Es geht bei dem Streit ums Geld
Der Gesetzesentwurf stammt von Mai 2022 und wurde damals den zuständigen Referenten der Bundesländer vorgelegt. Dem Vernehmen wären diese auch bereit gewesen, die Verantwortung zu übernehmen.
Allerdings unter einer Bedingung: Der Tagsatz für die Betreuung der "unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge" (UMF) soll angehoben werden.
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Derzeit beträgt der Tagsatz für ein Flüchtlingskind 95 Euro. Für ein (einheimisches) Kind, das sich in Obsorge der Kinder- und Jugendhilfe befindet, gibt es ca. das doppelte - je nach Bundesland zwischen 200 und 250 Euro.
Die Idee war, die beiden Tagsätze auf annähernd gleiches Niveau zu bringen - das ist aber nicht in Sicht.
Länder sollen selber zahlen
Aus dem Innenministerium heißt es auf KURIER-Anfrage, dass die 95 Euro (bei betreutem Wohnen sind es 63,50 Euro, bei Wohnheimen nur 40,50 Euro) sämtliche Leistungen zur Erfüllung der Aufgaben laut Grundversorgungsvereinbarung inkludieren würden. "Generell steht es den Bundesländern jedoch offen, Leistungen, die über die normierten Kostenhöchstsätze hinausgehen, aus Eigenem zu gewähren."
Heißt so viel wie: Wenn die Länder eine bessere Versorgung wollen, müssen sie diese selber zahlen.
Hingewiesen wird auch darauf, dass es bereits eine Valorisierung ausgewählter Kostensätze gab. Die Kostenhöchstsätze für "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge" (UMF) seien erst 2016 angepasst worden. Der Bund habe den Ländern zudem einen Teuerungsausgleich eingeräumt, dieser beträgt bei organisierten Unterbringungen 4 Euro pro Tag. "Die praktische Abwicklung obliegt hierbei den Ländern."
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Und noch ein Hinweis aus dem Innenministerium: Bei rund der Hälfte aller Personen, die angegeben haben, minderjährig zu sein, habe durch eine Altersfeststellung die Volljährigkeit nachgewiesen werden können.
38 Kinder jünger als 14 Jahre
Laut Asyl-Statistik des Innenministeriums haben heuer (bis einschließlich Mai, aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) 1.390 unbegleitete Minderjährige Asyl beantragt, 38 davon waren jünger als 14 Jahre.
Wie es mit ihnen weitergeht, ist - mehr oder weniger - Glückssache. In Tirol übernehmen die Behörden sofort die Obsorge, wenn alleinreisende Kinder oder Jugendliche aufgegriffen werden, in Wien zumindest bis zum 14. Lebensjahr.
Ansonsten kommen die Kinder in ein Erstaufnahmelager der Bundesbetreuung, etwa in Traiskirchen - zusammen mit Erwachsenen. Es kann Monate dauern, bis sie dann in ein Quartier der Länder überstellt werden, die dann auch die Obsorge übernehmen. Dass es hier eklatante Mängel gibt, hat die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) kürzlich thematisiert:
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"Gezielte Verwahrlosung"
„Kinder, die alleine und ohne ihre Eltern geflüchtet sind, bekommen hier monatelang keine obsorgeberechtigte Person zur Seite gestellt", kritisiert Christoph Riedl, Diakonie. Gepaart mit der schlechten Betreuungsqualität der BBU-Quartiere betreibe Österreich damit eine "Politik der gezielten Verwahrlosung", die zu oft zu einer "regelrechten Vertreibung von Jugendlichen aus Österreich führt", sagt er.
Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez vom Netzwerk Kinderrechte beschreibt den Status quo so: "Kinder ohne elterliche Obsorge fühlen sich chancenlos, sie stehen unter großem Druck. Was sie brauchen, ist genauso wie jedes Kind, eine für sie täglich verfügbare und unterstützende Hand. Geflüchtete Kinder bekommen das in Österreich nicht". Diese "nicht adäquate Versorgung" breche die UN-Kinderrechtskonvention, das Bundesverfassungsgesetz für Kinderrechte sowie die EU-Aufnahmerichtlinie.
Derzeit kann die Obsorgeübertragung nur behördlich organisiert werden, wenn die Behörden von Geflüchteten gestellte Obsorge-Anträge bearbeiten müssen. Die Initiative "Gemeinsam für Kinderrechte" wolle die Jugendlichen dabei unterstützen, fordert aber eine gesetzliche Regelung.
"Jedes geflüchtete Kind, das ohne Eltern in Österreich ankommt, muss ab dem ersten Tag des Asylverfahrens eine obsorgeberechtigte Erwachsene oder Erwachsenen zur Seite gestellt bekommen. Ich weiß, dass die Behörden das auch erkannt haben, aber weiterhin tun sie nicht das Notwendige", kritisierte die Vorsitzende der Kindeswohlkommission Irmgard Griss bereits bei einer Pressekonferenz Ende Juni.
Teil der Initiative ist das Netzwerk Kinderrechte, die österreichische Liga für Menschenrechte, Caritas, Diakonie, SOS Kinderdorf, Amnesty International, Tralalobe, Kinderfreunde, Don Bosco, Integrationshaus, asylkoordination, fairness-asyl, SOS-Mitmensch, Concordia Sozialprojekte und die Vienna Law Clinics.
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