Kampfabstimmung: Welche heiklen Fragen der SPÖ jetzt bevorstehen
Als Hans Peter Doskozil vergangene Woche diese Frage stellte und Parteichefin Pamela Rendi-Wagner öffentlich zu einer Kampfabstimmung forderte, klang die Sache fast trivial. Mit wem sind die Chancen der Sozialdemokratie besser? Das schien das wesentliche Kriterium, die zentrale Frage.
Tatsächlich ist die Angelegenheit weitaus komplexer. Denn mit der von Doskozil geforderten und mittlerweile vom Vorstand beschlossenen Mitgliederbefragung stellt sich eine Reihe ganz grundsätzlicher Fragen. Und sie alle sollen, ja müssen an diesem Mittwoch im SPÖ-Parteipräsidium beantwortet werden.
Was sind die wesentliche Streit- bzw. Diskussionspunkte:
Wer darf antreten?
Zunächst einmal geht es um die „Zulassung“, sprich: Wer wird bei der Mitgliederbefragung überhaupt zur Diskussion gestellt? Rein formal wird ein SPÖ-Chef bzw. eine -Chefin nicht per Befragung, sondern auf einem Parteitag gewählt. Deshalb wurde vergangene Woche im SPÖ-Vorstand beschlossen, der geplanten Mitgliederbefragung zeitnahe einen Sonderparteitag folgen zu lassen.
Doch unabhängig davon, wie der Parteitag mit dem Ergebnis der Mitgliederbefragung umgeht, muss zuvor geklärt werden: Über wen wird bei der Befragung überhaupt abgestimmt bzw. was wird gefragt? Ursprünglich gingen Vorstands- und Präsidiumsmitglieder davon aus, dass nur Rendi-Wagner und Doskozil zur Diskussion gebracht werden. Seit Dienstag ist das anders: Der über die SPÖ hinaus bekannte Wiener Funktionär Nikolaus Kowall hat erklärt, für den Vorsitz zu kandidieren, weil weder Doskozil noch Rendi-Wagner seinen Vorstellungen entsprechen (mehr dazu hier). Und da neben Kowall in der Bundes- wie auch in den Landesparteien andere potenzielle Bewerber für den SPÖ-Vorsitz vorstellig geworden sind, muss das Präsidium an diesem Mittwoch klären, nach welchen Kriterien ein Kandidat oder eine Kandidatin auf den Befragungsbogen kommt. Gibt es eine erforderliche Anzahl an Mitgliedern, die einen Kandidaten unterstützen müssen? Und falls ja: Bis wann haben potenzielle Kandidaten Zeit, die Unterstützungserklärungen vorzulegen?
Wer darf abstimmen?
Nicht minder komplex ist die Frage, wer bei der geplanten Mitgliederbefragung mitstimmen darf. Wie der KURIER berichtete, hat die Ankündigung einer Mitgliederbefragung dazu geführt, dass auffallend viele Menschen neu in die SPÖ eingetreten sind (mehr dazu hier). Ob es für das Stimmrecht einen Stichtag geben muss, ist umstritten. So hat Neo-Kandidat Kowall am Mittwoch auf zwei wesentliche Punkte hingewiesen. Zum einen sei es Usus, dass vor internen Wahlen die Zahl der Mitglieder von sozialdemokratischen Parteien steige, und „das macht aus Parteiensicht auch Sinn“. Zum anderen hätten bei den bisherigen SPÖ-Mitgliederbefragungen immer alle Mitglieder mitgestimmt, die zum Zeitpunkt der Abstimmung Mitglied waren. Ob dies auch diesmal so sein kann und muss oder ob es einen zurückliegenden Stichtag geben soll, ist offen.
Wie läuft der Parteitag ab?
Geklärt werden muss im Parteipräsidium zudem, wie der beschlossene Sonderparteitag abläuft bzw. wie mit dem Ergebnis der Mitgliederbefragung umgegangen werden soll. Rein statutarisch dürfen am Parteitag auch andere neue Kandidaten antreten, sie müssten sich vorher nicht der Mitgliederbefragung stellen. Damit gäbe es aber einen Widerspruch zwischen Befragung und Parteitag. Und um diese seltsame Pattstellung nicht entstehen zu lassen – hier das Ergebnis der Mitgliederbefragung, da die mögliche Abstimmung am Parteitag – muss das Präsidium klären, was genau am Parteitag geschehen soll.
Wer führt die Befragung durch?
Höchst umstritten ist die Rolle der Bundespartei bzw. von Parteimanager Christian Deutsch. Formal wären er bzw. die so genannte Wahlkommission unter der Leitung des Wieners Harry Kopietz mit der Abwicklung der Mitgliederbefragung betraut. Allerdings gibt es ausgerechnet vonseiten des Doskozil-Lagers schwere Bedenken gegen beide Personen (mehr dazu hier). Ungeachtet dessen, ob die Skepsis berechtigt ist, muss die SPÖ danach trachten, den formalen Wahl- bzw. Befragungsvorgang außer Streit zu stellen. Niederösterreichs scheidender SPÖ-Chef Franz Schnabl hat via KURIER bereits durchklingen lassen, dass die Wahlkommission ergänzt und der Abstimmungsvorgang mit technischen Mitteln wie QR-Codes objektiviert werden könnte. Damit es dazu kommt muss sich das Präsidium aber darüber unterhalten und auf eine Vorgangsweise einigen.
Was heißt die Befragung für die Zukunft der Partei?
Alle für die Mitgliederbefragung nun getroffenen Entscheidungen werden maßgeblich die Zukunft der SPÖ beeinflussen. So ist schwer vorstellbar, dass die Mitglieder der Partei nur dieses eine Mal mit entscheiden dürfen bzw. sollen, wer die SPÖ in die nächste Nationalratswahl führt. Das ist - auch - eines der Motive, die der dritte prominente Kandidat Nikolaus Kowall ins Treffen führt, nämlich: Es geht um eine Demokratisierung der Sozialdemokratie.
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