FPÖ-Kandidat Vilimsky: "Green Deal? Weg damit"
Seit dem Jahr 2014 sitzt Harald Vilimsky für die FPÖ im Europäischen Parlament. Diesmal könnte er nach der EU-Wahl am 9. Juni im Hinblick auf aktuelle Umfragen die stärkste Fraktion aus Österreich stellen. Im Gespräch mit dem KURIER spricht er über das Positive in der EU, seine Abneigung gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij, die Neutralität, den Green Deal und die Migrationspolitik der EU.
KURIER: Herr Vilimsky, Sie sind seit zehn Jahren Abgeordneter im EU-Parlament. Gibt es auch irgendwas Positives zur EU zu sagen?
Harald Vilimsky: Das Interessante ist, dass wir die erste Europapartei im Land waren, die sich dafür ausgesprochen hat, eine Kooperation der europäischen Staaten auf Basis von Pluralismus und Souveränität auf Schiene zu bringen und die Ziele von Frieden, Freiheit, Wohlstand für möglichst alle zu generieren. Grundsätzlich gut ist, dass es dieses Konstrukt der EU gibt.
Also Sie sind froh, dass Österreich vor 30 Jahren für den Beitritt zur EU gestimmt hat?
Ja, also die Europäische Gemeinschaft und europäische Kooperation ist etwas, das ich nie in Frage gestellt habe. Aber ich will die Rückholung von Kompetenzen aus Brüssel in die Parlamente der Mitgliedsstaaten. Mehr Kompetenzen für die Nationalstaaten und wieder verstärkte direkte Demokratie. Das widerspricht nicht der europäischen Kooperation.
Ausführliche Studiogespräch mit Harald Vilimsky
Was soll denn künftig in Österreich entschieden werden, was bisher jetzt europaweit entschieden wurde?
Es beginnt bei der Migrationspolitik, geht zur Arbeitsmarktpolitik und in die Sozialpolitik mischt sich die EU auch ein. Wir müssen die EU reduzieren auf das, was sie ursprünglich war. Auf Fragen des Zolls, der Handelspolitik. Andererseits hätte ich mir gewünscht, dass die Europäische Union bei den kriegerischen Auseinandersetzungen dieser Welt bewusst gemeinsam als Friedensunion auftritt. Tut sie aber nicht. Wir hatten kein einziges Mal eine proaktive Einladung der Europäischen Union zu Friedensgesprächen zwischen der Ukraine und Russland.
Mit Ihnen würde es keine Europaarmee geben, oder?
Das ginge auch gar nicht, weil wir unserer Verfassung nach der Neutralität verpflichtet sind. Und das Letzte, was ich möchte, ist, österreichische Soldaten in kriegerische Auseinandersetzungen zu bringen. Und Österreich ist gut gefahren mit seiner Neutralität. Und es hat in den Köpfen der Menschen auch eine sehr identitätsstiftende Komponente. Daran sollte man nicht rütteln.
Wer soll uns dann vor unseren Gegnern schützen?
Diejenigen, die als letzte Gefahr laufen, attackiert zu werden, sind neutrale Staaten. Aber ab dem Zeitpunkt, wo wir militärischen Kooperationen beitreten, beginnen wir uns selbst zum Ziel zu machen. Ein Beispiel dafür ist Skyshield, wo wir zwei Milliarden quasi überweisen müssten in Richtung eines internationalen Projekts, geführt von der NATO und mit einem Joe Biden, den ich nicht für fit erachte, erneut das Amt des US-Präsidenten auszuführen. Könnte ich entscheiden, würde das österreichische Bundesheer die zwei Milliarden Euro erhalten. Ich kämpfe auch dagegen an, dass durch Österreich militärisches Material transportiert wird - aus meiner Sicht eine klare Verletzung der Neutralität.
Beim Angriff des Iran gegen Israel hat sich die Raketenabwehr bewährt. Das spricht doch dafür, dass sich ein Land auf diese Weise selbst schützt.
Österreich ist nicht in der Rolle des israelisch-iranischen Konflikts, sodass man reihenweise Raketen auf uns schießt. Ich sehe dieses Gefahrenpotenzial und diese Eventualität nicht, und nur wenn wir das irgendwo erfinden und dieses Bündnis irgendwo Geld braucht, sind zwei Milliarden reichlich Steuergeld.
Die FPÖ ist immer Gegenposition zur Ukraine und Präsident Selenskij. Bei seiner Rede im Parlament hat sie den Saal verlassen, auf Plakaten heißt es Kriegstreiberei. Warum geht es nie gegen Russland?
Es gab großes Verständnis für die Ukraine über viele Jahre hinweg. Ich war Obmann der Österreich-ukrainisch parlamentarischen Freundschaftsgesellschaft, habe dieses Land immer mit großer Wertschätzung gesehen. Die Ukrainer sind ein tolles Volk, auch die Russen sind ein tolles Volk. Aber was die Frage der politischen Steuerung in der Ukraine betrifft, wird dort sehr starker US-Einfluss geltend gemacht. Es geht nicht nur um die Provokation, die Ukraine jetzt in die NATO hereinholen zu wollen. Was, wie ich denke, Auslöser für die überzogene Haltung von Putin war, die ich natürlich verurteile. Aber die versuchte Einflussnahme auf Geschicke der Ukraine durch die USA ist evident.
Aber größer ist der Versuch der Einflussnahme wohl aus Russland …
Aber lassen Sie mich das noch sagen: Für mich ist Selenskij eine Person, die unredlich agiert, weil er ständig Europa und die internationale Staatengemeinschaft um Hilfe angeht: Ich brauche Raketen, ich brauche Panzer, ich brauche Geld. Das ist nicht in Ordnung. Und er ist auch kein gewachsener Politiker. Er war früher Komödiant, und er spielt für mich eine Rolle - die eines Hampelmanns der USA. Aber es ist meine persönliche Wertung der Dinge. Ich verurteile gleichermaßen Putin. Was er gemacht hat, ist Irrsinn. Es gibt nichts auf der Welt, das eine kriegerische Aktion rechtfertigt.
Sagen Sie mir einen Staatschef auf dieser Welt, wenn sein Staat angegriffen wird, der sich nicht hinstellt und für seinen Staat kämpft, um Waffen bittet und Alliierte sucht …
Er bittet nicht, er verlangt am laufenden Band. Er definiert, was wir zu zahlen haben, welches militärische Material er haben will und agiert nicht so, wie man als Staatschef in seiner Form agieren sollte. Und er agiert auch nicht im Interesse seines Volkes, indem er versucht, alles zu unternehmen, das Sterben zu beenden.
Soll also die Ukraine nicht in die EU aufgenommen werden?
Solang Krieg geführt wird, kann kein Land in die Europäische Union aufgenommen werden. Erst müssen wir die Bedingungen anschauen, unter denen Frieden hoffentlich möglich ist. Und alles andere wird man dann bewerten müssen.
Da wird grad bei der EU-Erweiterung sind: Sind es mittlerweile genug Staaten oder wie sehen Sie eine Aufnahme der Westbalkanstaaten?
Ich sehe nur ein einziges Land, das dazu kommen könnte - Serbien. Und auch nur bei Erfüllung der Kopenhagener Kriterien. Und das Zweite, was wichtig ist: Es muss eine Volksabstimmung bei den Serben geben, ob sie überhaupt beitreten wollen oder nicht. Ich erwarte ja, dass die gar nicht beitreten wollen. Aber die Erweiterung ist keine Frage für die nächsten Jahre.
Das große Thema der EU ist die Migration. Wie Sie vorhin erwähnt haben, sollte die Migration wieder zu den nationalen Regierungen zurückgeholt werden. Was könnte da Österreich machen?
Wir reden weniger von Migration als mehr von einer Invasion. Es ist ja nicht so, dass jemand hier einen Antrag auf Einreise steht und dann hierherkommt. Wir sehen an den Küsten Europas Schiffe mit hauptsächlich jungen Männern. Es sind seit dem Jahr 2015 um die 8 Millionen Menschen aus Arabien und Afrika zu uns gekommen, zwei Drittel davon haben keinerlei Schutzstatus, weder Genfer Konvention noch subsidiärem Schutz.
Wie kommen Sie auf hohe Zahl von 8 Millionen?
Also es waren sieben, sechs Anfang des Jahres. Und die sieben, sechs habe ich jetzt ein bisschen extrapoliert. Aber jeder kann das statistische Material anschauen. Und statistisch unumstritten ist auch, dass 82 Prozent jener Personen, die keinerlei Schutzstatus erhalten und mit einer Beendigung ihres Aufenthaltstitels eigentlich nach Hause reisen müssten, einfach hier bleiben. Dass das nicht funktionieren kann, sehen wir in den Metropolen dieses Kontinents. Und wir sehen sehr, sehr viele terroristische Geschichten, die mit auf den Kontinent gekommen sind. Das Modell der Briten, einen Partnerstaat zu finden wie Ruanda, halte ich für sehr gut. Menschen, die Schutz und Hilfe brauchen, dort in einen Betreuungsbereich zu bringen, der ihnen den Schutz gewährt und sie ordentlich behandelt. Wir brauchen diese Leute nicht hier, um sich dauerhaft zu verfestigen.
Der Asylpakt, den die EU-Innenminister jetzt umsetzen wollen, ist Ihnen zu wenig?
Das bringt gar nichts, wenn man nicht ein klares Zeichen setzt, dass Asyl nicht mehr in Europa möglich ist für Personen, die von anderen Kontinenten kommen. Es macht vielmehr Sinn, auf den Kontinenten selbst den Menschen irgendwo Schutz und Hilfe zu bieten, indem man Kooperationen mit Staaten eingeht. Wenn die Leute es nicht mehr nett im Sozial-Paradies Deutschland, Österreich, Schweden haben, sondern in einem anderen Land untergebracht sind, geht die Zahl der Anträge sofort runter.
Was genau sollte jeder Staat in der Migration für sich selbst regeln?
Ich bin Pragmatiker. Wenn etwas funktioniert, bin ich der Erste, der sagt: "Passt, lassen wir so!" Faktum ist aber: Es funktioniert nicht - weder Schengen noch Dublin haben irgendeinen Wert. Auch der Schutz der Außengrenzen, den die Europäische Union eigentlich als Verpflichtung hat, ist nichts mehr wert. Und wenn nichts funktioniert, gehe ich auf die andere Ebene. Dann muss Österreich in Ersatzhaftung für das völlige Versagen der Europäischen Union gehen. Dann kann man wieder Grenzen hochziehen, wenn man es braucht. Man kann Migration wieder selbst steuern und man kann auch Asyl und Betreuung so definieren, wie es im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher ist.
Stellen Sie sich ein Ende der europäischen Kooperation vor: Griechenland stoppt die Migranten nicht mehr, Frontex auf dem Balkan ebenso wenig, und Ungarn winkt nur noch durch. Dann hätten wir viele Flüchtlinge mehr ...
Orban ist einer, der von dieser EU mehrfach aufs Extreme gescholten wurde, dafür, dass er versucht hat, die Menschen abzuhalten. Ungarn hat nicht einmal 50 Asylanträge und wir haben 100.000. Das zeigt, dass Orban im Interesse seiner Leute handelte.
Er winkt ja auch alle Migranten zu uns durch.
Die Leute wollen ja selbst daher. Orban müsste man danken dafür, dass er an den Grenzen aufhalten will. Und dafür kriegt er von der Europäischen Union irgendwelche Vertragsverletzungsverfahren und Schelte und Kritik. Da liegt der Irrsinn begraben. Und es will niemand, mit Verlaub, nach Ungarn, Polen oder Slowenien oder Tschechien - alle wollen in die westlichen Sozialparadiese, und das kann nicht funktionieren. Wir sehen ja, dass die Systeme kollabieren, wir müssen die Augen. Ich nenne hier einen Satz von Scholl Latour. „Wer Kalkutta retten möchte und halb Kalkutta bei sich aufnimmt, rettet nicht Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta.“
Was heftig auch diskutiert ist, ist der Green Deal der EU: Soll er wieder abgesagt werden?
Ja, völlig weg damit. Wir wollen, dass der Schutz des Klimas und der Umwelt nicht über die Reduktion von CO₂ definiert werden soll, sondern über den Anteil erneuerbarer Energieträger. Was heißt Reduktion von CO₂? Das heißt die Förderung der Atomenergie. Und dann wundert es einen auch nicht, wenn in weiterer Konsequenz Atomenergie als grüne Energie seitens der Europäischen Union und des Europäischen Parlamentes taxiert wird. Das kann so nicht sein für jeden, der noch Fukushima oder Tschernobyl noch in Erinnerung hat.
China setzt voll auf Elektroautos. Und in Europa? Wenn man jetzt die ÖVP gehört hat, will man das Verbrenner-Aus kippen. Was meinen Sie?
Kurz vor der Wahl sieht die ÖVP ihre Wähler davonlaufen und tut so, als würde sie irgendetwas ändern wollen. Im Migrationsbereich oder beim Verbrenner, Technologiebereich und und und. Aber nach der Wahl geht es genauso weiter wie vorher. Und auch dieses Mal wird es so sein.
Verbrenner-Motor abstellen oder nicht?
Ich wüsste gar nicht, wie man individuelle Mobilität erhalten und die PKW mit ausreichend Strom versorgen könnte. Woher kommt denn der Strom? Der kann angesichts des ungeheuren Quantums, das notwendig wäre, nur über Atomkraftwerke kommen. Und dort will ich nicht hin. Ich erachte die Atomkraft als etwas, was ungeheuer gefährlich sein kann: Gut, wenn sie funktioniert, aber fatal, wenn irgendwas passiert. Und es passiert immer wieder was.
Wie viele Mandate wird die FPÖ bei der EU-Wahl holen?
Sieben Mandate, das hat mir das maßgebliche Magazin EurActiv gegeben. Schön, wenn es so wäre.
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