Mit Kanzler und Parteichef Karl Nehammer gibt es ja schon seit Längerem Spannungen. Am deutlichsten hat sich dieser Konflikt im Sommer gezeigt, als Nehammer ihren Ministerkollegen Magnus Brunner als EU-Kommissar nominiert hat. Und nicht Edtstadler – amtierende Europaministerin, frühere Abgeordnete im EU-Parlament und Mitarbeiterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), die auch noch fließend Französisch spricht.
Nicht einmal als zweite Kandidatin wurde sie aufgestellt. Und das, obwohl Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Mitgliedsstaaten ausdrücklich ersucht hatte, einen Mann und eine Frau zu nominieren.
"Machtdemonstration"
In ihrem Umfeld sieht man das als „Strafe“ dafür, dass Edtstadler „zu pushy“, war und „nicht gespurt“ habe. Mit dieser „Machtdemonstration“, ist man sich sicher, habe sich der ÖVP-Chef selbst entlarvt: „Eine selbstbewusste, ehrgeizige Frau von Format ist nicht immer erwünscht.“ Verwiesen wird auf diejenigen, die in der Partei am Ruder seien: „Ja-Sager, Bauern- und andere Bündler, und alte Männer in grauen Anzügen.“
Hoffnungen, dass sie in einer neuen Regierung das Justizressort bekommen könnte, dürfte sich Edtstadler in dieser Gemengelage schon lange nicht mehr gemacht haben. Und auch
Gerüchte, Edtstadler könnte Nehammer an der Spitze ablösen, sind verstummt: Das Ergebnis der Nationalratswahl fiel für die Volkspartei weniger schlimm aus als befürchtet, zuletzt wurde Nehammer durch den Regierungsauftrag gestärkt.
Keine inhaltliche Debatte
Edtstadler äußert sich zu den Hintergründen nicht. Dem Vernehmen nach soll sie erleichtert sein und einen „sauberen Schnitt“ wollen. So ärgert sich eben ihr Umfeld stellvertretend für sie.
Bleibt noch die Frage: Warum jetzt? Ein Erklärungsversuch lautet, dass die Ministerin, die auch im Sondierungsteam der ÖVP vertreten ist, ihren Rückzug bewusst kundtat, bevor die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ Form annehmen.
Wäre sie mitten in den Verhandlungen oder gar zum Abschluss gegangen, dann hätte es wohl Spekulationen gegeben, ob sie inhaltlich mit dem Kurs ihrer Partei und der künftigen Koalition nicht einverstanden sei – und das galt es zu vermeiden. Denn, so wird betont: „Sie wollte der ÖVP nicht schaden. Sie ist und war immer loyal – auch unter schwierigen Umständen.“
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