Koalitionsstreit um Renaturierungsgesetz: Was Gewessler jetzt drohen könnte

"In diesem Moment braucht es Mut und aus diesem Grund werde ich dem Gesetz zustimmen." Mit diesem Satz könnte die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler am Sonntag nicht nur die Koalition, sondern auch ihre eigene Karriere und strafrechtliche Konsequenzen riskiert haben. Gewessler will morgen, Montag, im Rat der EU-Umweltminister dem EU-Renaturierungsgesetz zustimmen. Und sie widersetzt sich damit dem Veto von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer und dem seiner Minister sowie den ÖVP-Landeshauptleuten, die in Gewesslers "Ja" einen Rechtsbruch sehen.
So ließ Europaministerin Karoline Edtstadler in einer Aussendung bereits wissen: "Sich über die Verfassung und über Gesetze zu stellen, ist eine neue Dimension. Das muss und wird rechtliche Konsequenzen haben." Welche, konnte man im Kanzleramt am Sonntag auf KURIER-Nachfrage noch nicht sagen. "Wir beraten", hieß es da nur.
Der KURIER hat sich angeschaut, welche Optionen es gibt:
1. Ministeranklage
Eine Ministeranklage ist prinzipiell dafür gedacht, Regierungsmitglieder zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie schuldhaft Gesetze verletzen.
Eingeleitet wird eine Ministeranklage im Nationalrat. Erforderlich ist ein erhöhtes Anwesenheitsquorum (es muss mehr als die Hälfte aller Abgeordneten anwesend sein), für den Beschluss genügt dann eine einfache Mehrheit.
Behandelt wird die Anklage dann vom Verfassungsgerichtshof. Die Konsequenz im Falle einer Verurteilung kann ein Amtsverlust sein, unter besonders schweren Umständen kann der bzw. die Betroffene zeitlich befristet auch seine politischen Rechte (z.B. das Recht, bei einer Wahl zu kandidieren) verlieren. Bei geringfügigen Rechtsverletzungen kann sich der VfGH auch darauf beschränken, in seinem Erkenntnis festzuhalten, dass eine Rechtsverletzung vorliegt.
2. Entlassung durch den Bundespräsidenten
Der Bundeskanzler darf eine Entlassung einzelner Regierungsmitglieder vorschlagen - durchgeführt würde eine solche Entlassung dann vom Bundespräsidenten.
Einen solchen Fall gab es schon einmal - wir erinnern uns an die Ibiza-Affäre im Mai 2019. Damals hat Kanzler Sebastian Kurz vorgeschlagen, den damaligen Innenminister Herbert Kickl zu entlassen (nachzulesen hier). Daraufhin hat sich die gesamte blaue Regierungsriege verabschiedet. Kurz musste die frei werdenden Funktionen in den Ministerien durch Experten und Beamte ersetzen, kurz darauf wurde die gesamte Regierung - inklusive Kurz - per Nationalratsbeschluss entlassen.
3. Anzeige wegen Amtsmissbrauchs
Freilich könnte ein Rechtsbruch für einen Minister bzw. eine Ministerin auch auf strafrechtlicher Ebene Konsequenzen haben: Denkbar wäre etwa eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs. Dafür braucht es weder Nationalrat, Kanzler oder Bundespräsident - jeder kann eine solche Anzeige erstatten.
Laut Paragraf 302 im Strafgesetzbuch ist ein Beamter, der seine Befugnis im Namen des Bundes (...) wissentlich missbraucht, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren zu bestrafen. Voraussetzung ist der Vorsatz, einen anderen an seinen Rechten zu schädigen.
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