Vizekanzler Kogler zu Koalitionskrise: "Wir sind ja nicht im Kindergarten"

Vizekanzler Kogler zu Koalitionskrise: "Wir sind ja nicht im Kindergarten"
Grünen-Chef glaubt nach Krach mit ÖVP an konstruktive Zusammenarbeit: "Es wird was weitergehen."

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gibt sich trotz des veritablen Krachs mit der ÖVP zuversichtlich, dass die Koalition noch weitere Projekte gemeinsam umsetzt. "Es wird was weitergehen", versicherte Kogler am Mittwoch im APA-Interview. "Wir sind ja nicht im Kindergarten oder auf irgendeinem Jugendlager, wo man sich beleidigt zur Seite dreht." 

Und auch eine künftige Regierungsbeteiligung nach der Nationalratswahl hat er noch nicht aufgegeben - mit Leonore Gewessler im Team.

Dass die Grünen mit dem Ja zum Renaturierungsgesetz auf EU-Ebene kurz vor ihrem Parteitag für ein Wahlkampfmanöver die Regierung riskiert hätten, wies Kogler zurück: "Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen abgewogen", betonte er. "Es war für die Natur eine lebenswichtige Entscheidung, und zwar für ganz Europa. Österreich und wir haben den Ausschlag gegeben." 

Es gebe keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Bundeskongress und derartigen EU-Abstimmungen. "Man muss zum richtigen Zeitpunkt richtige Entscheidungen treffen - und dafür sind wir auch gewählt."

"Wahres Gesicht der Grünen"

Die ÖVP reagierte allerdings derart verärgert, dass die Koalition auf der Kippe stand. Die Volkspartei kündigte eine Anzeige gegen die Grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler wegen Amtsmissbrauchs an, Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprach von einem "mehr als schweren Vertrauensbruch", die Grünen hätten ihr "wahres Gesicht" gezeigt.

"Wir sehen diesen Ankündigungen auch rechtlicher Art sehr gelassen entgegen", bekräftigte Kogler, denn schließlich habe man "alle Schritte rechtlich abgesichert".

"Unser wahres Gesicht ist, dass wir für Klima-, Umwelt- und Naturschutz brennen und uns einsetzen. Das wird niemanden wundern und das tun wir ja schon lange", konterte Kogler. Es habe ja auch andere Situationen gegeben, "die schwierig waren". Kogler verwies auch auf andere Grüne Errungenschaften wie das Klimaticket oder das Plastikpfand.

Kogler gibt Projekte noch nicht auf

Die Zusammenkunft beim wöchentlichen Ministerrat haben ÖVP und Grüne diesen Mittwoch jedenfalls ausgelassen. Ob es überhaupt noch gemeinsame Auftritte der Koalitionspartner geben wird? "Davon gehe ich aus. Wir haben gut zu tun", meinte Kogler. Es liege einiges im Nationalrat, und er sei "überzeugt und zuversichtlich", dass ÖVP-Klubchef August Wöginger und die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer alles gut über die Bühne bringen. Es gehe etwa um Lohn statt Taschengeld für behinderte Menschen, Gemeindemilliarden oder Besserstellungen für Studierende.

Kogler glaubt aber auch trotz des Zerwürfnisses, dass noch weitere Vorhaben umgesetzt werden, etwa im Zusammenhang mit einem rascheren Verbot der Vollspaltenböden in der Schweinehaltung: "Auch das wird gelingen, ich bin zuversichtlich." 

Auch im Bereich der Sicherheit sei "immer was zu tun", verwies Kogler etwa auf die Luftabwehr-Initiative "Sky Shield". Das sei ja auch der ÖVP ein wichtiges Anliegen. Zudem nannte Kogler Steuersenkungen, hier geht es um die Verteilung des letzten Drittels der Kalten Progression. Weiters sei beim Ausstieg aus russischem Gas noch einiges zu tun. Offen ist aber beispielsweise auch das Elektrizitätswirtschaftsgesetz.

"Laufend Irritationen in der ÖVP"

Gefragt, ob er ernsthaft glaube, dass die ÖVP mit den Grünen noch Vorhaben speziell aus Gewesslers Bereichen umsetzen wird, entgegnete Kogler: Es gehe um gemeinsame Verantwortung, "da geht es ja nicht um die ÖVP für sich genommen oder um irgendwelche Funktionäre, die irritiert sein mögen". 

Man habe schließlich "mit Irritationen in der ÖVP laufend zu tun". Kanzler Nehammer agiere aber grundsätzlich sehr verantwortungsvoll. "Bitte, wir sind ja nicht im Kindergarten oder auf irgendeinem Jugendlager, wo man sich beleidigt zur Seite dreht. Unser Regierungsprogramm heißt 'Verantwortung für Österreich', und genau das werden wir weiter leben."

Es habe im Übrigen "schon viel größere Krisen gegeben" in der türkis-grünen Koalition, erinnerte Kogler an die Turbulenzen rund um Sebastian Kurz. Sowohl der Kanzler als auch die Grünen seien wie damals jetzt auch mit dem Bundespräsidenten "gut abgestimmt", "wir sind ständig im Austausch zu dritt".

EU-Kommissar offen

Die EU-Renaturierung war in letzter Zeit freilich nicht das einzige Thema, bei dem die Grünen den Koalitionspartner brüskiert haben. Kogler hatte zuletzt erklärt, sich nicht mehr an jenen Sideletter gebunden zu fühlen, der der ÖVP die Besetzung des EU-Kommissars zugesteht. Der Vizekanzler verwies darauf, dass es gesetzlich vorgegeben einer Einigung im Ministerrat und einer Mehrheit im Hauptausschuss bedürfe. "Wir werden auch eine Einigung anstreben und es wird dazu kommen." 

Die Frage der Gültigkeit des Sideletters sei für ihn nicht erst jetzt aufgetaucht, "es war für mich viel länger schon klar, und ich habe es auch ausgesprochen, dass diese ehemaligen Vereinbarungen hinfällig sind, weil Voraussetzungen weggefallen sind, und dabei belasse ich es jetzt auch". Die Gründe wolle er öffentlich nicht erörtern. "Es ist jedenfalls so." Die Personalentscheidungen werde man "so gewissenhaft machen wie bis jetzt", versicherte Kogler.

"Wirtschaftliche Vernunft"

Eine weitere Regierungsbeteiligung der Grünen dürfte nach den Ereignissen der vergangenen Tage noch unwahrscheinlicher geworden sein. Kogler gibt sich allerdings "entspannt" und glaubt nicht, dass nach der Wahl jetzt keine Partei mehr mit den Grünen eine Koalition eingehen würde. "Erst ist einmal vor der Wahl." 

Man trete an für Klima- und Naturschutz, aber auch für "wirtschaftliche Vernunft" und soziale Absicherung - "diese Mischung gibt es nur mit den Grünen, und dafür bewerben wir uns". Nach der Wahl müsse man sich anschauen, "was demokratische Mehrheiten ermöglichen", meinte Kogler. "Wir sind natürlich interessiert, dass wir so stark werden, dass wir in Sondierungen und Verhandlungen eine Rolle spielen."

Die ÖVP war seit dem Wochenende freilich derart verärgert, dass sie Gewessler mit FPÖ-Chef Herbert Kickl verglich. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) erklärte etwa, die Grünen seien für ihn als möglicher Koalitionspartner nach der Nationalratswahl nur ohne Gewessler denkbar. Kogler gibt sich davon unbeeindruckt: "Auf so etwas lassen wir uns überhaupt nicht ein." Man agiere als starkes Team und "so werden wir auch gemeinsam weiter arbeiten". Wenn man bei der Wahl so stark werde, dass man in den Regierungsverhandlungen eine Rolle spiele, "dann ja, mit Leonore Gewessler".

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