Warum Hochwasserschäden kaum versichert sind
Krottendorf-Gaisfeld, Sankt Martin am Wöllmißberg, Edelschrott, Moosburg, Murau, Judenburg, Knittelfeld, Leoben, Mautern, Traboch, Thörl, Lavanttal, St. Veit an der Glan, Feldkirchen, Deutschfeistritz, Deutsch-Griffen: Diese Orte waren nur in den vergangenen Tagen enorm von Starkregen und Hochwasser betroffen.
Warum das so ist und was im Schadensfall passiert, darüber sprechen UNIQA-Vorstand Kurt Svoboda und Ubimet-Vorstand Andreas Blümmel (im Bild rechts).
KURIER: Herr Blümmel, gibt es wirklich mehr Extremwetter-Ereignisse oder nur einen medialen Fokus?
Blümmel: Die Anzahl der Unwetter hat nur wenig zugenommen. Was aber deutlich gestiegen ist, ist die Intensität dieser Extremwetter-Ereignisse. Die sind stärker geworden, das sieht man bei durchschnittlich größeren Hagelkörnern, intensiveren Gewittern und den Regenmengen. Zudem ziehen die Gewitter langsamer weiter, somit fällt mehr Niederschlag auf ein lokal begrenztes Gebiet. Das führt zu den lokalen Überflutungen, die wir zuletzt erlebt haben, wo viel Regen auf einen trockenen Boden trifft, der das Wasser nicht aufnehmen kann.
Warum gibt es eine größere Intensität?
Blümmel: Je wärmer es ist, desto mehr Wasser kann die Luft aufnehmen. Und eine aufgeheizte Atmosphäre speichert viel Energie, die sich dann in Form von Gewittern entlädt. Es gibt auch stärkere Aufwinde, so bilden sich immer größere Hagelkörner. Der Trend der immer schwereren Gewitter insgesamt ist jedenfalls eine Folge des Klimawandels.
Sehen auch die Versicherungen, dass die Schäden zugenommen haben?
Svoboda: Ja. Die Schäden waren vor dreißig Jahren bei jährlich 300 bis 400 Millionen in Österreich, jetzt sind wir bei einer Milliarde Euro. Es sind aber nicht mehr Objekte versichert, sondern die Frequenz wird mehr und die durchschnittliche Schadenssumme. Weil die Intensität der Schäden zugenommen hat, werden auch die Schäden immer teurer. Doch die sind teilweise gar nicht mehr gedeckt.
Aber zahlt beim Hochwasserschäden nicht jedenfalls der Katastrophenfonds der Republik?
Svoboda: Nein. Erstens deckt der Fonds durchschnittlich nur die Hälfte der Schäden ab. Und es gibt keine Rechtssicherheit, man hat keinen garantierten Anspruch, es ist nur eine „Good-will“-Leistung des Bundes an die Gemeinden, die das den betroffenen Bürgern geben. Das ist also kein adäquates Mittel, um die immer höheren Schadenskosten zu decken.
Im letzte OECD-Bericht gab es ein eigenes Kapitel über Österreichs Hochwassersituation. Was war die Empfehlung?
Svoboda: Der Bericht weist darauf hin, dass Hochwasser das mit Abstand größte Naturkatastrophenrisiko in Österreich ist. Und Österreich ist weltweit auf Platz 4 bei Unwetterschäden im Vergleich zur Wirtschaftsleistung. Die OECD sagt auch, dass Österreich beim Hochwasser die größte Schutzlücke in der EU hat. Schäden sind also zu einem hohen Anteil nicht versichert, weil viele fälschlich davon ausgehen, dass ohnehin der Katastrophenfonds einspringt.
Warum sind wir auf Platz 4?
Blümmel: Wir haben in Österreich viel komplexes Terrain, viel Niederschlag, viele Bäche und Flüsse, und das Wasser muss ja abrinnen. Zudem haben wir die Alpen, die ein Staubecken für große Niederschlagssysteme sind.
Jetzt sind viele auch gegen Hochwasser versichert. Aber was ist da eigentlich tatsächlich versichert?
Svoboda: In der klassischen Haushaltsversicherung ist der Hochwasserschutz standardmäßig mit 5.000 bis 10.000 Euro gedeckt. Man kann das auf bis zu 50.000 Euro erhöhen, das ist aber eher schon das Limit.
Stimmt es, dass einer aktuellen Schätzung zufolge nur drei Viertel der Haushalte über eine Grundabsicherung mit einer Obergrenze von 10.000 Euro verfügen?
Svoboda: Ja, da fehlt das Bewusstsein, es wissen viele nicht. Deshalb muss man darüber aufklären.
Braucht es also eine Hochwasser-Pflichtversicherung?
Svoboda: Das vielleicht nicht, es wäre auch schwer jemanden, der im vierten Stock wohnt, zu erklären, warum man sich gegen Hochwasser versichern muss. Es braucht vielmehr Aufklärung, ein sozial leistbares Versicherungsmodell und viel mehr Prävention, also Infrastruktur- oder andere bauliche Maßnahmen. Die Privatwirtschaft wird das alleine aber sicher nicht machen können, da braucht es ein solidarisches Modell. Und dafür braucht es Unterstützung von der Politik.
Warum?
Svoboda: Wir sind in Österreich mit besonderen Risiken konfrontiert, weil viele in den Bergen wohnen oder nahe einem Fluss. Irgendwann komme ich da aber an einem Punkt, wo man das nicht mehr versichern kann, weil das Risiko zu hoch ist. Also müssen wir das Risiko gemeinschaftlich aufteilen, damit es für jeden einzelnen kleiner wird. Und wenn dabei die Prämien leistbar bleiben sollen, muss die Anzahl der Versicherten größer werden. Das ist ja auch das Urgedanke einer Versicherung, diese Solidargemeinschaft. Der Vorschlag der Branche: Die Naturkatastrophendeckung sollte in die Feuerversicherung, die in Österreich fast jeder hat, integriert werden. So ähnlich wird es bereits in Belgien, Frankreich, Spanien oder in der Schweiz gemacht. Und die OECD empfiehlt in ihrem aktuellen Bericht übrigens auch so ein Modell. Dafür braucht es aber Gesetzesänderungen, da muss die Politik aktiv werden.
Aber auch dann könnte man nicht alle gegen Hochwasser versichern?
Svoboda: Angenommen Sie wohnen an der Donau in einem Haus, wo die Bauzone genehmigt ist – eigentlich in einer roten Zone. Ich weiß aber, dass die Donau dort alle drei Jahren flutet, dann kann ich ihnen nur eine Versicherungen mit monatlichen Rate von einigen Tausend Euro geben: Das ist nicht leistbar, aber anders auch nicht versicherbar. Also kann eine Versicherung nur einen Teil leisten, der Rest muss von dem kommen, der die Bauzone genehmigt hat - also die Politik.
Gibt es viele Häuser in roten Zonen?
Svoboda: Ja. Aber das sind leider Risiken, die perspektivisch nicht mehr tragbar sind. Und wir müssen lernen, dass wir in gewissen Gebieten, etwa entlang eines Baches, einfach nichts mehr bauen sollten, wenn das Risiko zu hoch ist.
Kann die Meteorologie helfen, zu erkennen, wo Hochwasser sein wird?
Blümmel: Das ist die große Herausforderung. Wir sind in einer sich verändernden Welt, der Klimawandel sorgt dafür, dass sich auch die Wettersysteme verändern. Da helfen uns auch die historischen Daten immer weniger, die bisher gute Indikationen über überflutungsgefährdete Gebiete geliefert haben. Durch die intelligente Kombination von Klimamodellen mit unserer meteorologischen Expertise können wir aber prognostizieren, wie sich die Gefahr von Überflutungen durch den Klimawandel über die nächsten Jahre oder Jahrzehnte verändern wird. Das ermöglicht es uns, bereits heute Maßnahmen zu ergreifen, um besser vorbereitet zu sein.
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