Kassen-Chefarzt: "Werden uns jährlich gegen Corona impfen lassen müssen"
„Die Geschichte wird 2021 nicht zu Ende sein. Das Durchimpfen der Bevölkerung wird zur Routine werden. Wir werden uns jährlich ein Mal, vielleicht sogar zwei Mal gegen Corona impfen lassen müssen“: Das sagt kein Geringerer als der Chefarzt der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Krauter, in einem Hintergrundgespräch mit dem KURIER.
Laut Krauter wird die künftige „Routine“, an die wir uns zu gewöhnen haben, so ablaufen:
Virologen, Epidemiologen und Impfexperten werden sich ansehen, wie lange der Immunschutz einer Corona-Impfung reicht, und dann Auffrischungen empfehlen, wie das bereits derzeit bei Impfungen der Fall ist. Bei der Grippeimpfung sehen sich die Experten die Virenstämme an, die saisonal verbreitet sind, und stellen einen entsprechenden Impfstoff zusammen, der dann in dem jeweiligen Winter verimpft wird, erzählt Krauter. Bei Corona werde man die Mutationen beobachten und danach die Impfempfehlungen ausrichten.
Krauter: „Zwischen 15 und 16 Prozent der Versicherten lassen sich in der Regel in einem Jahr gegen Grippe impfen. Das sind rund 1,6 Millionen Impfstiche. Wenn wir uns ein bis zwei Mal im Jahr gegen Corona impfen lassen, dann müssen wir bis zu 18 Millionen Impfstiche bewältigen.“
E-Impfpass wird Pflicht
Auf diese gewaltige Herausforderung bereitet sich die ÖGK derzeit vor. „Wenn wir uns ansehen, in welchen Ländern das Impfen gut funktioniert, dann zeigt sich: Man braucht eine gute elektronische Datenbasis und eine straffe und bis ins Detail durchgeplante Organisation“, sagt Krauter.
Beides traut er der ÖGK zu.
Kassenfusion ein Vorteil
Mit der eCard, den Versichertendaten und dem Zugang zum verpflichtenden elektronischen Impfpass sei Ersteres in der ÖGK gewährleistet. Und bei der Organisation habe die ÖGK den Vorteil, die einzige bundesweite Einrichtung im Gesundheitsbereich zu sein. „Seit der Fusion der Gebietskrankenkassen zur bundesweiten Gesundheitskasse können wir österreichweit Partner von Bund und Ländern sein“, sagt Erol Holawatsch, Fachbereichsleiter für Gesundheitseinrichtungen der ÖGK.
Service auch am Wochenende
Die ÖGK hat den Bundesländern bereits für die anlaufende Erstimpfung gegen Corona Unterstützung angeboten, aber nur Kärnten hat bisher richtig zugegriffen. In Kärnten haben die ÖGK-Bezirksstellen am Wochenende geöffnet, um die über 80-Jährigen zu impfen. Am Wochenende deswegen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren und um berufstätigen Verwandten zu ermöglichen, ihre Senioren zum Impfen zu bringen. Darüber hinaus sind mobile Impfteams aus Ärzten und Verwaltungspersonal in Kärntner Tälern unterwegs, um schwer transportable Personen zu impfen. Jedes Wochenende werden 2.000 bis 3.000 der 25.000 über 80-jährigen Kärntner von der ÖGK geimpft.
Einige andere Bundesländer haben die ÖGK bereits gebeten, Risiko- und bestimmte Berufsgruppen zu impfen, sobald genügend Impfstoff geliefert wird. Grundsätzlich stehen den Bundesländern alle ÖGK-Außenstellen und die Gesundheitszentren als Impfinfrastruktur zur Verfügung – inklusive Ärztinnen und Verwaltungspersonal.
Auch "Impfbusse" möglich
Die ÖGK will jedoch keineswegs selbst alle Versicherten impfen, sondern im Gegenteil, es werde eine Vielzahl von Impfstellen, und zwar als Dauereinrichtungen geben müssen: niedergelassene Ärzte, Impfstraßen, ÖGK-Stellen etc. Krauter: „Ich könnte mir auch Impfbusse vorstellen, die z. B. zu Feuerwehrfesten und anderen gut besuchten Events fahren, um der Bevölkerung das Impfen möglichst nahe zu bringen.“ In den USA sei es üblich, dass sich die Leute an der Supermarktkasse impfen lassen können. „Das geht bei uns nicht. Aber wir müssen uns darauf einstellen, dass uns das Impfen und wahrscheinlich auch das Testen erhalten bleiben. Wir brauchen einen Schulterschluss von Bund, Ländern und Sozialversicherung, um ein permanentes Netzwerk für die Bevölkerung zu schaffen, das sowohl dem urbanen Bereich als auch der Peripherie angepasst ist.“
ÖGK als Koordinationsstelle
In anderen Ländern wurden eigene Impfbeauftragte – zum Beispiel ein Corona-Commissario in Italien – geschaffen. In Österreich könnte die ÖGK zur Drehscheibe werden, die das Impfen bundesweit koordiniert. Sie ist darüber bereits mit dem Gesundheitsministerium in Kontakt. „Die Gespräche laufen gut“, sagt Krauter.
"Nationales Ziel: Impfen"
Zur Debatte über die Impfstoff-Qualität sagt der ÖGK-Chefarzt: „Jeder Impfstoff ist besser als kein Impfstoff. Und wenn ich nur zu 70 Prozent geschützt bin, dann erspart mir das jedenfalls die Intensivstation.“ Krauter, der drei Mal pro Woche in Impf-Webinaren sitzt und mit Professoren in den USA und Europa in Kontakt ist, sagt, dass bei den Impfungen höchstwahrscheinlich auch Technologiewechsel möglich sein werden. Studien laufen. Das heißt, man wird höchstwahrscheinlich zwischen Vektor-Impfstoff und mRNA-Impfstoff wechseln können. Gewiss sei jedenfalls eines: „Das nationale Ziel lautet: Impfen.“
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