Ist diese ÖH noch zu retten?
Die ÖH-Wahl ist geschlagen und gleichzeitig hat die Wahl der Vertreter der Hochschülerschaft ein großes Problem zu Tage gefördert: Das Interesse ist niedrig. Das zeigt sich in der geringen Wahlbeteiligung von 15,8 Prozent. Ist die ÖH tatsächlich noch zu retten?
Sieg für VSStÖ, Debakel für AG und ÖH an sich
Pro von Elisabeth Hofer
Ach, was gibt uns, die wir die Uni schon vor Jahr(zehnt)en verlassen haben, diese ÖH-Wahl wieder Gelegenheit zur Polemik! Da stehen wir, schauen auf die historisch niedrige Wahlbeteiligung, schütteln die Köpfe und lamentieren. Entweder sind uns die heutigen Studierenden viel zu wenig politisch und wir unterstellen ihnen Desinteresse. Oder aber, wir attestieren der Hochschülervertretung, schlechte Arbeit gemacht zu haben, „zu viel Allgemeinpolitik, zu wenig Service“ und dafür nun abgestraft worden zu sein. Beides sind Ferndiagnosen, die einem Realitätscheck nicht standhalten. Natürlich sind die jungen Menschen heute politisch, natürlich engagieren und interessieren sie sich. Sie haben dafür nur andere „Räume“ gefunden als frühere Generationen – das Internet etwa, oder NGOs.
Die Unis als Orte des politischen Diskurses und Engagements hat man ihnen durch Bologna, Fristen, Beihilfenkürzungen etc. ordentlich madig gemacht. „Studieren, keine Zeit verlieren, nur kein Semester zu viel im Lebenslauf“, sagen wir ihnen. Der Arbeitsmarkt könnte sie ja sonst nicht mit offenen Armen willkommen heißen. Für die Universitas, die umfassende Bildung abseits der Ausbildung, für Debatten und (hochschul)politisches Interesse bleibt da keine Zeit. Den anderen Punkt, den angeblich mangelnden Servicecharakter der ÖH, zu debattieren, ist müßig, weil falsch. Die ÖH bietet extrem viel Service, Beratungsangebote etc. Nur wissen darüber sogar die meisten Studierenden nicht Bescheid. In diesem Punkt sollten wir Journalisten uns an der Nase nehmen – wenn wir dann mit dem Polemisieren fertig sind.
Contra von Wolfgang Unterhuber
Nein! Die Österreichische Hochschülerschaft ÖH hat mit einer Nicht-Wahlbeteiligung von über 85 Prozent endgültig jede Legitimation verloren. Alles andere wäre undemokratisch. Man stelle sich vor, bei Betriebsratswahlen in Konzernen wie zum Beispiel MAN Steyr, voestalpine oder OMV würde die Wahlbeteiligung bei 15,7 Prozent liegen. Sofern nicht ohnedies durch interne Statuten die Wahl damit ungültig wäre, würden die gewählten Personen abtreten müssen, bevor sie überhaupt „Jessas“ sagen könnten.
Viele machen Covid für die Nicht-ÖH-Wahl verantwortlich. „Die ÖH würde eine Lebenslüge begehen, wenn sie die Beteiligung auf die Pandemie schiebt“, sagte dazu Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Korrekt. Die Wahlbeteiligung dümpelt ja schon seit Jahrzehnten zwischen 35 und 25 Prozent dahin. Das jetzige Ergebnis ist nur die Endabrechnung. Im inzwischen durch und durch regulierten Uni-Alltag wollen die Studierenden Service und Hilfestellungen. Zu oft aber bekommen sie direkt oder subtil nur Politik geboten.
So klafft zwischen dem Anspruch der künftigen akademischen Elite und den Karriereplänen der ÖH-Jungpolitikerinnen und -politiker eine verdammt große Realitätslücke. Die kam etwa im Statement der sozialdemokratischen Wahlsiegerin zum Ausdruck. „Wir freuen uns über die starke Bestätigung, die wir von den Studierenden bekommen haben.“ Damit meinte sie zwar ihren „Wahlerfolg“, aber es klang trotzdem irgendwie nach Egon Krenz kurz vor dem Untergang der DDR. Wolfgang Unterhuber
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