Lunacek-Rücktritt: Wenn der Wind um die Ohren pfeift
Ein bisschen peinlich ist es schon für die Grünen: Nach nicht einmal 20 Wochen in der Bundesregierung verlieren sie ihr erstes Kabinettsmitglied.
Würde es sich um die FPÖ handeln, würde sich sofort die Frage nach der Regierungstauglichkeit aufdrängen.
Wie verhält es sich nun bei den Grünen? Ist der Rücktritt von Ulrike Lunacek ein erstes Warnzeichen für mangelnde Stabilität?
Laut den Recherchen des KURIER hat der Rücktritt der Staatssekretärin keine negativen Auswirkungen in der Koalition. Am Freitag, dem Tag des Rücktritts, waren jedenfalls nur freundliche Töne aus beiden Regierungsparteien zu hören.
Türkis über Grün: „Die Kritik der Künstler war zum Teil hart und beleidigend. Die Grünen sind es nicht gewöhnt, kritisiert zu werden. Die haben nicht so eine dicke Haut wie die geeichten Funktionäre in der ÖVP oder auch der SPÖ.“
Grün über Türkis: „Der Bundeskanzler war am Donnerstag am Abend über den bevorstehenden Rücktritt informiert. Er hatte keinen leichten Auftritt in der ZiB2. Sebastian Kurz hätte mit Lunacek und ihrem Rücktritt billige Punkte machen und vom Kleinwalsertal ablenken können. Hat er aber nicht.“
Entwarnung also in der Koalition.
Wie geht es nun weiter?
Vizekanzler Werner Kogler wird aus dem Vorfall seine Lehren ziehen. Er wird nicht noch einmal jemanden auf das glatte Kunst- und Kulturparkett schicken, der oder die sich dort nicht zu bewegen weiß. Lunacek ist eine versierte Europapolitikerin, aber in der Kunstszene wurde sie nicht akzeptiert und heftig attackiert. Kogler meinte am Freitag sinngemäß, dass eine Diskussion über seine Personalbesetzung wohl legitim sei.
Das führt schnurstracks in Richtung Nachfolge.
Es wird eine Frau
Das geben die grünen Statuten vor, die eine strenge Quotenregelung zur Frauenförderung beinhalten.
Es wird höchstwahrscheinlich keine Parteifunktionärin, sondern eine Quereinsteigerin. Das ließ Kogler bei seiner Pressekonferenz am Freitag durchblicken.
Und es wird jemand, die in der Kunst- und Kulturszene zu Hause ist.
Als heißer Tipp kursierte am Freitag eine ranghohe Mitarbeiterin von Bundespräsident Alexander Van der Bellen: die Leiterin der Präsidentschaftskanzlei, Andrea Mayer.
Vor ihrem Wechsel in die Präsidentschaftskanzlei war Mayer (vormals Ecker) zehn Jahre Beamtin im Kunstministerium gewesen. Begonnen hat sie unter Rudolf Scholten, unter Claudia Schmid wurde sie Kunst-Sektionschefin.
Mayer würde eine wichtige Voraussetzung mitbringen. „Wir brauchen jetzt jemanden, der sofort voll in den Betrieb einsteigen kann, lange Einarbeitungsphasen können wir uns nicht mehr leisten“, heißt es im Umfeld der Grünen.
In der Filmszene wurde auch die Schauspielerin Mercedes Echerer gehandelt, die von 1999 bis 2004 als Parteiunabhängige für die Grünen im EU-Parlament saß.
Die Kultursprecherin der Grünen im Parlament, Eva Blimlinger, wird ebenso als mögliche Kunst-Staatssekretärin genannt wie Bildungssprecherin Sybille Hamann. Weitere Namen: Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler und die grüne Ex-Kultursprecherin Marie Ringler.
Lange wird sich Kogler mit der Nachfolge nicht Zeit lassen. Über das Wochenende führt er Gespräche mit den Mitgliedern des Bundesvorstands, bereits am Montag könnte der Erweiterte Bundesvorstand die Personalwahl bestätigen, heißt es bei den Grünen. Ein Bundeskongress ist nicht notwendig.
Angelobung folgt
Die Angelobung der neuen Staatssekretärin dürfte nächste Woche erfolgen.
Lunacek wird zwar von niemandem Negatives nachgesagt, aber es heißt in Regierungskreisen, dass in den kommenden Monaten wohl alle Regierungsmitglieder eine dicke Haut brauchen würden.
Nicht, dass Türkis und Grün mit innerkoalitionären Streitereien rechnen. Sondern man rechnet mit Attacken von außen. Ein Regierungsinsider: „Die Corona-Krise haben wir übertaucht. Wenn jetzt die Wirtschaftskrise kommt, wird uns ein ziemlich rauer Wind um die Ohren pfeifen. Da werden wir einiges an Kritik aushalten müssen.“
Lunacek habe die heftigen Attacken gegen ihre Person nicht durchgestanden. Möglicherweise sei das auch auf ihre Geschichte zurückzuführen. Lunacek war Spitzenkandidatin bei jener Nationalratswahl, bei der die Grünen aus dem Parlament flogen. Eine Grüne: „Gut möglich, dass sie nach diesem Tiefschlag immer noch an Unsicherheit laborierte.“
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