„Es wurden mutige Vorschläge gemacht“

Jan-Heiner Tück: Kirche stellt sich gegen Neokolonialismus
Theologieprofessor Jan-Heiner Tück über die Ergebnisse der Amazonien-Synode der Bischöfe und das Reformtempo der Kirche

KURIER: Herr Professor Tück, der Zölibat gehört nicht zu den kirchlichen Dogmen, warum eigentlich schafft man ihn nicht einfach ab?
Jan-Heiner Tück: Der Zölibat genießt in der lateinischen Westkirche hohe Wertschätzung, die Päpste haben ihre eigene Berufung an die Frage gekoppelt: Bin ich in der Lage, zölibatär zu leben? Das führt zu einer Zurückhaltung bei dieser Frage.

Wegen des Priestermangels drängen viele darauf, die Rechte von Priestern zu ändern, analog den Diakonen.
Das ist der Schritt, den die Amazonien-Synode getan hat: dass man daran erinnert, dass verheiratete Männer auch Diakone werden können. Das wäre der Pool, aus dem dann verheiratete Priester zu gewinnen wären.

Auch in Südamerika bleiben Diakone vorerst Männer. Warum keine Frauen?
Das ist eine delikate theologiehistorische Frage. Es hat Diakoninnen in der Geschichte gegeben, die hatten aber nicht dieselben Funktionen wie männliche Diakone, die immer auch in der Liturgie präsent waren. Die katholische Kirche denkt traditionsbezogen: Was es nicht schon einmal gab, soll es künftig nur dann geben, wenn sehr gute Gründe dafür sprechen. Die Synode hat jetzt eher vorsichtig gesagt, wir sind absolut dafür, dass es weibliche Präsenz in der Kirche gibt, und wir brauchen offizielle Ämter, die das Engagement der Frauen würdigen.

Das sollen Gemeindeleiterinnen sein.
Der Titel ist einigermaßen nebulös.  Es hängt jetzt davon ab, wie man das ausgestaltet. Klar ist, dass den Communities vor  Ort jedenfalls eine Leitungskompetenz zugesprochen wird, ich vermute, dass sie bevollmächtigt werden, Eheschließungen und Taufen auszuführen.  Was die Eucharistie anbelangt, also sie zu Priesterinnen zu ordinieren, da bin ich skeptisch.

Ist nun auf der Amazonien-Synode der große Wurf erfolgt?
Der Papst hat im Vorfeld den Bischöfen gesagt, sie wollen mutige Vorschläge machen. Die  wurden gemacht. Zuvor war es tabu, über die Lockerung des  Zölibat nachzudenken. Die Mehrheit der Bischöfe empfiehlt, in den Regionen mit krassem Priestermangel über eine Neuzulassung von Priestern nachzudenken.

Geht jetzt etwas  los, was 1.500 Jahre nicht ging?
Ein Türspalt hat sich geöffnet. Wenn  Papst Franziskus nicht als der Papst der leeren Ankündigungen in die Geschichte eingehen will, wird er das jetzt aufnehmen müssen. Ein Zweites ist ganz wichtig: Die Umkehr mit Blick auf eine ganzheitliche Ökologie. Die Monokulturen, der Raubbau an den Ressourcen – das wird zum Thema gemacht. Die Kirche, die durchaus mit kolonialen Interessen verquickt war, sieht es jetzt als ihre Aufgabe, an die Seite der Benachteiligten,  der Armen zu treten, auch der indigenen Völker, um sie  vor neokolonialen ökonomischen Interessen zu schützen. An uns Westler wird klar die  Warnung platziert:  Ändert euren Lebensstil, sonst kann es sein, dass die grüne Lunge, die Amazonasregion, implodiert.

 

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