Regierungsverhandlungen: Der grobe Fahrplan steht fest
Immerhin der Ort war vorab bekannt: Im Palais Epstein, fußläufig beim Parlament gelegen, wollen Karl Nehammer und Andreas Babler mit ihren Teams heute verhandeln. Die Uhrzeit des Treffens? Man hielt sie geheim.
An den Verhandlerteams scheint sich nichts Wesentliches zu ändern: So wird auch Karoline Edtstadler mit am Tisch sitzen. Und das, obwohl die EU-Ministerin am Wochenende – für ihren eigenen Kanzler vom Zeitpunkt her durchaus überraschend – auf ein Amt in der nächsten Bundesregierung verzichtet hat.
Laut ÖVP soll es nicht nur um Atmosphärisches, sondern um erste Inhalte gehen.
„Für uns sind die Themen Migration, Sicherheit, Wirtschaftsstandort sowie Gesundheit und Pflege von entscheidender Bedeutung“, heißt es aus dem ÖVP-Verhandlungsteam.
Das SPÖ-Team nennt die Teuerung, leistbares Wohnen, Sicherheit und Migration, Gesundheit und Pflege sowie den Klimaschutz als zentrale Herausforderungen – also die Hauptwahlmotive der Österreicher. Aus SPÖ-Sicht zudem wichtig: Arbeit und Wirtschaft. In all diesen Bereichen werde es große Lösungen für große Probleme brauchen. Minimalkompromisse seien nicht gefragt, so die SPÖ-Linie.
Nähert man sich heute an, sollen laut ÖVP „tiefer gehende Verhandlungsgruppen“ für Regierungsverhandlungen festgelegt werden.
Keine Präferenz
In der SPÖ gibt man sich optimistisch, was eine Reform-Partnerschaft mit der ÖVP angeht und lässt sich abgesehen davon auch auf keine Präferenz für eine Dreier-Koalition mit den Neos oder den Grünen festlegen.
So hat sich SPÖ-Chef Babler am Montag mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger getroffen und wird diese Woche wieder mit Grünen-Chef Werner Kogler zusammensitzen. Jeder spricht also mit jedem – bis auf die FPÖ und deren Parteichef Herbert Kickl.
Dramaturgisch sind die für heute, Dienstag, und Mittwoch anberaumten Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ noch als Sondierungsgespräche zu kategorisieren. Diese unterscheiden sich von Koalitionsgesprächen durch zwei Dinge: Zum einen sind sie „ergebnisoffen“. Im Unterschied zu Koalitionsgesprächen gibt es also noch nicht den expliziten Wunsch, miteinander auf fünf Jahre eine Regierung zu bilden; und es sitzt – noch – kein Dritter mit am Tisch, obwohl das führende ÖVP-Politiker vom Kanzler abwärts für unverzichtbar halten.
Neos: „Kein Problem“
Wenn ÖVP und SPÖ über eine Koalition verhandeln, sollen vom ersten Tag an die Neos mit am Tisch sitzen; den Grünen werden als Drittem nur minimale Chancen eingeräumt.
Wie geht es den Pinken damit, dass ÖVP und SPÖ vorerst nur zu zweit parlieren? Immerhin hat Meinl-Reisinger explizit gefordert, man müsse einander „auf Augenhöhe“ begegnen.
Noch nehmen die Pinken die Sondiererei demonstrativ gelassen. „Wenn die zwei Größeren Zeit brauchen, um sich zwischenmenschlich zu finden, ist das kein Problem“, heißt es im Umfeld von Parteichefin Meinl-Reisinger.
Auch 2019 hätte die ÖVP einige Wochen „sondiert“, ehe man mit den Grünen in Koalitionsverhandlungen eintrat. Darüber hinaus sei bekannt, dass die Neos ohnehin nur in eine Regierung gehen würde, wenn sich diese „ernsthaften Reformen“ verschreibt. Wie diese aussehen könnten, darüber kann vorerst nur spekuliert werden.
Wie der KURIER erfuhr, existiert zwischen Türkis und Rot ein grober Plan, wer auf beiden Seiten über konkrete Themen miteinander verhandelt. Als gesichert gilt, dass den Wirtschaftsthemen und hier insbesondere der sozialpartnerschaftlichen Achse zwischen Wirtschaftskammer-Boss Harald Mahrer und ÖGB-Chef Wolfgang Katzian eine zentrale Rolle zukommt.
Baustelle Budget
Was ÖVP und SPÖ bereits am Sonntag kommunizierten: Es wird eine Expertengruppe zum Thema „Budget“ geben. Österreich wird laut Prognosen auch 2025 ein Budgetdefizit von mehr als drei Prozent des BIP haben – und damit die EU-Maastricht-Kriterien verfehlen. Insofern gelten die zu hohen Staatsausgaben als eine der größten „Baustellen“ der kommenden Bundesregierung.
Deshalb sollen namentlich nicht bekannte Vertreter von WIFO oder Fiskalrat in einer Expertengruppe „Fachleute“ aus ÖVP, SPÖ und dem Finanzministerium beraten.
Konkrete Wünsche an die Sondierer richtete Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser: Bildung, Wohnen, Gesundheit, Langzeitpflege, Bekämpfung von Kinderarmut, Klima, Integration von Geflüchteten und Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt seien entscheidende Zukunftsfragen.
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