Wollte Schilling zu den Linken? SPÖ-Politiker bezweifelt das

Wollte Schilling zu den Linken? SPÖ-Politiker bezweifelt das
Die EU-Spitzenkandidatin der Grünen hat laut "Standard" noch im November "Hass auf die Grünen" geäußert. Schilling wehrt sich, ein SPÖ-Mann stützt ihre Version.

Lena Schilling, Spitzenkandidatin der Grünen bei der EU-Wahl, soll gegenüber ihrem näheren Umfeld geäußert haben, die Partei direkt nach der Wahl wieder zu verlassen. Darüber berichtet am Dienstag der Standard. Eine, wohl mittlerweile ehemalige, Freundin Schillings soll behaupten, die 23-Jährige habe gegenüber Freunden mit einem direkten Wechsel in die Linksfraktion nach der Wahl geliebäugelt.

Ende Jänner habe Schilling laut Standard zudem in einem privaten Chat geschrieben: Am 24. Februar werde sie zur EU-Spitzenkandidatin gekürt, "dann bin ich gewählt, und die Grünen können nichts mehr machen muhahha". Ob sich das tatsächlich auf Wechselabsichten bezogen haben soll, geht aus dem zitierten Chat nicht hervor.

SPÖ-Politiker bekräftigt die Version Schillings

Schilling weist die Überlegungen in einer öffentlichen Stellungnahme als "falsch" zurück: "Freund:innen, die in anderen Parteien organisiert sind, haben dies in den Raum gestellt. Ein solcher Schritt ist für mich absolut ausgeschlossen. Ich trete für die Grünen an, weil es die einzige Fraktion ist, die ernsthaft für den Klimaschutz kämpft."

Unterstützt wird Schillings Version öffentlich von Gabriel Hofbauer-Unterrichter, SPÖ-Politiker in Wien Alsergrund. Er sei "bei besagtem Gespräch" dabei gewesen. Man habe im Laufe eines "privaten, feuchtfröhlichen" Abends darüber gescherzt, was Schilling mit ihrem Mandat anstellen könnte.

Er könne "bestätigen, dass die Idee nach der Wahl der Linksfraktion beizutreten nicht von Lena Schilling kam, sondern von anderen scherzhaft in den Raum gestellt wurde und Lena in keiner Weise ernsthaft darauf eingestiegen ist", sagt Hofbauer-Unterrichter. "Ich selber bin SPÖ-Mitglied, die andere anwesende Person ist ehemaliges SPÖ-Mitglied." Schillings Freundeskreis sei stark von der Wiener Linken geprägt und ihrer Kandidatur für die Grünen sehr kritisch gegenüber gestanden.

Aber*: Der Abend mit Schilling hat laut Hofbauer-Unterrichter Ende März stattgefunden. Er steht nicht im direkten Gegensatz zur Version des Standard, dessen Artikel sich auf "Chats und Gespräche" im Jänner und Februar beziehen soll.

*Update: Der Absatz, dass das Gespräch zwischen Gabriel Hofbauer-Unterrichter, Lena Schilling und einem ehemaligen SPÖ-Mitglied Ende März stattgefunden haben soll, wurde um 19:54 Uhr ergänzt.

Schilling: "Niemanden so sehr gehasst" wie die Grünen

Ein Chat, der dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel vorliegt, soll wiederum zeigen, dass Schilling noch vor wenigen Monaten ein sehr gespaltenes Verhältnis zu den Grünen pflegte. Ende November 2023 habe sie geschrieben, ihr ganzes Leben lang "niemanden so sehr gehasst" zu haben wie die Grünen. Kurz darauf begannen die offiziellen Gespräche mit der grünen Parteispitze über die Spitzenkandidatur bei der EU-Wahl. Sie sehe sich nicht als Grüne, "aber vielleicht kann ich das lernen".

Weiters soll Schilling ihrem Umfeld gegenüber die Sorge geäußert haben, bei einer EU-Kampagne "verbrannt" zu werden. Laut Standard habe sie das auch Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer mitgeteilt. 

Verhältnis zu Grünen "stark geändert"

Schilling meint hierzu in oben genannter Stellungnahme: Sie habe zu den Grünen sehr lange ein sehr kritisches Verhältnis gehabt, das sich in den letzten Jahren aber "stark verändert" habe – insbesondere durch die Kandidatur. "Im privaten Umfeld habe ich diese Kritik auch sicher hart geäußert. Was mir aber schon länger klar war – auch in der Phase großer Skepsis – war, dass ich im Klimaschutz nur mit den Grünen gemeinsam etwas verändern kann", so Schilling.  

Ihre Sorge, bei einer Kandidatur Schaden zu nehmen, habe sie den Grünen Ende November 2023 kommuniziert, bestätigt sie. Sie komme aus einer "sozialistisch-kommunistischen Familie" und sei "in der Wiener Linken sozialisiert, wo die Grüne Partei aufgrund ihrer pragmatischen Haltung und ihrer Rolle als Partei in einer Koalition mit der ÖVP sehr kritisch gesehen wird", erklärt Schilling ihre damalige Kritik.

"Weitere Episode im Tabubruch"

Schilling äußert auch grundsätzliche Kritik zur Berichterstattung. Sie ortet eine "weitere Episode im Tabubruch" und stellt klar: "Ich möchte festhalten, dass ich davon ausgehen muss, dass die Fragen des Redakteurs auf Ausschnitten in höchstpersönliche Konversationen mit meinem damals engsten Umfeld beruhen." Ihre damalige Freundin Veronika Bohrn Mena habe ihr "von der Kandidatur abgeraten und versucht, die Grünen in ein schlechtes Licht zu rücken". Von Bohrn Mena würde auch ein Teil der Chats stammen, ein anderer von einer "anderen Freundin aus der SPÖ", so Schilling.

Das Aktivisten-Ehepaar Sebastian und Veronika Bohrn Mena hat Schilling bekanntlich geklagt, weil sie unter anderem falsche Vorwürfe der häuslichen Gewalt gegen die beiden erfunden und verbreitet haben soll. Die Geschichte war Auslöser über eine breitere Debatte über Schillings Charakter, die den Wahlkampf der Grünen überschattet. 

"In meinem absolut privaten Umfeld gab es in den vergangenen Monaten Zerwürfnisse und Situationen, in denen sehr viel Druck auf mich ausgeübt wurde, meine Kandidatur zurückzuziehen", meint Schilling. Für sie sei der beste Ort, um den Kampf für den Klimaschutz zu verfolgen, jedenfalls Brüssel.

Schilling: "Das ist beschämend"

Dienstagabend stellte sich Schilling – wie alle EU-Spitzenkandidaten der Parlamentsparteien – einer KURIER- Diskussion in Wiener Neustadt. Und auch hier  wies sie die Behauptung, sie hätte zur Linkspartei wechseln wollen „in aller Härte“ zurück. „Die Linkspartei ist ganz, ganz weit weg von meiner Meinung“, so Schilling, die das auch an Inhalten festmacht:  „Ich stehe für Klimapolitik  – da ist die Linkspartei nicht dabei.“ Auch beim Selbstverteidigungsrecht Israels oder bei der Solidarität mit der Ukraine  vertrete die Linkspartei völlig andere Ansichten als sie. 

Die nun publik gewordenen Chats bzw. Behauptungen erklärt Schilling damit, dass ehemalige Freunde  enttäuscht seien, dass sie nun für die Grünen kandidiere. Dass diese Menschen Privates in die Öffentlichkeit tragen, bezeichnet sie als „beschämend“.

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