Der Befund der Salzburger Landessanitätsdirektorin Petra Juhasz sorgte österreichweit für Aufsehen. „Teilweise wird in sozialen Medien dazu aufgerufen, nicht kooperativ zu sein. Das erschwert unsere Arbeit massiv“, sagte Juhasz. Das betreffe den Tennengau, vor allem aber auch Kuchl.
Zwölf Stunden vor Inkrafttreten der Quarantäne präsentiert sich der Ort durchaus beschaulich: Die Kinder verlassen die Volksschule im Ortszentrum, einige werden abgeholt, begrüßt, geherzt. Im Markt, wie die Kuchler ihr Zentrum nennen, wird eingekauft, getratscht. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass hier ab morgen der Ausnahmezustand herrschen soll.
Selbst das Klopapier im zentralen Supermarkt ist bei weitem noch nicht ausgegangen. „Die Lager sind voll, es gibt keine Hamsterkäufe“, berichten die Mitarbeiter. Einige Kinder nehmen auch beim Heimweg von der Schule die Maske nicht ab, das ist aber schon der einzige Hinweis, dass man sich im Corona-Hotspot Österreichs befindet. Bereits 100 aktive Fälle verzeichnete die 7400-Einwohner-Gemeinde am Freitag.
„Es musste so kommen“
Natürlich, die bevorstehende Quarantäne ist das Gesprächsthema Nummer eins im Markt. Sie wird durchaus schwer zu kontrollieren sein. Die Bundesstraße teilt den Ort in zwei Teile, die Durchfahrt ist nach wie vor erlaubt. Die Ansichten zur Maßnahme gehen weit auseinander. „Es musste ja fast so kommen. Der Kirtag, ein Ausflug des Pensionistenverbands, die Erstkommunion, dann noch diese Benefizveranstaltung. Die Leute haben das Virus nicht mehr ernstgenommen und viel zu wenig aufgepasst“, sagt eine ältere Frau. Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung liesen.
Vielleicht, weil es auch deutlich andere Ansichten im Ort gibt. „Für die Unternehmen und vor allem Wirten ist das ein harter Schlag. Wir haben jetzt überhaupt keine Einnahmequelle. Ich finde es unfair, dass wir keine Information bekommen, ob wir einen Abholservice anbieten dürfen“, sagt Maria Zivkovic von der Pizzeria Imbei.
Kontroverse Meinungen im Ort
Sie kann sich nicht erklären, wo die stark gestiegenen Zahlen herkommen. „Ich kann nicht sagen, was ausschlaggebend war. Bei uns waren die Leute wirklich brav“, erzählt Zivkovic. Die beiden Frauen würden wohl nicht zu streiten beginnen.
Doch Bürgermeister Thomas Freylinger berichtet, dass nicht erst die Quarantäne für eine Spaltung im Ort sorgt. „Das Thema hat die Bevölkerung entzweit. Es gibt einen Teil, der das Thema sehr ernst nimmt und sehr sensibel ist. Ein anderer Teil nimmt es aufgrund der Lockerungen und der vielen verschiedenen Maßnahmen nicht mehr ernst. Der Ort ist in sehr kontroverse Meinungen geteilt“, sagt Freylinger. Was beide Seiten eint, ist, dass Kuchl von der Quarantäne gleichsam überrumpelt wurde.
Was die Kuchler noch dürfen
Die Ein- und Ausfahrt nach Kuchl ist mit Ausnahme der Grundversorgung nicht mehr möglich. Der Handel darf offen halten, allerdings nur für Ortsbürger. Der Aufenthalt im Freien ist auf die Bewegung im Freien, auf die Nachbarschaftshilfe und auf Einkäufe beschränkt. Gastronomie und Hotellerie müssen komplett schließen.
Wie die Ampel rot wird
Für die Schaltung der Corona-Ampel in den Bezirken ist nicht nur die Zahl der Fälle der vergangenen sieben Tage verantwortlich. Steigt sie über 100 Fälle pro 100.000 Einwohner, droht einem Bezirk eine rote Ampel. Sind die Fälle in Clustern gut abgrenzbar, kann das einem Bezirk auch bei mehr als 100 Fällen die Rot-Schaltung ersparen.
Viele offene Fragen
„Wir warten noch auf die Beantwortung vieler wichtiger Fragen zur Auslegung der Verordnung“, erklärt der Bürgermeister. In den 24 Stunden seit Bekanntwerden der Quarantäne habe die Gemeinde mehrere 100 E-Mails und Anrufe mit konkreten Fragen bekommen. „Wir leiten das alles an das Land weiter“, sagt Freylinger.
Viele Fragen betreffen das Wirtschaftsleben. Die Arbeiterkammer berichtet von 300 Anrufen allein am Freitagvormittag von Berufspendlern aus oder nach Kuchl. Auch Marcus Siller ist mit seinem Tischlereibetrieb betroffen.
„Das ist übertrieben“
Der Holzbaumeister selbst wohnt nicht in Kuchl, er wusste Freitagnachmittag noch nicht, wer am Montag wo arbeiten darf. „Ein Teil meiner Mitarbeiter wohnt in Kuchl, sie dürfen im Ort arbeiten. Für die anderen wissen wir noch nichts. Das wird uns sicher schaden. Es stehen Baustellen, man hat Termine, zu denen man fertig sein muss“, sagte Siller.
Er findet die jetzt verhängte Quarantäne „überzogen, weil man damit der Wirtschaft schadet“. Wenn die Mitarbeiter 14 Tage zu Hause bleiben müssen, sei das eine finanzielle Belastung für die Betriebe. Siller sagt aber auch: „Vielleicht hätte man gewisse Sachen absagen sollen, um so extreme Maßnahmen zu vermeiden.“
Auch der Tourismus ist betroffen. „Der Schaden ist enorm. Die Leute kommen nächstes Jahr deshalb ja nicht doppelt. Ich habe das Hotel jetzt zugesperrt. Wir wissen nicht, wann wir wieder aufsperren“, sagt Pankraz Seiwald vom Gasthof Mühltaler. Auch er findet: „Die Maßnahmen sind übertrieben.“
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