Zum Status quo: Kommt ein Minderjähriger ohne Eltern oder andere obsorgeberechtigte Volljährige ins Land, dann ist er zunächst auf sich gestellt. Die Kinder- und Jugendfürsorge des jeweiligen Bundeslandes muss zwar die Obsorge beantragen – bis das Gericht entscheidet, dauert es aber.
In dieser Zeit ist offen, wer für dieses Kind die Verantwortung trägt. Bei schweren medizinischen Eingriffen beispielsweise braucht es die Zustimmung eines Erwachsenen bzw. gesetzlichen Vertreters.
Im Gesetzesentwurf heißt es nun, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger „kraft Gesetz“ mit der Obsorge betraut wird – also unmittelbar nach der Ankunft in Österreich.
Die Obsorge der Eltern, die sich aufgrund der räumlichen Distanz nicht um ihr Kind kümmern können, soll dadurch nicht berührt werden. Das Kind wird ihnen übergeben, sobald es möglich ist.
Die „Obsorge ab Tag 1“ ist eine lange Forderung von Kinderschutz- und Asylorganisationen. Immer wieder „verschwinden“ Flüchtlingskinder, werden von Menschenhändlern verschleppt oder tauchen aus Angst vor einer Abschiebung unter.
Zadić geht in ihrem Entwurf auf eine weitere NGO-Forderung ein – zumindest, soweit es ihre Zuständigkeit hergibt: Die medizinische Altersfeststellung, eine umstrittene Methode, soll in der Obsorge-Frage nur „das letzte Mittel“ sein. Zunächst soll die Kinder- und Jugendfürsorge eine Grobeinschätzung machen. „Im Zweifel ist anzunehmen, dass das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat“, heißt es im Gesetzesentwurf.
In Streitfällen entscheidet ein Pflegschaftsgericht – einfließen sollen „das körperliche Erscheinungsbild“ und „die psychische Reife“.
Die Obsorge ist das eine, das Asylverfahren das andere: Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ist nicht an die richterliche Entscheidung gebunden und kann weiterhin medizinische Untersuchungen anordnen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass ein Flüchtling eine falsche Altersangabe gemacht hat. Zuletzt hat sich dieser Verdacht in 61 Prozent der untersuchten Fälle bestätigt.
NGOs halten dagegen, dass viele Jugendliche, die aus einem Kriegsgebiet kommen, auch mit 18 Jahren noch nicht ausgereift seien und besonderen Schutz benötigen.
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