Die Klimakleber lösen sich auf
Ist es nur eine PR-Aktion oder hört der Österreich-Ableger der „Letzten Generation“ tatsächlich auf?
Seit dem Jahr 2021 hat das vor allem in Deutschland, Österreich und Italien tätige Klima-Aktivistennetzwerk der Letzten Generation versucht, die Politik zu tiefgreifenden Veränderungen des Wirtschaftens zu zwingen: Durch Straßenkleben, Autobahnproteste, Farbproteste an Gebäuden und Kunstwerken (durch Glas geschützte), durch Proteste bei Kultur- und Motorsportevents, Störungen von Sportveranstaltungen und zuletzt auch durch Proteste auf Flughäfen.
Das alles aber immer völlig gewaltfrei, das muss betont werden, und sehr transparent – jeder Aktivist hat bei jeder Aktion online genau erklärt, wer er ist und warum er sich beteiligt.
„Wir beenden Proteste“
Dienstagfrüh überraschte die Letzte Generation mit einer Presseerklärung: „Wir sehen keine Perspektive für Erfolg mehr (...) Mit dem heutigen Tag beenden wir unsere Proteste und die ,Letzte Generation Österreich‘. Wesentliche Gründe sind sicher auch die bereits verhängten und noch drohenden „hohen Geldstrafen und hohen Prozesskosten“, welche den Protestaktionen folgten.
Doch nur wenige Stunden später traf der KURIER Sprecherin Marina Hagen-Canaval bei einem Termin im Landesverwaltungsgericht Wien. „Es kommt etwas Neues“, erklärte die Klimaaktivistin. „Mit neuem Logo, neuen Forderungen. Eine neue Bewegung.“ Doch erst wolle man ein paar Wochen Pause machen.
Wie also ist die Stellungnahme einzuordnen?
Die Aktivisten sind auf vielen Ebenen mit ihrem Hauptanliegen einer „Verankerung von Klimaschutz als Grundrecht in der Verfassung“ und der „Etablierung des ,Recht auf Überleben‘“ gescheitert. Besonders die „Klimakleber“ haben nicht nur (kurzfristige) Staus, sondern vor allem auch Hass in breiten Teilen der Bevölkerung erzeugt. Vandalismus erzeugte ebenso vor allem Unverständnis.
Unterm Strich bleibt, dass die Aktionen der Letzten Generation dem Klimaschutz einen Bärendienst erwiesen haben. So berechtigt das Anliegen eines ambitionierten Klimaschutzes auch ist, so falsch war die Methode der Aktivisten: Einfache Bürger zu drangsalieren, damit ein medialer Druck auf die Politik entsteht, damit diese mehr Klimaschutz beschließt.
Das Gegenteil war der Fall, politisch profitiert haben noch am ehesten die Bremser in der Klimapolitik, vor allem die Freiheitlichen. Selbst Grün-Politiker waren aufgrund der breiten Ablehnung der Bevölkerung nicht bereit, sich klar hinter die Anliegen der Letzten Generation zu stellen.
Die Freiheitlichen, selbst Leugner der wissenschaftlich eindeutig belegten Klimakrise, nennen seither jede Form von Klimaaktivismus „Klimaterror“. „Der Wahnsinn hat ein Ende. Dies ist die erste gute Aktion der Klima-Aktivisten überhaupt“, kommentierte Niederösterreichs Udo Landbauer (FPÖ), für ÖVP-General Christian Stocker ist das „Ende der Schikane durch die sogenannte ,Letzte Generation‘ eine äußerst erfreuliche Nachricht“. Etwas versöhnlicher Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die anmerkte: „In den Zielen waren wir oftmals gar nicht so weit voneinander entfernt, aber der Weg, den diese Protestbewegung gewählt hat, war oftmals kriminell und vor allem grundlegend falsch.“
„Ignoranz“
Die Aktivisten sehen übrigens uns alle als Schuldige: „Wir sehen ein, dass Österreich weiter in fossiler Ignoranz bleiben will und damit in Kauf nimmt, für den Tod von Milliarden von Menschen mitverantwortlich zu sein. Die Gesellschaft hat versagt. Uns macht das unendlich traurig.“
Dass „die Gesellschaft“ nicht unbedingt die richtige Adresse des Protests war, haben österreichische Wissenschafter erst im Vorjahr in dem 715-seitigen Special Report „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ in 25 Kapiteln analysiert– und wo man zum Gegensteuern ansetzen sollte.
Wie sinnvoller, ziviler Protest aussehen kann, hatte 2018 und 2019 die „Fridays For Future“-Bewegung gezeigt. Ohne die Proteste vieler junger Menschen in Hunderten Städten weltweit hätte es niemals einen „Green Deal“ samt scharfen Klimazielen (minus 55 Prozent Treibhausgase bis 2030 ist fixiert, minus 90 Prozent bis 2040 wird derzeit diskutiert) gegeben, und auch Österreichs türkis-grünes Regierungsprogramm schrieb in die Präambel: „Wir sind die erste Generation, die die Folgen der Klimakrise spürt, und die letzte Generation, die noch gegensteuern kann.“ Daher auch der Name der Gruppe.
Das vermeintliche Ende der Letzten Generation soll aber nicht über die Dringlichkeit des Themas hinwegtäuschen. Die Klimakrise ist eine Tatsache und unsere Reaktion bisher eine Katastrophe.
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