Kuchl fügt sich seinem Schicksal: Ruhiger Start der Quarantäne
1.747 – das ist der neue Rekord an positiven Corona-Testungen, der von Freitag auf Samstag verzeichnet wurde.
Um die Statistik gab es am Samstag einige Verwirrung, da zunächst eine weit höhere Zahl kolportiert worden war. In Wien war die Rede von mehr als 800 Neuinfektionen. Ein Sprecher von Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) protestierte via Twitter gegen die „Falschinformation“ – und korrigierte die Zahl auf 599.
Verstimmung gab es auch in Niederösterreich bei kolportierten 411 Neuinfektionen. Die Sanitätsdirektion verzeichnete tatsächlich nur 225. Der extreme Unterschied in der Darstellung der Zahlen sei ein „Ärgernis, das zur Verunsicherung der Bevölkerung beiträgt“, sagte der Sprecher von Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ).
Regierung wartet zu
Erst am frühen Nachmittag, später als gewohnt, lieferten Innen- und Gesundheitsministerium dann die korrekte Statistik (siehe Info-Box unten). Grund für die Verzögerung sollen technische Probleme gewesen sein.
Tatsache ist aber: Der bisherige Höchstwert von Donnerstag mit 1.552 Positiv-Testungen wurde am Samstag getoppt. Für die Bundesregierung ist das (noch) kein Grund zur Aufregung – es bleibt dabei: Bundesweite Verschärfungen der Corona-Maßnahmen werden, wie geplant, erst am Montag in einer Videokonferenz mit Vertretern der Länder diskutiert, heißt es auf KURIER-Anfrage.
Im Raum stehen eine strengere Maskenpflicht, weitere Beschränkungen bei Veranstaltungen sowie eine Vorverlegung der Sperrstunde.
7-Tages-Wert ist hoch
Tatsache ist auch, dass die 7-Tages-Inzidenz – jener Wert, der längerfristig zeigt, wie sich die Infektionen entwickeln – bedenklich hoch ist: Die Top 3 bilden Tirol mit 152,4 Fällen pro 100.000 Einwohner, Wien mit 146,9 und Salzburg mit 139,9 (Stand 18.00 Uhr).
In Salzburg traten am Samstag bereits strengere Regeln in Kraft, im stark betroffenen Ort Kuchl begann die 14-tägige Quarantäne.
Kuchl ist abgeriegelt
„Es ist fast wie ausgestorben“, berichtet Pankraz Seiwald, Gastwirt im Ortszentrum, Samstagmittag, zwölf Stunden nach Verhängung der Quarantäne. Nach der teils heftigen Kritik an der Maßnahme der Landesregierung und der Aufregung um die verweigerte Kooperation mit den Behörden haben sich die Kuchler mit der Quarantäne offenbar arrangiert.
„Beim Metzger ist relativ viel los, man merkt, dass die Leute wieder zu Hause kochen. In der Bäckerei sagen sie, so ruhig hätten sie es sich nicht vorgestellt“, sagt Seiwald. Doch die Diskussionen zu dem Thema sind nicht beendet. „Die einen sagen, da müssen wir jetzt durch, die anderen sagen, es ist völlig übertrieben“, meint der Wirt.
Denn während die Quarantäne über mehrere Gemeinden im Land und sogar das ganze Bundesland Tirol im Frühjahr ziemlich geräuschlos über die Bühne ging, gibt es nun in Kuchl erstmals deutlichen Widerstand gegen die Maßnahme. Bürgermeister Thomas Freylinger (ÖVP) hat eine Erklärung, warum das so ist.
Zu den Corona-Infektionen kursieren verschiedene Zahlen. Der KURIER hat darüber mit Gerald Hesztera vom Staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagements (SKKM) gesprochen. Er erklärt das Prozedere so: Im SKKM werden immer vormittags die aktuellen Infektionszahlen aus den Bundesländern eingemeldet. Anschließend gehen Experten von Innen- und Gesundheitsministerium die Zahlen gemeinsam mit Vertretern der Länder durch. Veröffentlicht wird die detaillierte Statistik dann meist gegen 10 oder 11 Uhr.
Das Gesundheitsministerium führt daneben noch eine eigene Statistik: Das Online-Dashboard der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) wird täglich um 14 Uhr aktualisiert.
Das Datenmaterial ist dasselbe, der Unterschied besteht in Zeitpunkt und Art der Auswertung: Die AGES korrigiert ihre Verlaufskurve, wenn vom Vortag Nachmeldungen kommen. Beim SKKM wird hingegen täglich die Anzahl der neuen Testungen innerhalb der vergangenen 24 Stunden mit Stand 9.30 Uhr gemeldet.
Nicht aussagekräftig sind dagegen die Rohdaten aus dem Epidemiologischen Melderegister, die für die Statistik erst (u. a. um Mehrfachnennungen) bereinigt werden müssen.
"Situation ganz schwierig"
„Es ist eine ganz andere Situation als damals. Da gab es einen bundesweiten Lockdown und Einschränkungen für alle. Jetzt ist nur eine Gemeinde betroffen und rundherum bleibt das meiste offen. Das ist es, was die jetzige Situation ganz schwierig macht“, erklärt Freylinger. Er sei in Kontakt mit der Gemeinde Flachau, die eine Quarantäne im März durchgemacht hat, die Situation sei aber nur schwer vergleichbar.
„Wir haben 300 Unternehmen im Ort, die teilweise nicht wissen, ob der Betrieb aufrecht bleiben kann“, sagt der Bürgermeister. In den Gesprächen rund um die Quarantäne dominiert die Sorge um die wirtschaftliche Situation. Immer wieder hört man aber auch, dass die Kuchler für den generellen Anstieg der Zahlen büßen müssten und die Quarantäne vor allem ein Symbol sei.
Lob von der Polizei
Der Beteuerung von Landeshauptmann Wilfried Haslauer – „die Maßnahme in Kuchl hat mit Wintertourismus absolut nichts zu tun“ – wird offenbar nicht gänzlich geglaubt. „Vielleicht müssen wir herhalten, wir liegen auf der Transitstrecke in die Skigebiete. Vielleicht wollen sie so eine Reisewarnung vermeiden“, sagt Wirt Seiwald.
Am ersten Tag hielten die Kuchler die Quarantäne offenbar strikt ein. Die Kontrollen seien friktionsfrei verlaufen, berichtete die Polizei. Via Aussendung gab es „aus polizeilicher Sicht ein Lob“.
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