Korruption in der Politik: "Höhere Gehälter wären auf lange Sicht günstiger"

Korruption in der Politik: "Höhere Gehälter wären auf lange Sicht günstiger"
Bettina Knötzl, Präsidentin des Transparency-Beirats, spricht sich für Anti-Korruptions-Schulung für Amtsträger und höhere Gehälter aus und erklärt, warum Kronzeugen und Whistleblower so wertvoll sind.

Zehn Forderungen stellt Transparency International Austria an die künftige Bundesregierung. Der KURIER hat darüber mit Bettina Knötzl, Präsidentin des Beirats und Rechtsanwältin in Wien, gesprochen.

KURIER: In der Steiermark ist die FPÖ trotz Korruptionsskandals mit einem Rekordergebnis Erster geworden. Sind den Menschen „saubere Politik“ und Transparenz in Wahrheit egal?

Bettina Knötzl: Integres Handeln wird noch immer geschätzt. Allerdings ist eine zunehmende Politikverdrossenheit wahrzunehmen und es ziehen Themen, die Ängste schüren, wie zum Beispiel Immigration. Umso wichtiger ist es, Vertrauen in die Regierung aufzubauen. Das kann man am besten, indem man für Transparenz sorgt.

Auch im Bund formiert sich gerade eine neue Regierung. Wie hoch sind Ihre Erwartungen an die Neos, die sich ja gerade in den U-Ausschüssen zum Thema Korruption stark eingesetzt haben?

Jede Regierung sollte ein Interesse daran haben, das Thema zum Schwerpunkt zu machen. Wir sehen ja, was nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa und in den USA passiert. Dem Generalverdacht der Bevölkerung, dass alle Politiker korrupt sind, muss ernsthaft begegnet werden.

Transparenz war auch bei den Grünen ein großes Thema. Transparency International hat jetzt zehn Forderungen an eine neue Regierung aufgestellt. Haben die Grünen so wenig weitergebracht?

Korruption in der Politik: "Höhere Gehälter wären auf lange Sicht günstiger"

Die letzte Regierung hat einiges weitergebracht – wir haben beispielsweise endlich ein Informationsfreiheitsgesetz. Das Problem ist, dass es in Koalitionen immer Kompromisse gibt. Bei diesem Gesetz merkt man das unter anderem an den vielen Ausnahmen von der Informationspflicht. Wir werden sehen, wie die Informationsfreiheit in den Behörden in der Praxis gelebt wird, aber beim Gesetz wird man auch noch an den Schrauben drehen müssen. So fehlt etwa der Informationsfreiheitsbeauftragte.

Eine langjährige Forderung von Transparency lautet, die Freunderlwirtschaft abzudrehen. Hat sich während jetzigen Regierung etwas verbessert – oder sind die Grünen genau wie alle anderen?

Wie sauber ein Politiker gearbeitet hat, zeigt sich erst Jahre später, weil vieles erst im Nachhinein bekannt wird. Wir sehen aber weiterhin: Österreich ist ein kleines Land und es gibt eine Machtkonzentration in Wien. Dadurch funktionieren die Netzwerke besonders gut.

Sind solche Netzwerke nicht auch ein Stück weit legitim? Es ist ja auch in der Privatwirtschaft so, dass man auf höherer Ebene Leute will, die loyal sind, denen man vertraut, die für Kontinuität sorgen.

Die Frage ist: Worauf basiert dieses Vertrauen? Darauf, dass jemand ein treuer Parteifreund ist oder auf der fachlichen Kompetenz, die er sich aufgebaut hat? Auch in der Privatwirtschaft will ich den besten Kopf haben, nicht die besten Seilschaften.

Die besten Köpfe gehen in die Privatwirtschaft, weil sie dort deutlich besser verdienen als in der Politik.

Guter Punkt. Darum sage ich auch: Wir sollten uns eine korruptionsfreie Politik leisten wollen. Höhere Gehälter wären sicher ein Weg, um die Politik für besonders qualifizierte Kräfte zu attraktivieren. Auf lange Sicht ist das günstiger. Korruption kostet den Staat viel mehr.

Verdienen Regierungsmitglieder zu wenig?

Jemand, der den Job wirklich ausfüllt und nicht nur Golf spielen geht, ist für das, was er leistet, unterbezahlt. Eine faire Entlohnung reduziert auch die Anfälligkeit für Korruption. Wer das Gefühl hat, er wird nicht fair bezahlt, der ist eher geneigt, Unrechtes zu tun, weil er seine Taten damit auch vor sich selbst rechtfertigen kann.

Korruption in der Politik: "Höhere Gehälter wären auf lange Sicht günstiger"

Sie fordern verpflichtende Compliance-Kurse für Politiker. Warum?

Wir sehen, dass vielen das nötige Wissen und Bewusstsein fehlt – gerade wenn es um Transparenz oder um Interessenskonflikte geht. Ich frage meine Klienten: Würde es Sie stören, wenn das, was Sie da tun, morgen in der Zeitung steht? Das ist ein relativ simpler Test, um ein Gefühl für rechtmäßiges Handeln zu bekommen. Aber darüber hinaus wäre es wichtig, dass jeder, der ein Amt antritt, eine Compliance Schulung mit regelmäßigen Auffrischungen macht. Ich denke auch an kleinere Gemeinden, wo solche Schulungen auch eine gewisse Sicherheit im Handeln schaffen würden.

Nächste Forderung: Die Kronzeugenregelung soll reformiert werden. Was schwebt Ihnen da vor?

Wir sehen in der Praxis: Sie funktioniert nicht ausreichend gut. Als Rechtsanwältin kann ich einem potenziellen Kronzeugen sehr selten dazu raten, es zu versuchen. Neben der langen Unsicherheit und dem finanziellen Risiko ist auch die gesellschaftliche Ächtung ein Problem: Whistleblower werden als Verräter gesehen, Hinweise zu geben gilt als moralisch verwerflich. Das ist ein Stück weit in unserer Historie begründet, aber das muss sich ändern.

Und was würden Sie tun?

Das ist so ein komplexes Thema, das wird man nicht auf die Schnelle lösen. Deshalb lautet unsere Empfehlung, Experten an einen Tisch zu holen, die eine Verbesserung der Regelung erarbeiten.

Warum sind Kronzeugen in Wirtschaftsstrafverfahren so wichtig?

Ein Beispiel: Bei einem Mord gibt es eine Leiche und man ermittelt, wer dafür verantwortlich ist. Die Verantwortlichkeit ermittelt man bei einem Wirtschaftsverbrechen auch, nur weiß man da oft nicht einmal, was genau passiert ist. Ein Kronzeuge weiß das. Sein Wissen spart den Ermittlern enorm viel Zeit und Ressourcen.

Zurück zur Regierungsbildung: Würden Sie für den Job der Justizministerin zur Verfügung stehen?

(lacht) Darüber müsste ich nachdenken. Spannend wäre es auf jeden Fall.

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