Kurz-Ankläger Adamovic will WKStA verlassen - was steckt dahinter?
Sie galten als die "Fantastischen Vier" der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) - aber das ist jetzt Geschichte: Gregor Adamovic hat sich beim Landesgericht St. Pölten als Richter beworben. Christina Jilek hat die Korruptionsbehörde in Richtung EU verlassen. Sie wurde im April zur Staatsanwältin bei der Europäischen Staatsanwaltschaft in Luxemburg ernannt.
Eine weitere bekannte WKStA-Vertreterin, Mediensprecherin Elisabeth Täubl, ist seit 1. April beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag.
Dass Adamovic den Posten in Niederösterreich bekommt, ist noch nicht fix. Die Bewerbungsfrist läuft morgen, Freitag, aus.
Fest steht aber:
Dass er gehen will, sorgt in der Justiz-Szene für Erstaunen. Er ist bzw. war der mit Abstand prominenteste Vertreter der WKStA und galt als extrem engagiert. Ex-ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin und Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz hat er bereits angeklagt, das Finale in der Inseraten-Causa lässt er sich jetzt aber entgehen.
Entsprechend intensiv wird nun über seine Beweggründe spekuliert. Der KURIER hat sich umgehört.
Zielscheibe
Eine Erzählung, die sich quer durchzieht, ist, dass es in der Behörde mittlerweile eine "große Frustration" gibt - nicht bei allen, aber bei all jenen, die mit ihren Fällen besonders oft im Rampenlicht stehen und entsprechend oft zur Zielscheibe werden. Adamovic hat da sicherlich das meiste abbekommen.
Im Falschaussage-Prozess, in dem Ende Februar ein (nicht rechtskräftiges) Urteil gefallen ist, waren Ex-Kanzler Sebastian Kurz, sein früherer Kabinettschef Bernhard Bonelli und die Verteidiger von Tag eins an mit dem Ankläger auf Konfrontationskurs:
So warfen sie der WKStA offen vor, sie würde Beweismittel absichtlich falsch interpretieren, politisch motiviert ermitteln und damit das Geschäft der Opposition machen. Ein Vorwurf, der glatten Amtsmissbrauch bedeutet und den Adamovic und Koch immer strikt zurückgewiesen haben.
Keine Rückendeckung
Der nächste Punkt schließt hier gleich an: Adamovic und Koch wehrten sich, von ihrer Behördenleiterin aber war kein Wort zu hören. In der WKStA hätte sich manch einer erwartet, dass Ilse Vrabl-Sanda irgendwann einmal ausrückt und sich schützend vor ihre Oberstaatsanwälte stellt, erzählt man sich.
Die WKStA wiederum hätte sich mehr Rückendeckung vom Justizministerium erwartet. Alma Zadic ist aber ihrem Credo, sich nie in Einzelstrafsachen einzumischen, treu geblieben.
Fehlerkultur
Nächster Punkt: die Fehlerkultur in der WKStA. Bis heute gab es intern keine Aufarbeitung der BVT-Affäre. (Zur Erinnerung: 2018 fand auf Anordnung der WKStA eine Razzia im Verfassungsschutz statt, diese wurde später teilweise als rechtswidrig erkannt.) Eine alte Wunde, die jetzt, angesichts der Spionage-Affäre rund um Egisto Ott, wieder aufplatzt.
Meinungsverschiedenheiten
Was aber war der Knackpunkt, warum geht er gerade jetzt? Dazu gibt es ein Gerücht, das schon länger kursiert. Demnach soll es rund um die Casag-Causa, die "Mutter" aller Verfahren im Ibiza-Komplex, Meinungsverschiedenheiten gegeben haben.
Adamovic, so erzählt man sich, habe den ehemaligen Casinos-Finanzvorstand Peter Sidlo sowie Harald Neumann und Johann Graf, Novomatic, anklagen wollen. Seine Teamkollegen sollen aber skeptisch gewesen sein.
Kürzlich wurden die Ermittlungen zur Casag-Causa abgeschlossen - bzw. hat die WKStA einen Vorhabensbericht an ihre Oberbehörden geschickt. Welche Vorgehensweise darin vorgeschlagen wird, ist nicht überliefert.
Möglich, dass das Ergebnis nicht dem entsprach, was Adamovic für das Richtige hielt. Aber auch das ist reine Spekulation. Und das letzte Wort über Anklage oder Einstellung haben ohnehin die Justizministerin und ihr Weisungsrat.
Dasselbe gilt übrigens für den Kronzeugen-Antrag von Thomas Schmid - auch hier hat die WKStA kürzlich einen Vorhabensbericht geschickt.
Adamovic sei aber nur einer aus einer langen Liste an Abgängen, und diese hätten auch mit den Strukturen und der Organisation der WKStA zu tun, hört man von anderer Seite. Immer noch gebe es zu wenig Personal und zu wenig Unterstützung.
Der Job ist nicht gerade ein 38,5-Stunden-Job, und die vergangenen fünf Jahre (seit Platzen der Ibiza-Affäre) waren aufreibend. Möglich, dass Adamovic, Jilek und Täubl jetzt einfach kürzer treten und sich einer anderen Aufgabe widmen wollen, heißt es da.
200 Ermittlungen bei 45 Staatsanwälten
Die WKStA, die sich grundsätzlich zu Personalia nicht äußert, meldete sich am Donnerstag mit einer ausführlichen Aussendung zu Wort, um nach ersten Medienberichten "weiteren Fehlinformationen vorzubeugen".
Was den Wechsel von Täubl, die zuletzt Mediensprecherin der WKStA war, betrifft, so habe die Bewerbungsphase für den IStGH bereits vor fast zwei Jahren begonnen. Auch Jileks Wechsel sei lange avisiert gewesen, heißt es in der Aussendung.
Der Sorge, dass die Casinos-Ermittlungen wegen der Abgänge jetzt ins Stocken geraten könnten, weist die WKStA zurück: Dem Ermittlungsteam, das im Casag-Verfahrenskomplex ermittelt, seien "mehr Personen zugeteilt als die genannten".
Bei der WKStA sind derzeit mehr als 200 Ermittlungsverfahren anhängig, rund 45 Staatsanwälte sind dort tätig. In umfangreichen und komplexen Verfahren werden Ermittlungsteams gebildet - innerhalb dieser Teams komme es immer wieder vor, dass Mitarbeiter Funktionswechsel vollziehen.
Solche Wechsel könnte man auch positiv sehen, so schreibt die WKStA nämlich weiter: "Aufgrund der besonderen Erfahrungen und Qualifikationen finden die Staatsanwält:innen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Bewerbungsverfahren um andere Funktionen sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene entsprechend oft Berücksichtigung."
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