Kardinal Schönborn, 75: Moderator in schwieriger Kirchenzeit
Ende letzter Woche vermeldete die APA, was bereits im November im KURIER zu lesen war: dass Kardinal Christoph Schönborn bei der Frühjahrstagung der Österreichischen Bischofskonferenz im März in Matrei am Brenner (Tirol) den Vorsitz dieses Gremiums zurücklegen wird.
Morgen, Mittwoch, feiert Schönborn seinen 75. Geburtstag. Der mit diesem Anlass verbundenen Pflicht, dem Papst seinen Rücktritt als Erzbischof von Wien anzubieten, hat Schönborn bereits am Rande der Amazoniensynode im Oktober in Rom entsprochen: Er habe dem Papst persönlich sein Rücktrittsgesuch überreicht, erzählte er danach.
Seit 1998 war Schönborn Vorsitzender der Bischofskonferenz, drei Jahre davor war er Kardinal Hans Hermann Groër als Erzbischof von Wien nachgefolgt. Nicht nur die Erzdiözese Wien, die gesamte österreichische Katholische Kirche war damals erschüttert von der und durch die „Affäre Groër“:
Es ging um massive Vorwürfe sexuellen Missbrauchs aus Groërs Zeit als Erzieher am Knabenseminar Hollabrunn in den Siebziger-Jahren.
Aber die Kirche war in Wahrheit seit der Bestellung Groërs zum Erzbischof von Wien im Jahr 1986 und weiterer umstrittener Bischofsernennungen in den Jahren darauf, wie etwa jener Kurt Krenns zum Weihbischof in Wien, in Aufruhr. Die Missbrauchsaffäre rund um den Wiener Kardinal war ein neuerlicher und Groërs Amtszeit abschließender Tiefpunkt, der freilich alle bisherigen Kalamitäten in den Schatten stellte.
Kirchenmann von Welt
Christoph Schönborn, bereits seit 1991 Weihbischof in Wien, kam also in schwieriger Zeit an die Spitze der Erzdiözese. Und er wurde durchaus hoffnungsfroh empfangen: Man traute dem weltläufigen, aus altem böhmischen Adel stammenden Dominikaner zu, das Schiff wieder in ruhigere Gewässer zu steuern.Dabei sollte sich die Causa Groër als ein Fanal für Kommendes erweisen: In den Jahren ab 2010 brach das Missbrauchsthema erneut mit voller Wucht auf.
In Österreich wurde von Schönborn die Klasnic-Kommission unter dem Vorsitz der früheren steirischen Landeshauptfrau eingerichtet, die sich große Verdienste um die Aufarbeitung des Themas und die Entschädigung von Opfern erworben hat.
Es ist dies ein typisches Beispiel für Schönborns Wirken als Moderator in Krisenzeiten. Auch der an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien lehrende Dogmatiker Jan-Heiner Tück betont diese Fähigkeit des Kardinals, zwischen unterschiedlichen Flügeln vermittelnd einzugreifen. Im Gespräch mit dem KURIER verweist Tück auch auf Schönborns Wahlspruch: „Vos autem dixi amicos“ („Vielmehr habe ich euch Freunde genannt“; Joh 15,15): Der Kardinal verstehe es, „das Zentrum der christlichen Glaubensbotschaft so einladend zu kommunizieren, wie es dem Inhalt entspricht“, so Tück.
Im Unterschied zu manchen Weggefährten aus dem (theologischen und persönlichen) Umfeld Kardinal Ratzingers, des späteren Papstes Benedikt XVI., sei Schönborn „den Weg mit Franziskus entschieden mitgegangen“, meint Tück. Der hinzufügt, dass diese „pastorale Wendung“ von den meisten als Weiterentwicklung in Richtung Offenheit und Liberalität gewürdigt, von anderen hingegen als Mangel an lehramtlicher Klarheit kritisiert worden sei.
Dies gelte auch für andere Herausforderungen, wie etwa die Auseinandersetzung mit dem Thema Islam. Dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz seien die damit verbundenen Probleme wohl bewusst, in seiner Funktion müsse ihm aber „an einer stabilen Vertrauensbasis für den interreligiösen Dialog“ gelegen sein, meint Tück. Hier wären andere Vertreter der Kirche – durchaus auch die „eigene Zunft“ (also Theologen) – eher gefordert, problematische Tendenzen anzusprechen und Reformansätze innerhalb des Islam zu fördern.
Von Benedikt zu Franziskus
Generell lässt sich sicherlich konstatieren, dass Schönborn – nie ein Freund harter Konflikte – gegen Ende seiner Amtszeit „weicher“, nachgiebiger geworden ist. Mit derselben Verve, mit der er einst, etwa anlässlich des durchaus von kritischen Kommentaren begleiteten Besuchs Benedikts in Österreich, diesen verteidigte, plädiert er heute für den Kurs Franziskus’.
In dieses Bild passt auch das wiederholte Zur-Verfügung-Stellen des Stephansdoms für Aids-Charity-Veranstaltungen und seine persönliche Teilnahme daran: Nicht nur Katholiken am rechten Rand sehen darin eine Anbiederung an die LGBT-Community (engl. für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender), die sich nur schlecht mit der – auch von Schönborn vertretenen – katholischen Lehre vertrage.Das zentrale Problem stellt aber wohl für Schönborn wie für jeden Bischof der dramatische Verlust an Glaubenssubstanz dar, für welchen die schwindende Katholikenzahl ein äußeres Zeichen ist. Erstmals sank diese 2019 auf unter fünf Millionen. Darüber, wie dieser Entwicklung zu begegnen wäre, gehen die Meinungen weit auseinander: Es ist dies letztlich das Thema des großen Richtungsstreits in der Kirche – in dem sich Schönborn, siehe oben, nicht so einfach einem bestimmten „Lager“ zuordnen lässt.
Wann der Papst das Rücktrittsgesuch Schönborns, der eben nach schwerer Krankheit und Rekonvaleszenz seine Arbeit wieder aufgenommen hat, annehmen wird, steht in den Sternen. Ebenso, wer Schönborn nachfolgen wird. Die Herausforderungen für den nächsten Wiener Erzbischof werden, so viel lässt sich sagen, auch ohne aktuellen Skandal nicht geringer sein als jene anno 1995.
Kommentare