Kanzlergattin
Ein wenig fühlt man sich bei der aktuellen Causa an den Fall Katharina Nehammers erinnert: Die Frau des Kanzlers hat 2022 Hunderte Facebook-User verklagt, die die Lüge verbreiteten, Nehammer habe von der Covid-Krise profitiert, weil sie für eine Schutzmasken-Firma arbeite. Nehammer hat in de facto allen Fällen recht bekommen und Schadenersatz erhalten. Die Sache wurde für die Einzelnen teuer: Bis zu 4.000 Euro kostete die Lüge.
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Doch wo genau verläuft die Grenze? Was ist online klagbar, was nicht? Wer Fragen wie diese beantworten will, ist bei Michael Rami gut aufgehoben.
Der Rechtsanwalt hat Nehammer bei ihren „Hass im Netz“-Verfahren vertreten und ist immer wieder überrascht, mit welcher Sorglosigkeit Menschen „falsche Tatsachenbehauptungen“ teilen. „Im Prinzip“, sagt Rami, „ist die Sache einfach: Wenn ich im Netz etwas behaupte, verbreite oder veröffentliche, muss ich dafür geradestehen. Auch eine kommentarlos geteilte Ehrenbeleidigung bleibt eine Ehrenbeleidigung.“ Bei „Likes“ ist die Sache diffiziler, die Höchstgerichte haben Entscheidungen in beide Richtungen getroffen, sprich: Es gibt verhetzende Postings, bei denen ein Like zur Verurteilung geführt hat. Es gibt aber auch das Gegenteil.
Unverständnis
Fatal bleibt, dass viele Internetuser bis heute die enorme Verbreitungsgeschwindigkeit und -kraft von Netzwerken wie Facebook, X (ehemals Twitter) oder Instagram unterschätzen. „Wenn ein Betroffener Pech hat, verbreitet sich eine ehrenrührige Behauptung binnen Stunden wie ein Krebsgeschwür“, sagt Rami. Eine Falschmeldung, die man mit hundert Online-„Freunden“ teilt, kann von diesen und ihren hundert Freunden wieder geteilt werden – und so weiter und so weiter. „Früher war der Empfänger-Kreis von Einzelpersonen begrenzt. Man hat im Wirtshaus oder am Arbeitsplatz etwas erzählt – mehr nicht.“ Heute sorge die Technik dafür, dass jeder ein riesiges Publikum erreicht. „Der Ruf eines Menschen ist wertvoll. Aber online kann er rasch und wirkungsvoll zerstört werden.“
Bleibt die Frage: Wer oder was ist klagbar? Und: Darf ich über Politiker oder Parteien online gar nicht mehr meine Meinung sagen?
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Verhaltensregeln
Bei kurzem Nachdenken sind die Verhaltensregeln nicht wirklich komplex: Wer über konkrete Menschen konkrete Tatsachen verbreitet, der muss sie belegen können, im echten Leben wie online. Die Behauptung, eine Partei bekomme Geld aus Moskau, ist demnach klagbar – es sei denn, man kann sie beweisen. Nicht klagbar ist die politische Einschätzung, eine Partei mache aus diesem oder jenem Grund schlechte Politik.
Die FPÖ hat bei ihrer eingangs beschriebenen Klage zwischen einfachen und politisch engagierten Bürgern unterschieden – Letztere müssten viel genauer prüfen, was sie online teilen.
Gesetzgeber und Justiz sehen das strenger. Ohne Nachdenken dürfen perfide Lügen einfach nicht verbreitet werden, so lautet der Grundsatz. Dementsprechend gelten für „einfache“ Bürger dieselben Maßstäbe wie für Politiker.
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