Gerhard Karner: "Uns interessieren keine Pantscherl, wir müssen Terror verhindern"
Es waren turbulente Tage für Innenminister Gerhard Karner (ÖVP): Nach dem geplanten Terror-Anschlag auf ein Taylor Swift Konzert erneuert er seine Forderung einer Überwachung von Messenger-Diensten.
KURIER: Der 19-jährige Terrorist, ist nur aufgeflogen, weil der US-Geheimdienst seine Nachrichten abgefangen hat. Was sagt uns das?
Gerhard Karner: Internationale Kontakte sind wichtig und werden auch genutzt. Aber unsere Polizei braucht moderne, zeitgemäße Werkzeuge, um das tun zu können, wofür sie verantwortlich ist: Den Menschen Sicherheit bieten.
Und was sagen die Grünen dazu?
Es gibt seit vielen Monaten Gespräche.
Was unterscheidet Ihr Modell von jenem, das der Verfassungsgerichtshof 2019 aufgehoben hat?
Die Hinweise wurden wahrgenommen und das Gesetz so entwickelt, dass es hält. Wir wollen und brauchen keine Massenüberwachung. Uns interessieren keine Urlaubsfotos oder Pantscherl mit der Nachbarin. Wir wollen und müssen Kriminalität und Terror verhindern.
Der Attentäter stammt aus Wien, hat Migrationshintergrund – schon wieder. Sind das normale Probleme einer Millionenstadt?
Ich bin dafür, die Dinge einzeln zu beurteilen. Der Haupttäter hat zuletzt in einer niederösterreichischen Kleinstadt gelebt, ist Österreicher mit Migrationshintergrund. Zum Thema Wien: Eine Millionenstadt hat ihre Herausforderungen. Die Jugendkriminalität beschäftigt uns sehr und wir setzen auch entsprechende Maßnahmen. Aber ich sage mit aller Überzeugung, auch in diesen Tagen: Wir leben in einem der sichersten Länder der Welt, und die Großstadt Wien gehört zu den sichersten Städten der Welt.
Von Ihnen kommt an dieser Stelle gar kein Wien-Bashing?
Nein, weil ich weiß, dass die Polizei in Wien exzellente Arbeit leistet. Und ja, ich hätte auch gerne mehr Polizisten – unser Ziel für heuer sind 1.000 alleine für Wien. Deshalb haben wir eine Aufnahmeoffensive gestartet. 2023 hatten wir in Wien im ersten Halbjahr 80 Aufnahmen, heuer 380.
Wo stehen Sie in der Debatte um die Mindestsicherung?
Der NÖAAB hat schon vor Jahren gesagt: Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein. Dafür stehe ich. Das gestaffelte Modell von Niederösterreich halte ich für sinnvoll. Was ich nicht verstehe, ist, dass man in Wien aus parteipolitischen Gründen mit der Reform der Sozialhilfe nicht mitgegangen ist und deutlich mehr Sozialhilfe ausbezahlt wird.
Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagt, er wolle nicht, dass die Menschen in die Armut und damit in die Kriminalität abdriften.
Menschen driften in die Kriminalität ab, wenn ihnen langweilig ist. Das muss man berücksichtigen, wenn man den Menschen zu viel Sozialgeld gibt und sie keine Motivation zur Arbeit haben.
Sie haben am Dienstag einen „Rekord an Abschiebungen“ präsentiert. Mehr als die Hälfte der 6.553 Abgeschobenen stammt aus europäischen Ländern.
40 Prozent davon waren straffällig. Und da ist mir völlig wurscht, ob die aus der Slowakei stammen, aus China oder aus Afghanistan. Hauptsache Verbrecher werden außer Landes gebracht.
Mit dem Unterschied, dass der Slowake an der Grenze umdrehen und wiederkommen kann.
Nein, so einfach ist das nicht: Der hat ein Einreiseverbot und an den Grenzen wird kontrolliert.
Sie sind also zufrieden?
Nein, noch nicht. Ziel ist, die illegale Migration gegen null zu drängen und wieder in andere Länder abzuschieben.
Syrien und Afghanistan?
Ja. Österreich hat die Initiative gestartet, mittlerweile haben wir wichtige Allianzen für Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan gebildet. Es geht aber nicht nur darum, abzuschieben, sondern um ein Signal, dass es nicht automatisch Schutz gibt. Das mindert auch das Interesse, nach Österreich und Europa zu kommen.
Würden Sie mit dem Assad- bzw. Taliban-Regime verhandeln?
Bezüglich Syrien gibt eine breite Allianz der EU-Außenminister. Bei Afghanistan gibt es Nachbarländer, mit denen man zusammenarbeiten kann.
Welche Nachbarn wären das?
Ich nenne kein konkretes Land, weil es gerade Gespräche gibt. Und das geht auch nicht von heute auf morgen, sondern ist intensive, harte Arbeit. Manche glauben, sie verhindern illegale Migration, indem sie einfach laut schreien.
Ist Ihr Job manchmal frustrierend?
Ein Innenminister darf sich nicht von Gefühlen leiten lassen und muss eine hohe Frustrationsgrenze haben. Mein persönlicher Anspruch ist: Nicht ärgern, sondern hart arbeiten.
Sie haben die Kontrollen beim Familiennachzug verschärft. Hat sich da die Arbeit gelohnt?
Die Zahlen gehen massiv hinunter. Im Juli hatten wir 200 Einreisen, im März waren es 1.300.
Es gab heuer 9.000 positive Bescheide für Asyl und 4.300 für subsidiären Schutz. Das sind viele. Diese Menschen dürfen theoretisch ihre Familien nachholen.
Das ist derzeit geltendes Recht. Aber Gesetze kann man ändern. Karoline Edtstadler (EU-Ministerin) hat vorgeschlagen, die Flüchtlingskonvention weiterzuentwickeln. Das halte ich für vernünftig.
An Ihrem Image ist spannend: Sie wirken nach außen wie ein Asyl-Hardliner. Aber hört man sich bei NGOs um, dann klingt es fast, als wären Sie deren Lieblings-Innenminister. Wie kommt’s?
Es gibt den alten Spruch: „Ned g’schimpft is g’lobt gnua.“
Aber es stimmt, dass Sie in engem Kontakt mit NGOs stehen?
Es ist Teil meiner Verantwortung und meiner Aufgaben, mit den NGOs eine Gesprächsbasis zu haben. Wir sind oft unterschiedlicher Meinung, aber man muss sich mit Respekt auf Augenhöhe begegnen. Was manche andere tun – andere verächtlich zu machen, zu beleidigen –, das ist nicht mein Stil.
Themenwechsel: Die Grünen haben einen Gegenvorschlag zum Messerverbot vorgelegt, weil Ihrer „zu lasch“ sei.
Ich war überrascht, dass der Vorschlag von Gesundheitsminister Johannes Rauch gekommen ist. Seine Stärke liegt wohl eher beim Skalpell und weniger beim Messer.
Wollen Sie, dass Betrunkene weiter mit Messern herumrennen?
Man kann über alles und jedes diskutieren. Aber von uns gibt es einen konkreten Vorschlag, der von Experten erarbeitet wurde und für die Polizei praktikabel ist.
Sie sind also nicht bereit, nachzuschärfen?
Ich bin bereit, den Vorschlag, der seit mehr als drei Monaten auf dem Tisch liegt, zu beschließen.
Haben Sie selber ein Messer, mit dem Sie auf den Kirtag gehen?
Ich bin Jäger, und ja, das ist schon vorgekommen. Mit der jagdlichen Lederhose gehört das zum Brauchtum dazu.
Offen ist auch noch die Reform der Handysicherstellung, weil es vor dem Sommer zu keinem Beschluss mehr kam. Das Justizministerium will den Entwurf noch einmal überarbeiten. Geht sich das vor der Wahl noch aus?
Das hoffe ich. Federführend verhandelt hier Ministerin Edtstadler mit dem Justizministerium. Mein wichtigstes Ziel sind die Messenger-Dienste.
Aber es betrifft natürlich die polizeiliche Arbeit. Der jetzige Entwurf würde die Polizeiarbeit erschweren, hieß es – Polizisten könnten bei einem Schlepper nicht mehr das Navi prüfen, bei einem Drogendealer nicht mehr vor Ort ins Handy schauen.
Deshalb wäre es wichtig, dass es zu einer Lösung kommt. Es ist leider ärgerlich, dass die Frau Justizministerin bei jeder kleinen Kritik, die kommt, zurückzieht und sich manchmal vor sich selbst fürchtet.
Blicken wir auf die Nationalratswahl. Die ÖVP sagt: Koalition mit der FPÖ nur ohne Kickl. Wer wäre Ihnen denn sonst sympathisch aus der FPÖ?
Ich vergebe keine Sympathiepunkte und schon gar nicht spekuliere ich über Koalitionen.
Würden Sie mit Blick in Ihre Heimat Niederösterreich vielleicht eher eine Koalition mit der SPÖ bevorzugen?
Ich spekuliere nicht. Wir werden alles tun, damit wir mit Bundeskanzler Karl Nehammer an der Spitze durchs Ziel gehen. Ich bin überzeugt, dass wir das auch schaffen.
Wollen Sie Innenminister bleiben?
Es ist eine wunderschöne Aufgabe, die ich sehr, sehr gerne mache. Auch, oder gerade deshalb, wenn sie wie in diesen Tagen ganz besonders herausfordernd ist.
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