Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek ist tot
Der zuletzt suspendierte Sektionschef im Justiz-Ministerium, Christian Pilnacek, ist tot. Er wurde am Freitag leblos aufgefunden. Justizministerin Alma Zadic zeigte sich in einer der APA übermittelten Stellungnahme erschüttert und nannte ihn einen „fachlich äußerst versierten Juristen, der mit seiner Expertise einen großen Beitrag zur Weiterentwicklung der Straflegistik geleistet hat".
Der 60-Jährige war aufgrund diverser Vorwürfe im Februar 2021 suspendiert worden. Pilnacek hatte dem damaligen Kabinettschef im Finanzministerium per Chatnachricht ("Das ist ein Putsch"; "Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ...") geraten, Rechtsmittel gegen eine von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vollzogene Hausdurchsuchung im Finanzministerium sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben. Weiters hatte er sich erkundigt, wer den damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) auf seine Beschuldigtenvernehmung vorbereitet ("Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?").
Die Todesnachricht sorgte auch im gerade laufenden Strafprozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dessen Kabinettschef Bernhard Bonelli für Betroffenheit. "Ich bin bestürzt, ich habe gestern Abend noch mit ihm telefoniert", sagte Kurz am Rande des Prozesses.
Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte sich „tief betroffen“. Pilnacek sei „ein brillanter Jurist gewesen, der die österreichische Justiz über Jahrzehnte geprägt hat wie kaum ein anderer. Als Architekt des Strafprozessreformgesetzes 2004 hat er für immer seine Handschrift in Österreichs Rechtssystem hinterlassen.“ Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) äußerte sich auf X (vormals Twitter) ebenfalls tief betroffen. Er habe Pilnacek - auch in der Zusammenarbeit als Innenminister - als „herausragenden Juristen kennen und schätzen gelernt“. FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan nannte den „hervorragenden Juristen“ eine „Persönlichkeit mit Charakter, die auch zu Widerspruch angeregt hat“.
Justizintern galt Pilnacek stets als Reizfigur, die nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hielt. Die von den Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mitgeschnittene Aussage zu dem Eurofighter-Verfahren führte zu einer letztlich folgenlos gebliebenen Anzeige wegen Amtsmissbrauchs. Speziell mit der WKStA focht der Sektionschef und ehemalige Richter seine Sträuße aus.
Eine neue Dimension erreichten die Auseinandersetzungen, als Pilnacek im Zuge von Ermittlungen rund um das Heumarkt-Projekt von der Staatsanwaltschaft Wien das Handy abgenommen wurde. Vorwurf: Er soll interne Informationen aus der Behörde verraten haben - in dieser Causa wird nach wie vor ermittelt. In einem anderen Verfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses wurde er dagegen rechtskräftig freigesprochen.
Die diversen Vorwürfe führten schließlich zu einer Suspendierung Pilnaceks
Seit damals, also seit der Suspendierung 2021, liegt die Karriere des Spitzenjuristen in Trümmern. Vor dem Sommer stand der in Wien geborene Strafrechtsexperte vor einem Senat der Bundesdisziplinarbehörde, die ihn in zwei Punkten freisprach und in einem zu einer Geldstrafe verurteilt hat - diese bekämpfte Pilnacek zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht.
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Pilnacek galt als hervorragender Jurist, Kenner des Strafrechts und mächtiger Beamter im Justizministerium. Im Unterschied zu anderen Kollegen im Justizapparat hatte er keine Berührungsängste mit Politik und Medien. Das lag - auch - daran, dass er strafrechtlich komplexe Sachverhalte einfach erklären konnte. Der Vorwurf, er habe dabei Amtsgeheimnisse verraten, brachte ihn im Vorjahr sogar vor Gericht. Ein diesbezügliches Verfahren hat er freilich gewonnen - er wurde freigesprochen.
Kontrollverlust
Während die Verfahren gegen ihn am Laufen waren, hat sich Pilnacek eisernes Schweigen auferlegt. Eine Ausnahme machte er Anfang des Jahres, als er einen Fachartikel in der "Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Finanzstrafrecht" veröffentlichte. Darin sprach er, der fast zehn Jahre lang für die Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften zuständig war, von einem "Kontrollverlust. Die Fachaufsicht sei, um den Anschein politischer Beeinflussung zu vermeiden, "faktisch außer Kraft gesetzt". Um das auszugleichen, wäre ein "effektiver Rechtsschutz durch die Gerichte notwendig". Aber auch der sei unzureichend.
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