Kurz und Kogler: Gibst du mir, so geb’ ich dir
Die türkis-grüne Bundesregierung ist fünf Monate im Amt, und es stellt sich ein etwas ernüchterter Beziehungsalltag ein. Nach dem Zusammenrücken in der Corona-Krise, in der es wenig um Ideologie und viel um pragmatisches Krisenmanagement ging, sind nun wieder vermehrt politische Diskussionen gefragt. Und treten logischerweise die Unterschiede der ungleichen Partner zutage. "Das Beste aus beiden Welten" hat Bundeskanzler Sebastian Kurz der Bevölkerung versprochen. Man wird demnächst überprüfen können, ob es tatsächlich in diese Richtung geht.
Am kommenden Montag und Dienstag halten Türkis und Grün eine Regierungsklausur ab. Sie wird ohne den üblichen Ausflug aufs Land in der schnörkellosen Arbeitsatmosphäre des Kanzleramts stattfinden. Das Generalthema wird lauten: Wie bekommt man das Wirtschaftswachstum möglichst bald wieder auf Vorkrisenniveau?
Auftakt für neue Phase
Seit Tagen arbeiten Teams von ÖVP und Grünen an der Vorbereitung der Klausur. Sie soll nach den vielen Hilfspaketen, die der Symptombekämpfung dienen, den Auftakt in die Therapiephase darstellen.
Wie aus den regierungsinternen Vorbereitungen zu hören ist, findet zwischen den Parteien ein reger politischer Tauschhandel statt. "Es wird halt viel junktimiert", heißt es aus Verhandlerkreisen. Will der eine das, fordert der andere jenes – ein Verhalten, das frappant an vergangene rot-schwarze Koalitionen erinnert.
Beispiele für Tauschhandel
Der Unterschied scheint zu sein, dass sich Türkis und Grün gegenseitig Projekte zugestehen und nicht abwürgen. Einige Beispiele:
Die ÖVP will ihrer Klientel in der besonders betroffenen Gastronomie und Hotellerie auf die Beine helfen. Wie der Kanzler im KURIER am vergangenen Sonntag bereits ankündigte, könnte es temporäre Mehrwertsteuersenkungen geben, um in diesem Bereich den Konsum anzukurbeln.
Die Grünen junktimieren ihre Zustimmung zu Unternehmenshilfen mit Forderungen für die Kultur- und Eventveranstalter, die sie zu ihrer Klientel zählen.
Türkis-grüne Additionen
Auch in der Steuerpolitik zeichnet sich eine Addition aus Türkis und Grün ab. Die ÖVP wird klassische Entlastung durch Steuersenkung verkünden, die Grünen könnten, so ist zu hören, eine Art Negativsteuer für jene Gruppen herausschlagen, deren Einkommen unter der Steuergrenze liegt, und die daher von einer Steuersenkung nichts haben. Diese Maßnahme verbirgt sich hinter dem Titel "Armutsbekämpfung" in der Themenankündigung für die Regierungsklausur.
Bei den Investitionen soll die grüne Handschrift im Bereich Klimaschutz sichtbar werden. Dem Vernehmen nach soll zu den angekündigten 300 Millionen Investitionen in den Nahverkehr und den 200 Millionen für den Gewässerschutz noch einiges hinzukommen.
Gewitter niedergegangen
Wie berichtet, sind zwischen Türkis und Grün in den vergangenen Wochen die ersten Gewitter niedergegangen. Vizekanzler Werner Kogler hatte sich über die restriktive Haltung des Kanzlers bei der Finanzierung von EU-Wirtschaftshilfen beschwert. Kurz wiederum war über Justizministerin Alma Zadić erbost, weil sie Sektionschef Christian Pilnacek die Aufsicht über die Staatsanwaltschaften entzieht. Den Streit um die Justiz hat Kogler in einem Gespräch mit Kurz beigelegt – zumindest vorerst.
"Inzwischen haben wir Heikles wie die AUA-Rettung bewältigt, es läuft also wieder", heißt es in der Koalition. Der neue Alltag sei "aufwendig, aber spannend".
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