Ländervergleich: Wo Österreich deutlich vor Deutschland liegt
Schon seit 2017 schlägt sich Österreichs Wirtschaft deutlich besser als die deutsche. Die Gründe dafür sind vielfältig und haben mit der größeren Bedeutung der kriselnden Autoindustrie für Deutschland zu tun und mit der insgesamt wesentlich globaleren Ausrichtung. Auch bei den Hilfsmaßnahmen gegen die Teuerung hat Österreich die Nase klar vorne, wie die türkis-grüne Bundesregierung am Mittwoch aufgezeigt hat. Deutschland gegen Österreich - ein Ländervergleich.
Industrie? 1:0 für Österreich
„Wenn Deutschland einen Schnupfen hat, bekommt Österreich die Grippe“: Dieser seinerzeit beliebte Spruch zur wirtschaftlichen Abhängigkeit von Österreichs wichtigstem Handelspartner „hat seine Gültigkeit verloren“, sagt Nationalbank-Experte Gerhard Fenz. Und meint: „Heute müsste es heißen: „Wir haben eine Verkühlung, Deutschland hat die Grippe.“
Was meint der Experte? Nun, während hierzulande trotz aller Probleme für 2023 sogar ein kleines Wachstumsplus von 0,3 bis 0,5 Prozent vorhergesagt wird, erwarten Fachleute ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft (-0,6 Prozent). Und diese Entkopplung hält auch schon länger an. Über alle Sektoren hinweg ist die österreichische Wirtschaft seit 2017 um in Summe 4,5 Prozentpunkte schneller gewachsen als die deutsche. Fenz weiß: „Das ist angesichts der starken Verflechtung mit der deutschen Wirtschaft eine bemerkenswerte Entwicklung.“
Industrieschwäche: Ein zentraler Grund dafür ist die stärkere Performance der heimischen Industrie. Von 2017 bis heute betrug die kumulierte Wachstumsdifferenz zwischen der deutschen und der österreichischen Industrie immerhin 23 Prozentpunkte. Der Automobilsektor spielt dabei eine zentrale Rolle.
Auto-Industrie zentral: Denn, die Auto-Industrie hat in Deutschland ein wesentlich größeres Gewicht (4,9 Prozent versus 1,7 Prozent Anteil an der Wertschöpfung) und durchlebte zudem schwierige Jahre (inklusive Dieselskandal, zögerlicher Einstieg in die E-Mobilität etc.). Seit Anfang 2021 tragen auch andere Industriesektoren zur Wachstumsdifferenz bei. Dadurch fiel auch das deutsche Exportwachstum merklich geringer aus.
Abhängigkeit von China: Die deutsche Industrie ist auch wesentlich globaler ausgerichtet als die österreichische – insbesondere in Richtung China (zweitwichtigster Handelspartner, für Österreich nur Platz 10). Dadurch haben sich internationale Handelskonflikte, die Lieferkettenprobleme sowie Materialengpässe in Deutschland viel stärker negativ bemerkbar gemacht.
Arbeitskräftemangel: Nicht zuletzt schlägt auch der demografische Wandel in Deutschland stärker zu. Das bedeutet, dass der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel der deutschen Wirtschaft bereits stärker zusetzt. Dazu kommt in Deutschland laut Fenz im Vergleich ein Investitionsrückstau im privaten wie im öffentlichen Bereich.
Teuerung? 2:0 für Österreich
Nur Luxemburg soll mehr Geld für Maßnahmen gegen die Teuerung ausgegeben haben als Österreich. Das gab die türkis-grüne Bundesregierung am Mittwoch bekannt. Und im Vergleich mit einem Deutschen wird ein Österreicher um gar 636 Euro stärker entlastet. Die Pro-Kopf-Entlastung in Österreich beträgt 4.147 Euro, in Deutschland 3.511. Experten schätzen die Berechnungen des Brüsseler Thinktanks Bruegel, denen diese Zahlen zugrunde liegen, als plausibel ein.
„Österreichs hatte den Ansatz, viel Geld zu verteilen. Das geschah aber oft mit der Gießkanne“, sagt Oliver Picek, Ökonom des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts. Österreich sei administrativ offenbar nur dazu in der Lage, Geld an alle oder an die Ärmsten auszuzahlen, so Picek. „Wenn es um die Zielsicherheit der Maßnahmen geht, ist Österreich sehr schlecht aufgestellt“, meint auch Ökonom Jan Kluge vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria.
Bemerkbar ist das etwa bei Einmalzahlungen wie dem 300-Euro-Teuerungsausgleich, den nur Sozialhilfeempfänger oder Mindestpensionisten erhielten. „Es gibt eine breite Gruppe in der unteren Mittelschicht, die diese Einmalzahlungen auch bräuchte, davon aber nicht profitiert. Da klafft eine Lücke“, meint Picek.
Einmalzahlungen oder Preisbremsen?
Kluge hält wiederum genau jene Maßnahmen, die vorzugsweise der Armutsprävention dienten, für die besseren. „Es wäre richtig gewesen, Bedürftige zu identifizieren, ihre Verluste zu valorisieren und ihnen gezielt zu helfen.“ Laut Fiskalrat haben Österreichs Maßnahmen die niedrigsten Einkommen gut erreicht.
„Aber Besserverdiener profitieren auch und somit wurde wahrscheinlich zu viel ausbezahlt“, sagt Kluge. Er plädiert deshalb dafür, eben im kommenden Jahr hauptsächlich bedürftigen Haushalten zu helfen. Eingriffe bei der Preisbildung – etwa einen Gaspreisdeckel – lehnt die Agenda Austria ab. Diese seien nicht treffsicher und würden Sparmaßnahmen konterkarieren.
Picek widerspricht: „Ich verstehe dieses Argument, aber die inflationsdämpfende Wirkung von Preisbremsen wird unterschätzt.“ Frankreich und Spanien hätten stärker auf preissenkende Maßnahmen gesetzt und deshalb auch eine niedrigere Inflationsrate. Picek spricht sich deshalb für Preisbremsen auf Mieten und Gas, sowie für ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel aus. Wer die Lebenserhaltungskosten auf Grundbedürfnisse senke, helfe der Großmutter in der teuren Mietwohnung mit Gasheizung deutlich mehr als jener im energieeffizienten, abbezahlten Eigentumshaus.
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