oskar Deutsch seit vielen Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit pflege und mir die Anliegen der jüdischen Gemeinschaft wichtig sind. Ich werde mich auch weiterhin intensiv darum kümmern. Zum Beispiel entsteht ja gerade ein kulturelles Zentrum für jüdische Leben. Und ich habe mittlerweile aus diesem Bereich auch Verständnis für meine Entscheidung erhalten.
Und die Künstler?
Da war es mir am Freitag im Rahmen der Pressekonferenz sehr wichtig, ein ganz klares Signal zu senden, dass selbstverständlich die bisherige Kulturpolitik in Niederösterreich fortgeschrieben wird, dass es weiter ein klares Bekenntnis zu Kunst und Kultur sowie zu den Werten Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz gibt. Ich halte das für einen entscheidenden Motor für die Weiterentwicklung des Bundeslandes. Das wird auch so bleiben, und dafür stehe ich.
Wie war eigentlich das Gesprächsklima bei den Verhandlungen? Im Vorfeld hatte es zwischen Udo Landbauer und Ihnen schon harte Bandagen gegeben …
Es ist ja kein Geheimnis, dass es hier seit Jahren ein angespanntes Verhältnis gibt. Die Verhandlungen waren auch dementsprechend hart, aber professionell.
Es ist üblich, dass man in der Landesregierung per Du kommuniziert. Wie halten Sie es mit Udo Landbauer?
Ich bin mit Udo Landbauer inzwischen per Du. Das heißt aber nicht, dass es politisch zwischen uns nicht noch immer sehr große Unterschiede gibt. Aber wir können normal miteinander reden, das ist ja das Mindeste.
Am meisten diskutiert wird der 30-Millionen-Euro-Fonds, wo es auch darum geht, Menschen jene Bußgelder zurückzugeben, die ihnen wegen Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen verpasst worden sind. War dieser Punkt für das Koalitionsabkommen unabdingbar?
Das Thema Corona hat bei den Verhandlungen eine ganz zentrale Rolle gespielt, und das zurecht, weil wir in den vergangenen drei Jahren gespürt haben, dass die Gräben in der Gesellschaft immer tiefer werden. Das hat zu sehr viel Hass und Streit geführt. Und ja, ÖVP und FPÖ haben sich zum gemeinsamen Ziel gesetzt, diese Gräben wieder zu schließen.
Aber werden jetzt nicht jene vor den Kopf gestoßen, die sich an die Corona-Regeln gehalten haben?
Das ist mir ganz wichtig, das festzuhalten: Der Fonds ist für alle da! Diejenigen, die sich an die Regeln gehalten haben und wegen der Folgen der Pandemie auch Angst hatten, dürfen nicht die Dummen sein. Wir wollen Gräben schließen und nicht Seiten wechseln.
Und welche Strafgelder werden zurückgezahlt?
Da geht es um die Strafen, wo die entsprechenden Verordnungen im Nachhinein vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden sind. Da halte ich es für korrekt, wenn diese verfassungswidrigen Strafgelder nun zurückgezahlt werden. Es braucht einfach beides, wenn wir aufeinander zugehen wollen. Gerade bei der Pandemie haben wir gemerkt, dass niemand immer zu 100 Prozent recht gehabt hat. Weder die Experten, noch die Befürworter der Maßnahmen, noch die Gegner, noch die politischen Parteien.
Nach der Präsentation des Übereinkommens wurde fast ausschließlich über den Corona-Fonds diskutiert. Was ist für Sie abgesehen davon der wichtigste Punkt dieser neuen Koalition?
In dem Papier stehen sehr viele Projekte und Themen. Entscheidend ist: Die Menschen sehnen sich nach Normalität und nach Antworten auf ihre Sorgen. Da haben wir mit strengeren Regeln für die Integration, mit dem Ausbau des Landes der Eigentümer und mehr Hilfe in den Bereichen Soziales und Gesundheit doch einiges vereinbart. Dazu zählt der Pflegescheck, der den zu Pflegenden zugutekommen soll. Da geht es um rund 1.000 Euro pro Jahr. Das Geld kann etwa für Behelfe in der Pflege verwendet werden.
Und das Thema Kinderbetreuung, das der SPÖ in den Verhandlungen sehr wichtig gewesen ist?
Das Thema Familie ist zentral im Abkommen. Es geht um Wahlfreiheit für die Eltern. Die Kinderbetreuungsoffensive, die bereits beschlossen ist, wird natürlich umgesetzt. Da investieren wir in die Kleinstkinderbetreuung. Wir wollen aber auch jene unterstützen, die sich bewusst dafür entscheiden, ihre Kinder zu Hause zu betreuen.
Der Gratiskindergarten am Nachmittag wird aber nicht kommen.
Nein. Wir bleiben bei dem Modell: vormittags gratis und nachmittags leistbar. Und in sozialen Härtefällen haben die Gemeinden natürlich jetzt schon die Möglichkeit, das kostenlos anzubieten.
Bis zum Schluss haben viele vermutet, dass es trotz der Verhandlungen mit der FPÖ am Ende eine Koalition mit der SPÖ geben wird. War der Bruch nicht mehr zu kitten?
Wir sind bei den Verhandlungen als stärkste Partei zuerst auf die SPÖ, die drittstärkste Kraft, zugegangen. Damit ist meine eigentliche Präferenz ja relativ leicht erkennbar. Ich verstehe, dass die jungen Wiener Spindoktoren in der SPÖ Niederösterreich nun ein Problem gegenüber ihrer Basis haben. Sie müssen sich rechtfertigen, dass sie nicht in der Lage sind, wie normale Erwachsene miteinander an einem Tisch zu sitzen und miteinander zu verhandeln. Die Verhandlungszeit wurde von der SPÖ als öffentliche Zirkusshow genutzt. Mit einer Fülle an ideologischen Forderungen, die nicht einmal in SPÖ-geführten Ländern umgesetzt werden. Die SPÖ wollte, dass die Verhandlungen scheitern, anders ist ihre Strategie nicht zu erklären.
Aber wie geht es weiter? Die SPÖ ist wegen des Proporzsystems mit zwei Personen in der Regierung vertreten.
Selbstverständlich werden wir jetzt auch mit der SPÖ reden. Deren Regierungsmitglieder müssen auch Verantwortung übernehmen. Allerdings hat die SPÖ – genauso wie die ÖVP – bei der Wahl verloren. Das heißt, dass man auch Kompetenzen abgeben muss. Darüber wird man in den nächsten Tagen reden müssen.
Hat sich FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl in die Verhandlungen eingemischt?
Mein Gegenüber waren bei den Verhandlungen Udo Landbauer und sein Team und sonst niemand.
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